Alle Beiträge von Thorsten Wilhelm

Wieso betreibt der TÜV selbst keine Autowerkstätten?

Und: Warum gestaltet der TÜV nicht selbst Produkte?

Die Antwort liegt auf der Hand: Weil die Technischen Überwachungsvereine (kurz: TÜV) und deren Mitarbeiter:innen der Versuchung erliegen könnten ihre Prüfungen weder objektiv noch neutral, stattdessen geschäftsfördernd durchzuführen. Sie könnten in dem einen Fall sich selbst beste Qualität bestätigen, selbst wenn jene nicht gegeben ist („Gefälligkeitsgutachten“). Sie könnten im anderen Fall mit der Absicht möglichst viel Folgegeschäft zu bekommen allzu viele Schwächen aufzeigen, Schwächen die lediglich kosmetischer Natur sind.

Naheliegend das zu verhindern.

Weder gestalten, noch optimieren!

Wären die TÜV Mitarbeiter:innen überhaupt in der Lage Produkte und Services zu gestalten, zu reparieren oder zu optimieren? Ich denke schon. Allein der TÜV Süd, wie alle anderen TÜV Gesellschaften eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, hat über 24.000 Mitarbeiter:innen und zahlreiche Tochterunternehmen. Er erzielt Milliardenumsätze, wächst stetig, verfügt über Gebäude an zahlreichen Orten und hochwertige Infrastruktur.

80% der TÜV Süd Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben einen akademischen Abschluss („Akademiker in der Grube“), sind beispielsweise Ingenieure (w/m/d), Entwickler:innen, Psycholog:innen, Soziologen (w/m/d) oder Designer:innen. Im Team könnten sie Produkte gestalten und erkannte Schwächen und Norm-Verletzungen beheben.

Sie tun beides nicht: Weder gestalten, noch optimieren!

Der TÜV – bei seiner Gründung noch als Dampfkessel-Überwachungsverein (DÜV) bezeichnet – prüft heute fast alles wofür es Normen wie beispielsweise die „Deutsche Industrie Norm“ (DIN) gibt.

Das Aktienkapital der TÜV Gesellschaften (TÜV NORD, TÜV Rheinland, TÜV SÜD) halten zu 100 Prozent die ursprünglichen Vereine, deren Mitglieder meist Industrieunternehmen sind, und TÜV-eigene Stiftungen. Der TÜV investiert erzielte Gewinnen zu 100%: Das Geld verbleibt innerhalb der Gesellschaften und wird nicht ausgeschüttet. Die erzielten Überschüssen werden investiert, um zu wachsen, sich weiterzuentwickeln und die Qualität der Prüfungen zu steigern.

Wie halten Sie es mit der Prüfung Ihrer digitalen Produkte, Services und Anwendungen?

Vom wem lassen Sie Ihre digitalen Produkte und Services beispielsweise hinsichtlich der Einhaltung der Interaktionsprinzipien aus der DIN ISO Norm 9241-110 (Grundsätze der Dialoggestaltung) überprüfen?

Ich kenne Ihre Antwort natürlich nicht. Ich denke aber die Verteilung der Antworten ganz gut abschätzen zu können.

  • Nur wenige werden jene Prüfungen vom TÜV vornehmen lassen – der macht das, jedoch eingebettet in umfangreiche IT-sicherheitstechnische Prüfverfahren.
  • Durchaus einige werden von dieser Norm noch gar nichts gehört oder gelesen haben.
  • Einige wenige werden die Frage ungefähr so beantworten: „Institute und Agenturen, die ihren Schwerpunkt in den Bereichen User Research und UX Testing haben, testen unserer Produkte, Anwendungen und Services regelmäßig – sowohl Prototypen als auch die fertigen Versionen kurz vor einem Markteintritt.
  • Viele werden so oder ähnlich antworten: „Wir lassen unsere Anwendungen, Produkte und Services von Agenturen testen, die jene auch gestalten und in unserem Auftrag umsetzen!

Und nun frage ich Sie: Handelt die vermeintliche Mehrheit richtig? Sollten jene, die ein Produkt gestaltet haben es auch selbst testen – expertenbasiert oder mit Nutzer:innen? Sollten jene, die eine Evaluation durchführten schon während der Evaluation die Gewissheit haben, dass sie die dabei erkannten Schwächen in einem sicheren (!) Folgeauftrag auch selbst beheben werden?

Auch hier ist die Antwort naheliegend: Nein, das sollten sie nicht!

Jenes Vorgehen wäre vergleichbar mit der einleitend dargestellten Fiktion: Der TÜV entwickelt, im Auftrag anderer Unternehmen, Fahrzeuge zur Fortbewegung und prüft jene selbst vor dem Markteintritt hinsichtlich der Einhaltung von Normen. Der TÜV betreibt selbst Autowerkstätten, in denen er Prüfungen und Reparaturen durchführt.

Der TÜV tut beides nicht – und das aus gutem Grund.

„Teste nicht selbst was Du selbst gestaltet hast!“

Natürlich gibt es Ausnahmen: Es gibt Designer:innen und Entwickler:innen, die können Tests mit Nutzer:innen selbst durchführen. Sie haben alle dazu nötigen Fertigkeiten und Fähigkeiten, verfügen über reichlich Erfahrung mit UX Tests, haben vielleicht eine geeignete Ausbildung oder sich weitergebildet, sind zertifizierte UX Tester:innen und weisen Persönlichkeitsmerkmale auf, die es ihnen erlauben Kritik an der eigenen Arbeit rein sachlich aufzunehmen.

Sie verzichten in Interviews mit Nutzer:innen auf suggestiv gestellte Fragen, sie können gut zuhören, nehmen erhaltene Kritik zu ihrer eigenen, gestalterischen Arbeit auf, versuchen sich nicht zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Stattdessen reflektieren sie Kritik rein sachlich und leiten auf deren Basis Anpassungen ab, um die erkannten Probleme und Schwächen zu beheben.

Viele können all das jedoch nicht – und die meisten mögen es nicht besonders wenn das, was sie mit viel Leidenschaft und Herzblut gestaltet haben von „Laien“ – also den Nutzer:innen aus der Zielgruppe des Produktes oder der Anwendung – negativ bewertet wird.

Menschlich, oder etwa nicht?

Was die meisten Designer:innen und Entwickler:innen also brauchen, das sind Menschen, die sich auf die Überprüfung von Produkten, Anwendungen und Services spezialisiert haben. Die zugleich kein eigenes, kommerzielles Interesse haben erkannte Schwächen und Optimierungen gegen Bezahlung selbst zu beheben.

Die gute Nachricht: Jene Menschen gibt es – und sie zu finden, das ist gar nicht schwer.

Die kollegiale Lösung: Kolleg:innen testen die Arbeit ihrer Kolleg:innen!     

Einige Agenturen beschäftigen User Researcher:innen und UX Tester:innen die, im Angestelltenverhältnis oder als freiberufliche Mitarbeiter:innen, ausschließlich Tests im Auftrag ihre Kolleg:innen, welche gestalten und entwickeln, durchführen.

Jene User Researcher:innen konzipieren die Studien, legen die Test-Szenarien in Zusammenarbeit mit den Gestalter:innen fest und wählen geeignete Nutzer:innen für die Tests aus. Sie schreiben den Interviewleitfaden und führen die Nutzerinterviews durch. Sie hören dabei gut zu, fragen gezielt nach, dokumentieren die erhaltenen Antworten und die aus der Beobachtung gewonnen Eindrücke, und schließlich leiten sie aus den Daten Erkenntnisse ab. Letzteres gern gemeinsam und im Austausch mit den Designer:innen, Entwickler:innen und deren Kunden.

Ist dieses Vorgehen neutral und objektiv? Es kommt drauf an – schließlich werden die User Researcher:innen von der Agentur bezahlt.

Dennoch ist dieses Vorgehen zu begrüßen – und deutlich besser, verglichen mit jenen Agenturen, bei denen die Designer:innen das Ergebnis ihrer Arbeit selbst mit Nutzer:innen testen, die Nutzerinterviews selbst durchführen und die gewonnenen Ergebnisse selbst interpretieren.

Die externe Lösung: User Researcher:innen anderer Unternehmen testen!

Diese Lösung ist perfekter. Sie ist insbesondere dann perfekt, wenn die User Researcher:innen von den Kunden der gestaltenden und umsetzenden Agentur beauftragt werden. Und nicht von der Agentur selbst – das wäre lediglich eine Variante der zuvor beschriebenen kollegialen Lösung.

Erst dann, wenn der bezahlte Prüfauftrag direkt vom (Agentur-)Kunden kommt, können die externen User Researcher:innen die so wichtige Rolle der neutralen und objektiven Qualitätssicherer zu 100% einnehmen. Qualitätssicherung verstanden als eine umfängliche Prüfung dahingehend, ob sowohl die Bedürfnissen und Anforderungen der Nutzer:innen von den Gestalter:innen erkannt und erfüllt wurden als auch die Prüfkriterien aus Normen eingehalten wurden.

Wie findet man Unternehmen, die ihr „Alleinstellungsmerkmal“ darin sehen ihre Prüfleistungen neutral, objektiv und kompetent zu erbringen? Die sich auf User Research und UX/Usability-Tests fokussieren, kein Interesse haben an Gefälligkeits- oder übermäßig scharfen Gutachten, und die ihre Mitarbeiter:innen im Angestelltenverhältnis gut bezahlen und stetig weiterbilden?

Man findet sie wie jede andere Dienstleister zunächst einmal über eine Suche in bekannten Suchdiensten. Suchdienst aufrufen, beispielsweise Google, „User Research und UX Testing“ eingeben und fertig.

Fast. Denn: Wie wählt man den richtigen Anbieter aus? Wie die Spreu vom Weizen trennen? Gibt es im Markt der User Researcher und UX / Usability Test-Anbieter doch (noch) keine Akkreditierungsstelle, wie beispielsweise die Deutsche Akkreditierungsstelle (kurz: DAkkS), die für die Prüfung der Arbeit von TÜV, Dekar, KÜS, GTU & Co. zuständig ist.

Achten Sie auf Zertifikate!

In Ihrem Auswahl- und Entscheidungsprozess sollte Sie sich vor allem über die Kompetenzen der in den Unternehmen angestellten Mitarbeiter:innen informieren.

Ein erster, guter Indikator dafür ist die Berufserfahrung der Mitarbeiter:innen: Wie lange sind jene bereits im UX / Usability Geschäft? Welche Rollen nahmen sie bisher ein und welche Ausbildung haben Sie? Ein weiterer, vielleicht der entscheidende Indikator ist: Verfügen die Mitarbeiter:innen über einschlägige Zertifikate? Ja, auch im UX / Usability Markt gibt es Zertifizierungen – und ob jene vorhanden sind, darauf sollten Sie bei Ihre Auswahlentscheidung besonders achten.

Die im UX / Usability Markt vorhandenen Zertifikate geben Auskunft darüber, ob ein/eine User Researcher:in nötige Fertigkeiten und Fähigkeiten hat, um Leistungen wie beispielsweise Tests von Produkten, Services und Anwendungen mit hoher Qualität durchführen zu können.

Die Zertifikate haben so gelungene Bezeichnungen wie …

  • in der Basis-Zertifizierung: Certified Professional for Usability and User Experience (kurz: CPUX-F)
  • in ausgewählten Aufbauzertifizierungen:
    • User Requirements Engineering (CPUX-UR) – Expert (w/m/d)
    • Usability Testing and Evaluation (CPUX-UT) – Expert (w/m/d)

… um an dieser Stelle nur einige zu nennen.

Vergeben werden die Zertifikate über den UXQB – International Usability and User Experience Qualification Board e.V. – ein Zusammenschluss von internationalen Expert:innen, Berufs- und Unternehmensverbänden auf dem Gebiet „Usability & User Experience“. Sie haben einen internationalen Standard zur Aus- und Weiterbildung von Personen, die sich seriös für Usability und der User Experience interessieren, entwickelt.

Die Vereinssatzung stellt sicher, dass sich die Mitglieder und Vereinsorgane für die (Weiter-)Entwicklung und Pflege des Zertifizierungsprogramms „Certified Professional for Usability and User Experience“ einsetzen. Die Prüfungen übernehmen vom Verein eingesetzte („akkreditierte“) Zertifizierungsstellen. Die Kosten einer Prüfung sind unabhängig von der gewählten Zertifizierungsstelle.

Die Rechtsform eines Vereins stellt sicher, dass erzielte Gewinne stets investiert werden und es zu keiner Gewinnausschüttung an Mitglieder kommt. Die Vergabe eines Zertifikats an jene User Researcher:innen und UX Tester:innen, die sich erfolgreich auf die Prüfung vorbereiteten und jene bestehen konnten, erfolgt über das UXQB.

Eine Runde Sache und der entscheidende Indikator für Sie, um die Streu vom Weizen zu trennen, um kompetente, fähige und erfahrene Testdienstleister zu finden!

Sie können also ruhigen Gewissens auf die beste, die externe Lösung setzen:

Lassen Sie Ihre Produkte, Services und Anwendungen von spezialisierten Unternehmen prüfen und testen. Von Unternehmen die User Research & UX Testing als Leistungsschwerpunkte haben, die neutral und objektiv sein können und die über glaubhaft kompetente Mitarbeiter:innen – zertifizierte Expert:innen – verfügen.

Und vergessen Sie bitte niemals zwei der wichtigsten Daumenregeln für erfolgreiche Produkte, Services und Anwendungen:

P.S.: An dieser Stelle verzichte ich auf mein obligatorisches Angebot zur Unterstützung bei der Auswahl geeigneter Dienstleister. Ich denke Sie haben nun alle Informationen zusammen, um eine gute Entscheidung zu treffen. Zudem bin ich Gründer & Gesellschafter eines Unternehmens, das objektiv und belegt alle Voraussetzungen für erfolgreiche, qualitativ hochwertige Tests aufweist. Jenes würde ich Ihnen daher ganz sicher empfehlen – aber wäre das neutral? Entscheiden Sie selbst!

Der Beitrag Wieso betreibt der TÜV selbst keine Autowerkstätten? erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Haben Sie wirklich alle Voraussetzungen, um mit Persona erfolgreich zu arbeiten?

Ich erkläre mich für schuldig: Das ist eine Suggestivfrage. Sie scheint mir jedoch nötig, um den Persona  – einen der besten, wenn nicht der beste Ansatz für menschenzentrierte Gestaltung – zu retten.

Woran leitet der Persona-Ansatz?

Immer wieder höre ich diese Kritik: „Unsere Persona sind viel zu fiktiv. Die passen nicht zu meinem Bild von unseren Kunden & Nutzern. Und aus der Beschreibung unser Persona lässt sich überhaupt nichts konkretes ableiten – für mich nicht hilfreich!

Wer hat Persona in Verruf gebracht?

  • Menschen, die die Idee hinter dem Persona-Ansatz nicht kannten oder die es versäumten ihr Wissen über den Ansatz im Unternehmen breit zu streuen.
  • Menschen, die Persona gleichsetzten mit Zielgruppen.
  • Menschen, die Persona für gleich mehrere Produkte, Projekte oder Zielgruppen entwickelten – mit dem Anspruch, dass alle Mitarbeiter:innen eines Unternehmens damit arbeiten können (sollen).
  • Menschen, die sich ihre Persona erdachten, d.h. im Entwicklungsprozess ihrer Persona auf die Erhebung von projektspezifischen Daten verzichteten.

Jene Menschen und ihr Verhalten haben bei einigen Menschen zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Persona beigetragen. Vermutlich geschah das unbeabsichtigt: Entweder wurde der Persona Ansatz nicht richtig verstanden und umgesetzt oder in Unternehmen bzw. Teams eingeführt, die noch nicht alle Voraussetzungen hatten, um mit Persona erfolgreich zu arbeiten.

Lassen Sie uns das ändern. Starten wir mit einer abgrenzenden Beschreibung von Zielgruppen und Persona: Persona sind keine Zielgruppenbeschreibungen!

Was sind Zielgruppen?

Eine wichtige Frage, die ganz einfach zu beantworten ist: Man gruppiert Menschen nach ähnlichen Merkmalen, um sie gezielt über Werbeträger (Online-Magazine, Print-Medien, Fernsehsendungen, Gruppen in sozialen Medien etc.) zu erreichen.

In ihren Mediadaten beschreiben die  Werbeträger ihre Nutzer:innen nach Merkmalen wie beispielsweise:

  • Geschlecht, Alter, Einkommen und Bildung
  • Familienstand und Haushaltsgröße
  • Werte, Einstellungen und politische Haltung
  • Beruf, Tätigkeiten und Stellung im Beruf
  • Land, Region und Wohnort
  • präferierte Markenartikel
  • Freizeitverhalten und Hobbys.

Zielgruppen werden nach eben jenen Merkmalen gebildet und beschrieben. Nur so gelingt es in der Vielzahl an Werbeträgen (Medien) jene auszuwählen, über die man seine Zielgruppe passgenau und ohne Streuverluste erreichen kann.

Das sind Zielgruppen – aber keine Persona!

Was sind Persona?

Bei dieser, zugegeben schon etwas schwierigeren Frage lohnt sich der Blick in die Geschichte: Wo kommt der Ansatz eigentlich her, wie hat er den Weg in die Usability / UX-Branche gefunden?

Alan Cooper gilt als der unangefochtene Wegbereiter.
Zwei Dinge motivierten ihn Anfang der 1980er Jahre:

  • Er wollte erreichen, dass die Bedürfnisse von Nutzer:innen darüber entscheiden, wie Entwickler:innen und Designer:innen eine Anwendung gestalten.
  • Er wollte sicherstellen, dass Entwickler:innen und Designer:innen nicht mit erdachten Beschreibungen von Nutzern und Nutzerinnen arbeiten (müssen).

Um jene Ziele zu erreichen, führte Alan Cooper – selbst Entwickler & Designer – in seinen Projekten stets Interviews mit Nutzer:innen, entdeckte dabei Gemeinsamkeiten in Verhaltensweisen und Bedürfnissen.

Auf der (Daten-)Grundlage seiner Interviews beschrieb er typische (Persona-)Vertreter:innen. Seine Beschreibungen waren anschaulich, detailliert und hatten somit einen hohen Realitätsbezug.

Ein Beispiel für eine Persona – ganz im Sinne des Wegbereiters des Persona-Ansatzes (gestaltet von: Lisa Maria Moritz):

Persona Sedcard

„Develop a precise description of your user and what he wishes to accomplish
(Alan Cooper).”

Für alle, die beim Lesen dieser Aussage vielleicht verwirrt sind und denken
Alter Hut, hat die Verbraucherforschung (später bezeichnet als “Marketing“) so schon in den 70er Jahren gefordert!“: Bitte schauen Sie sich die exemplarische Persona noch einmal genau an. Lesen Sie vor allem den Text im rechten Teil des Bildes.

Sie werden nun erkennen:

  • Ziele, Bedürfnisse und Hindernissen, das ist nichts, was in typischen Zielgruppenbeschreibungen vorkommt. Das sind die konstitutive Merkmale von Persona, die sie von Zielgruppenbeschreibungen im Marketing deutlich unterscheiden.
  • Persona beziehen sich niemals auf alle Leistungen (Produkte & Services) eines Unternehmens. Sie haben stets Produktbezug und werden für eine konkretes Projekt erstellt.
    Bei der exemplarischen Persona: Die Verbesserung der Nützlichkeit einer Anwendung zum Anlegen, Bearbeiten und Löschen von Bank-Accounts für die Zielgruppe der (angestellten) Sachbearbeiter:innen einer Bank.

Wir haben bis hierher also gelernt oder wurden daran erinnert:
Zielgruppenbeschreibungen sind keine Persona!
Klingt vielleicht nicht grad nach viel; ist aber ein ganz wichtiger Punkt, um mit Persona richtig gut und erfolgreich zu arbeiten.

UX Designer:innen nutzen Persona – Fachmänner und Fachfrauen für Marketing nutzen Zielgruppenbeschreibungen!

Als Marketer und UX Designer blutet mir bei einer solch trennenden Aussage das Herz. Und sie ist in ihrer Klarheit eigentlich auch übertrieben, denn der Zielgruppen- und Persona-Ansatz harmonieren wunderbar.

Nur wenn beide zum Einsatz kommen, nur dann können Produkte und Services entstehen, die einem Unternehmen richtig Freude bereiten, die viel Umsatz und hohe Gewinne sichern.

Das Vorgehen, um den Zielgruppen & Persona zu vereinen, ist naheliegend und eigentlich ebenfalls ganz einfach:

  1. Den Markt definieren, eine Kundenwertanalyse durchführen und auf der Basis die relevante Zielgruppe beschreiben:
    • Wen wollen wir erreichen, wem wollen wir etwas bieten und damit Geld verdienen?
    • Welche Zielgruppen sind es „wert“ sie besonders gut zu kennen und zu bedienen?
  2. Produkt und Projekt definieren:
    Welche Anwendung wollen wir mit welchem Ziel gestalten, optimieren oder verbessern?
  3. qualitative Interviews mit Vertreter:innen der relevanten Zielgruppe durchführen. Interviews, in denen …
    • Motivationen und Bedürfnisse
    • Probleme und Abneigungen
    • Ängste und Wünsche
    • Informations- und Entscheidungsverhalten
    • Verhaltensabsichten und tatsächliches Verhalten

mit Bezug zum zuvor festgelegten Produkt & Projekt thematisiert werden.

Mit diesem Vorgehen haben wir nebenbei eine weitere, wichtige Voraussetzung geschaffen, damit ein Persona-Projekt erfolgreich sein kann: Wir haben Relevanz und damit Aufmerksamkeit für die Persona geschaffen! Nicht unwesentlich für ein erfolgreiches Persona-Projekt. Erreicht haben wir das, weil wir der Persona-Beschreibung eine Kundenwertanalyse vorgeschaltet haben, aus der die relevanteste („wertvollste“) Zielgruppe abgeleitet wurde.

Aber Achtung: Persona dürfen nie generisch sein. Sie müssen stets spezifisch für ein Produkt oder Projekt geschaffen werden. Wenn letzteres nicht gegeben ist, dann sind Persona zum Scheitern verurteilt.
Dazu ein konkretes Beispiel, um den so zwingend nötigen Zielgruppen-, Produkt- und Projektbezug zu verdeutlichen:

  • Unternehmen: Multi-Channel-Händler mit eigenen Web-Shop und Ladengeschäft
  • Zentrale Zielsetzung: Shoppen im Ladengeschäft für zunehmend digital-affine Menschen weiterhin attraktiv gestalten!
  • Projekt: Entwicklung von digitalen Produkten & Services, die die Nutzung des Online-Shops (bzw. das Online-Kaufverhalten) und den Einkauf im Laden (bzw. stationäres Kaufverhalten) verzahnen.
  • Zielgruppe: Menschen, die sowohl im Ladengeschäft einkaufen als auch im Web shoppen – egal in welchem Online-Shop.

Jetzt ist sind da: Alle nötigen Grundlagen, um in der definierten Zielgruppe Persona – auf der Basis von Erkenntnissen aus Interviews mit Zielgruppen-Vertreter:innen – zu beschreiben und mit ihnen erfolgreich digitale Produkte & Services zu gestalten.

Was braucht es noch, um mit Persona erfolgreich zu arbeiten?

Das Verständnis dafür, dass Persona ein Mittel bzw. Werkzeug zur nutzerzentrierten Gestaltung sind – und keinesfalls Antworten auf konkrete Fragestellungen geben oder gar fertige Problemlösungen aus Persona ableitbar sind.

Dieses Verständnis sollte man eigentlich nie von einer UX / User Research Methode haben. Es sind nicht die Menschen aus der Zielgruppe, die Lösungen entwickeln oder thematische Problemstellungen auflösen können. Produktideen für erkannte Bedürfnisse oder Lösungen für identifizierte Produktschwächen müssen von den Gestalter:innen und Produktmanager:innen kommen. Sie brauchen dafür viel Empathie, also die Fähigkeit sich in die  Nutzer:innen einer Anwendung hineinzuversetzen – und genau dabei helfen ihnen Persona.

Persona brauchen aktive Mitarbeit!

Man kann Persona nicht einfach einkaufen – so wie man beispielsweise ein Umfragetool oder eine Typologie einkauft. Das geht nicht.

Man muss mitarbeiten an deren Erstellung – von Anfang an: Man muss die Vertreter:innen seiner Zielgruppen in den qualitativen Interviews erleben, bestenfalls selbst mit ihnen sprechen, zwingend jedoch muss man ihnen zuhören, Aufmerksamkeit – wahre Aufmerksamkeit – schenken und sich für ihre Bedürfnisse, Ängste und Herausforderungen ehrlich interessieren. Und „Man“ meint: Alle, die später mit den Persona arbeiten werden bzw. arbeiten sollen.

Das Mitarbeiten an der Entstehung von Persona gewährleistet nicht zuletzt auch, dass die Methode richtig verstanden wird und keine falschen Erwartungen an die Methode entstehen.

Und zu guter Letzt:

Es braucht weiterhin Nutzerforschung!

Persona ersetzen keine UX Tests mit Nutzer:innen – sie sind vielmehr die Grundlage für erfolgreiche, zuverlässige und damit hilfreiche Nutzerforschung:

  • Wie finde ich die richtigen Menschen für Tests von Prototypen?
    – mit Hilfe der Persona.
  • Wie leite ich ab, was ich (thesenprüfend) untersuchen will?
    – das geht ganz wunderbar mit guten Persona. Sie bilden die Basis für die Konzeption und Umsetzung von prototypischen Varianten eines Produktes oder Services.
  • Und schließlich: Persona helfen die wahren Ursachen hinter erkannten Problemen in der Nutzung einer Anwendung zu erkennen, also die Symptome richtig zu deuten.

In diesem Kontext sei ergänzend erwähnt, dass Persona als ein Produkt anzusehen sind, das mit den Nutzer:innen stetig und im Sinne eines UX Design Prozesses weiterentwickelt werden muss und sollte: Nach jedem User Research und/oder UX-Test Projekt sollten die Erkenntnisse daraus auch dazu genutzt werden die Persona anzupassen, zu schärfen und/oder in der inhaltlichen Beschreibung zu erweitern.

Das ist ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor, um Persona am Leben zu halten und dauerhaft erfolgreich mit ihnen zu arbeiten. Und nebenbei lässt diese Einstellung in der Arbeit mit Persona auch zwei weitere, wichtige Erfolgsfaktoren für die Arbeit mit Persona erkennen: Ein Team bzw. Unternehmen, das seine Persona stetig datenbasiert „runderneuert“ hat vermutlich:

  • sowohl einen hohen UX Reifegrad als auch
  • jemanden oder gar mehrere Mitarbeiter:innen, die sich dem Einsatz von Persona in der täglichen Arbeit verpflichtet fühlen und als Botschafter in Sachen Persona auftreten.

Haben Sie alle Voraussetzungen, um mit Persona erfolgreich zu arbeiten?

Schade, dass ich ihre Antwort auf die Frage im Titel dieses Beitrags nicht kenne und wahrscheinlich niemals erfahren werde. Ich hoffe jedoch sehr, dass Sie nun alle Voraussetzungen kennen, um mit Persona produktiv(er), glücklich(er) und erfolgreich(er) zu arbeiten.

Und vielleicht haben Sie ja auch ein wenig Lust bekommen, sich weiter mit Persona zu beschäftigen. Für diesen Fall möchte ich Ihnen drei Leseempfehlungen geben:

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit einem der besten Ansätze für menschenzentrierte Gestaltung – und bin immer gern an Ihrer Seite, wenn Sie Persona als UX Methode in Ihrem Unternehmen einführen und/oder die Arbeit mit Persona dauerhaft etablieren wollen.

Sprechen Sie mich einfach an.

Der Beitrag Haben Sie wirklich alle Voraussetzungen, um mit Persona erfolgreich zu arbeiten? erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Wenn‘s wenig Budget für Usability und User Research gibt, dann teste früh!

Ob ein Gestaltungsprozess für ein Produkt oder einen Service gelungen ist, darüber entscheiden immer jene Menschen, die für den Gestaltungsprozess nicht verantwortlich sind oder waren. Die wahren Entscheider:innen sind Menschen aus der Zielgruppe, die man als Kund:innen hat oder die man zu Kund:innen machen will!

Sie in den Gestaltungsprozess zu integrieren, ist somit immer eine gute Idee.

Ihr Produkt wird in jedem Fall auf Usability getestet.
Wenn Sie es nicht selbst tun, dann tun es Ihre Kunden
.“
Jakob Nielsen, leicht modifiziert, aus: Designing Web Usability.

Nutzererlebnisse auf Basis eines Usability-Test gestalten!

Um Freude, Zufriedenheit und Begeisterung beim Nutzen von Produkten und Services zu gestalten, müssen UX Designer:innen diejenigen Menschen verstehen, für die sie etwas gestalten möchten.

Um jene Menschen zu verstehen, müssen UX Designer:innen mit ihnen sprechen, sie befragen und beobachten. Beobachten, während sie ein Produkt oder einen Service nutzen und auch: Beobachten, um zu erkennen in welchen Situationen und zu welchen Herausforderungen ihnen Produkt- oder Service-Lösungen fehlen.

Und schließlich müssen Gestalter:innen ihre Produkte und Services testen, um zu erkennen ob sie Probleme und Herausforderungen lösen.

Verstehen, befragen, beobachten und testen – die Usability/UX Branche bietet alles, was es dazu braucht: Mehr als zwei Dutzend etablierte Methoden und Forschungsansätze umfasst ein gut gefüllter UX Methoden-Werkzeug-Koffer.

Gutes Werkzeug eingesetzt von Menschen, die ihr Handwerk verstehen, ist weit mehr als die halbe Miete: Es ist die Garantie für positive Erlebnisse (User Experience) beim Verwenden von Produkten oder Services.

Wenn’s gut werden muss, dann teste früh!

Was tun, wenn man sich einen vollständigen Methoden-Koffer und erfahrene UX Designer:innen nicht leisten will (oder kann)?

Nehmen wir spaßeshalber einmal an:

  • Es gibt, aus welchen Gründen auch immer, ein begrenztes Geld- und Zeit-Budget für das Verstehen, Beobachtungen und Befragen von Menschen, für die man etwas gestalten will – konkret: 8.000.- €.
  • Das Zeit- und Geld-Budget ist derart bemessen, dass genau eine Studie zu genau einem Zeitpunkt machbar ist.
  • Und nehmen wir schließlich noch an, dass es in unserem fiktiven Projekt darum geht eine vorhandene,  jedoch „in die Jahre gekommene“ Anwendung neu zu gestalten.

(P.S.: Ob die Annahmen oft zutreffen oder aus der Luft gegriffen sind, das entscheiden Sie am besten selbst. Nicht zuletzt auch dahingehend, ob die Annahmen für Sie zutreffend sind.)

Wie und wann setzen Sie die 8.000.- € Usability/UX Budget ein?

Bei zwei Dutzend etablierten Usability/UX Methoden keine leichte Frage. Meine Antwort:

Ich werde die 8.000.- € in 90% aller Fälle für einen Usability-Test mit Nutzer:innen aus der Zielgruppe einsetzen!

Mit ihnen werde ich einen (low-fidelity) Prototypen in einem szenariobasierten Setting testen, Verhalten beobachten, Nutzer:innen zuhören und im Bedarfsfall nachfragen, wenn ihre Aussagen nicht verständlich waren.

  • Ich teste früh im Konzeptions- und Entwicklungsprozess, um erkannte Probleme schnell und kostengünstig beheben zu können.
  • Weil ich Verhalten, Gedanken und Emotionen ganzheitlich erfassen und Optimierungspotentiale zuverlässig im richtigen Nutzungskontext erkennen will, teste ich aufgabenbasiert, höre zu, frage nach und beobachte, ohne zu werten.
  • Und schließlich: Ich lasse viele Menschen teilhaben an der Beobachtung der Nutzertests und der Ableitung von Optimierungen.

Ich lade Kolleg:innen und auch Mitarbeiter:innen von Dienstleistern aus den Bereichen Marketing, Entwicklung und Produktmanagement ein, gern auch aus dem Personalwesen, wenn es um interne Anwendungen geht. Insbesondere trage ich dafür Sorge, dass die Zeit- und Geld-Geber:innen bei den Usability-Tests zuschauen. Das kann und wird in den meisten Fällen dazu beitragen, dass Budget für weitere Forschung mit Nutzer:innen freigegeben wird.

Und jenes weitere Zeit- und Geld-Budget würde ich wieder für einen Usability-Test einsetzen – dann mit einem auf Basis der ersten Testergebnisse weiterentwickelten Prototypen (6 Tips to Keep in Mind for Iterative Usability Testing).

Würden auch Sie die (einmalig) 8.000.- € für einen Usability-Test einsetzen?

Ein Usability-Test bietet viel für wenig Geld!

Seit ich im Jahr 1997 begonnen habe User Research und UX Testing anzubieten und durchzuführen, habe ich immer wieder erfahren, wie wertvoll, vielfältig und preiswert ein moderierter Usability-Test ist.

Früh und oft testen!“ – immer wieder denke ich an diese Weisheit (ohne zu wissen, wer jene im UX Kontext erstmals kundgetan hat). Und immer öfter gelingt es mir diese Einstellung an andere weiterzugeben. Es gelingt mir ihnen die Erfahrungen zu bieten, dass ein Usability-Test besonders wertvoll und zielführend ist, wenn er in frühen Entwicklungsstadien stattfindet.

UX Designer:innen müssen früh mit den Nutzer:innen aus der Zielgruppe in Kontakt kommen, anstatt sie sich nur auszudenken. Ein Usability-Test hilft sowohl Anforderungen und unentdeckte Potenziale zu identifizieren als auch Optimierungsnotwendigkeiten zu erkennen.

Usability-Tests sind universell einsetzbar und auf vielfältige Weise gestaltbar.

Ein Usability-Test ist zugleich günstig. Es braucht nur wenige Tage für dessen Planung, Durchführung und Auswertung. 4-5 Tage sind in der Regel ausreichend, 5 Tester:innen ebenso, so dass man mit 8.000.- € auskommt – wenn’s denn nicht mehr gibt.

Und ich finde, es sollte unbedingt mehr Geld für Usability freigegeben werden: 10-20% des gesamtem Konzeptions-, Entwicklungs- und Umsetzungsbudgets sind keinesfalls zu viel.

Ein Usability-Test sorgt für gute Stimmung: Bei Designer:innen & Nutzer:innen!

UX Design ist ein Gestaltungsprozess, der aus den Phasen Konzeption, Gestaltung (Interaktionsdesign, visuelles Design), Entwicklung und Umsetzung besteht.

Wie kann man diesen Prozess nutzerzentriert umsetzen? Wie bewertet man diesen Gestaltungsprozess sachlich, konstruktiv und fundiert – sowohl im Ergebnis als auch als Prozess der Zusammenarbeit im Team?

Das geht nur mit Hilfe von Nutzertests, die in unterschiedlichen Entwicklungsstadien durchgeführt werden.

Neben den bereits genannten Vorzügen und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Usability-Tests sind deren internen Wirkungen unbedingt zu beachten, wenn es darum geht das Preis-Ergebnis-Verhältnis von Usability-Tests zu bewerten.

Und diese Wirkungen haben es in sich!

In Gestaltungsprozessen müssen zahlreiche Entscheidungen getroffen und interne Diskussionen zum Ende gebracht werden. Schließlich sind die Gestaltungsmöglichkeiten bei interaktiven Produkten nahezu unendlich. Interne Diskussionen und Entscheidungsprozesse kosten oft viel (Arbeits-)Zeit, führen ab und an zu Spannungen im Team und können Gestalter:innen schließlich die Lust am Gestalten rauben.

Wer sollte Entscheidungen, zu denen es intern unterschiedliche Ansichten und Meinungen gibt, bestenfalls treffen: Konzepter (w/m/d), Designer (w/m/d), Produktmanager (w/m/d), Entwickler (w/m/d) oder jene, die über das Zeit- und Geld-Budget im Projekt entscheiden? Oder sollten in solchen Situationen die Nutzer:innen aus der Zielgruppe den finalen Ausschlag geben?

Usability-Tests mit Nutzer:innen aus den Zielgruppen sind die allerbeste Maßnahme, um in einer solchen Situation für „Ent-Spannung“ zu sorgen und den Gestaltungsprozess effizient fortzusetzen.

Schaut man seinen Nutzer:innen und (späteren) Kund:innen über die Schulter, hört zu und beobachtet, ohne gleich zu werten, dann entsteht ganz schnell Einigkeit darüber warum und wie man eine kontrovers diskutierte Gestaltungsentscheidung treffen muss.

UX Design: Nur echt mit echten Nutzer:innen!

Bitte sprechen Sie mir nach.“ (Regieanweisung: lange Pause einlegen!)

„Ich bin nicht die Zielgruppe!“

Mit diesem, zugegeben konfrontativen Ansatz hat Jakob Nielsen oft einen Perspektivenwechsel in Teams und bei Entscheider:innen eingeläutet, und schließlich die Gebrauchstauglichkeit von Produkten mit einem Usability-Test verbessert (Quelle Markus Völkel, zitiert aus seinem Beitrag Nutzerfreundlichkeit auf dem Prüfstand).

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Ich hoffe sehr, dass es mir gelungen ist auch Sie davon zu überzeugen oder die Überzeugung bei Ihnen (wieder) in Erinnerung zu rufen, dass UX Design – verstanden als ein Gestaltungsprozess für positive Nutzerlebnisse – nur mit mindestens einem Usability-Test mit echten Nutzer:innen gelingen kann.

Dieser Test sollte möglichst früh im Konzeptions- und Entwicklungsprozess durchgeführt werden, und alle, die für das Produkt oder den Service zuständig sind, sollten den Nutzer:innen dabei über die Schulter schauen. Insbesondere die Zeit- und Geldgeber:innen für User Research & Usability Testing. Danach wird in der Regel nicht nur früh, sondern auch oft getestet.

Zu guter Letzt – und keinesfalls „das Letzte!“ …

Design-Kritik statt oder besser mit einem Usability-Test durchführen?

Sollte man Usability-Testing gezielt abgrenzen von einer fundierten Design-Kritik im Team? Ja, unbedingt, denn bei einem Usability Test sieht und hört man, wie Nutzer:innen denken, fühlen und auf ein Design reagieren (handeln), das ihren Anforderungen gerecht werden soll und das für sie gut nutzbar sein soll (und es ggf. nicht ist). Das ist extrem überzeugend – überzeugend um die erkannten Probleme zu beheben, die Chancen zu nutzen und auch weiteres Budget (Zeit, Geld) für weitere Tests zu erhalten.

Bei einer rein internen Design-Kritik geht es darum was die Kritiker:innen gut begründet zu einem Design (wertend, verbessernd) sagen, betreffend dessen was gut oder weniger gut funktioniert – und wie man es ggf. verändern sollte. Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass die Kritiker:innen (ebenso wie natürlich auch die/der Deisgner:in) von sich selbst und ihren Erwartungen ausgehend urteilt.

Design-Kritik ist für jede(n) Designer:in wichtig, nötig und hilfreich, um Nutzungsanforderungen aus der IT / Entwicklung, den gesetzlichen Rahmenbedingungen, dem Marketing und dem Markt (Wettbewerb) zu erkennen und zu erfüllen. Sie ersetzen aber keinesfalls Tests mit Nutzer:innen und (späteren) Kund:innen.

Sie wollen mehr erfahren über den Wert eines Usability-Test?

Dann nutzen Sie gern meine favorisierten Linktipps:

Der Beitrag Wenn‘s wenig Budget für Usability und User Research gibt, dann teste früh! erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Welchen Wert haben Coworking Spaces für Pendler:innen? – eine Potential- und Anforderungsanalyse

Arbeiten von zu Hause – das ist für viele Mitarbeiter:innen zur liebgewordenen Gewohnheit geworden. Vor allem Pendler:innen, die lange Wege ins Büro haben, wissen es zu schätzen.

Für Pendler:innen bietet das Büro zu Hause (Home Office) zahlreiche Vorteile:

  • mehr Zeit für ein Leben in gewollter Gemeinschaft mit Nachbarn, Vereinsfreunden, Freunden und Familie
  • Zeit für ehrenamtliches Engagement
  • (oft) mehr Zeit für Sport und Hobbies
  • keine bzw. weniger oft auftretende Stresssituationen beim Pendeln
  • weniger (Pendel-)Kosten für Verkehrsmittel
  • ein gutes Gefühl beim Schonen der Umwelt
  • im Ergebnis eine Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität.

Viele Unternehmen sehen diese Vorteile. Jene Unternehmen fördern mobiles Arbeiten. Sie wollen die Leistungsmotivation, Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter:innen steigern und neue Mitarbeiter:innen einfacher gewinnen: Unternehmen die mobile Arbeit fördern, können neue Mitarbeiter:innen unabhängig von deren Wohnort einstellen. In Zeiten zunehmenden Mangels an Fachkräften ein enormer, mit Geld eindeutig zu bemessener (Kosten-)Vorteil.

Ist Home Office für alle geeignet?

4-5 Tage pro Woche im Home Office, das ist für einige Angestellte ein Traum.
Für andere unvorstellbar, für einige sogar die Hölle.

Die Gründe für diese unterschiedliche Bewertung sind vielfältig. Oft ist die Ausstattung im Home Office unzureichend: Ein ergonomischer Stuhl und höhenverstellbarer Schreibtisch fehlen, ein Arbeitszimmer ist nicht vorhanden, das WLAN viel zu langsam und unzuverlässig, ein zweiter Monitor nicht greifbar. Produktives, konzentriertes Arbeiten am Schreibtisch ist unter solchen Bedingungen unmöglich.

Was tun? Ab ins Büro?
Unglücklich, irgendwie, gehen doch nun alle Vorteile der Arbeit am Wohnort verloren.

Wie wäre es mit gelegentlichen Arbeitstagen in einem Coworking Space?

Gut ausgestattet, bietet ein Coworking Space alles was es für produktives Arbeiten am Schreibtisch braucht. Befindet sich der Coworking Space in Wohnortnähe, dann sind zugleich alle Vorteile reduzierter Pendelwege gegeben.

Da immer mehr Coworking Spaces (auch) auf dem Land entstehen, steigt die Wahrscheinlichkeit einen Coworking Space in der Nähe zu finden.

Lösung gefunden? – Im Prinzip ja, wenn zugleich die Frage geklärt ist:
Wer zahlt für die Nutzung des Coworking Space – die/der Arbeitnehmer:in oder der Arbeitgeber?

Beschäftigte werden nur bereit sein, den Aufwand für die Nutzung eines Coworking Spaces selbst zu tragen, wenn für sie der sich per Saldo ergebende individuelle Mehrwert gegenüber den Alternativen der Arbeit im Homeoffice oder im Betrieb hinreichend groß ist.Holger Bonin, Werner Eichhorst  und Annabelle Krause-Pilatus (IZA).

Klar, die genannten Vorteile reduzierter Pendelwege sind ihr Geld wert. Dennoch: Es besteht eine unmittelbare Konkurrenz zwischen Coworking Space und Home Office. Und da das eigene Arbeitszimmer zu Hause in der subjektiven Wahrnehmung kostenlos nutzbar ist, werden angestellte Pendler:innen einen Coworking Space nur dann nutzen, wenn deren Arbeitgeber die Kosten übernehmen.

Welche Unternehmen sollten ihren Angestellten (w/m/d) die gelegentliche Arbeit in einem Coworking Space bezahlen?

Wenn die/der einzelne Mitarbeiter:in schlechte Arbeitsbedingungen im Home Office hat (Technik, Ausstattung, Raum), der Weg ins Büro lang und ein wohnortnaher Coworking Space vorhanden ist, dann lohnt es die gelegentliche Arbeit in einem Coworking Space aus der Unternehmenskasse zu zahlen. Das Unternehmen bekommt als Gegenleistung zufriedene Mitarbeiter:innen, die ihre Aufgaben effektiv und effizient auch außerhalb des Büros erledigen können.

Will ein Unternehmen teilhaben am methodischen und fachlichen Wissen von innovativen, erfolgreichen Start-Ups, dann sollte es seinen Mitarbeiter:innen ebenfalls ab und an die Chance bieten in einem Coworking Space zu arbeiten (Coworking-Spaces sind die Garagen der Zukunft!).

Stichwort: Agiles Mindset!

Unternehmen, die bisher alles taten um nur keine Fehler zu machen, stets nach der perfekten Lösung suchten statt eine „MVP Mentalität“ zu entwickeln, dadurch kaum (mehr) innovativ und frühzeitig am Markt sind, sollten vielen Mitarbeitenden viel Arbeitszeit in Coworking Spaces bezahlen. Vor allem natürlich in jenen Spaces, in denen ihre Mitarbeiter:innen viele erfolgreiche Coworker:innen mit einem agilen, kunden- und marktzentrierten Mindset antreffen.

Welche Argumente gibt es noch, die dafür sprechen Mitarbeitenden (w/m/d) die Arbeit im Coworking Space zu ermöglichen?

Das Kostenargument! Ein wirklich starkes Argument, finde ich. Es gilt für all jene Unternehmen, die überdurchschnittlich hohe Miet- und Betriebskosten für ihr(e) Büro(s) haben und die zugleich viele Mitarbeiter:innen beschäftigen, die sich für ein Leben in den Speckgürteln unserer Großstädte entschieden. In einem solchen Fall kann die vorhandene Bürofläche mittelfristig um 30-50% reduziert werden und das eingesparte Geld für die Nutzung von Coworking Spaces in Wohnortnähe der Mitarbeitenden effektiver eingesetzt werden.

Unter derartigen Bedingungen kann es sich sogar lohnen einen remote first Ansatz zu wählen und mittelfristig komplett auf ein klassisches Büro zu verzichten.

Das gilt insbesondere und in verstärktem Maße für jene Unternehmen, die Fachkräfte brauchen, die jene jedoch an ihren heutigen (Büro-)Standort kaum mehr finden bzw. sich finanziell nicht leisten können.  Mit dem Angebot in einem wohnortnahen Coworking Space kostenlos arbeiten zu können, lassen sich auf dem Land lebende Fachkräfte anziehen, begeistern und langfristig binden.

Stichwort: Imagegewinn!

Unternehmen, die ihr Image mit den Coworking-Werten – Zusammenarbeit, Gemeinschaft, Nachhaltigkeit, Offenheit und Zugänglichkeit – aufladen wollen, sollten Coworking Spaces für ihre Mitarbeiter:innen zwingend erlebbar machen. Echte Coworking Spaces, die jene Werte leben und pflegen.

Und schließlich, und dieses Argument ist ein besonders starkes:
Unternehmen, denen daran gelegen ist, dass ihre mobil arbeitenden Mitarbeiter:innen ideale Arbeitsbedingungen haben, ideal im Sinne der Aspekte Arbeitsschutz und Arbeitsfähigkeit (Licht, Technik, Möbel etc.), sollten werben für ein Arbeiten in funktional hervorragend ausgestatteten Coworking Spaces und die damit verbundenen Kosten übernehmen.

Bleibt die Frage: Wenn es sich lohnt für einen Coworking Space zu zahlen, wie schaut er aus und was bietet er:

Der ideale Pendlerhafen – ein Coworking Space in dem sich pendelnde Angestellte (w/m/d) gerne aufhalten!

Die Möglichkeit in Gemeinschaft in Ruhe zu arbeiten ist sicherlich eine, die von Pendlern geschätzt und gesucht wird. Es braucht dazu beispielsweise Räume, die den Charakter eine Bibliothek haben. Stillarbeit wird so aus der Gestaltung heraus angezeigt und von den Nutzenden explizit gefordert. Das schafft Ruhe – gleichzeitig fühlt man sich nicht allein.

Nischen sind eine weitere Möglichkeit, um Fokusarbeit in einem Coworking Space möglich zu machen. Sie können vielfältig eingerichtet und hergestellt werden, beispielsweise durch ein Loungesofa mit Trennwänden („Highback“), eine Box oder etwas kreativer durch eine im Raum aufgestellten Gondel.

Pendler:innen brauchen zudem technisch hervorragend ausgestattete Räume, in denen sie an virtuellen Treffen, Besprechungen und Workshops teilnehmen können. Ebenso Telefonzellen, in denen sie längere Telefonate in Ruhe führen können.

Dagegen sind für Pendler:innen Räume für Besprechungen und kreative Workshop weniger wichtig. Jene Aktivitäten finden besser im Büro statt, mit Kolleg:innen aus demselben Projekt bzw. derselben Abteilung.

Ein Pendlerhafen braucht Treffpunkte und (Markt-)Plätze mit „Café-Atmosphäre“, Räume zum Austausch, Kennenlernen, für Gespräche mit anderen – anderen Menschen, die gerade nicht Kolleg:innen sind, die sich bestenfalls auf vielfältige Weise von einem selbst unterscheiden, die somit Impulse bieten und Perspektivenwechsel möglich machen.

Bestenfalls bietet ein Coworking Space für die Nutzerschaft der „pendelnden Angestellte (w/m/d)“ neben guten Arbeitsbedingungen nützliche Services, die der/dem Mitarbeiter:in das (Arbeits-)Leben erleichtern, beispielsweise

  • technischer Support beim Umgang mit und der Bedienung von beruflich nötigen Geräten (Hardware) und nötiger Software
  • Unterstützung beim Bewältigen der Aufgaben und Herausforderungen des täglichen Lebens (Einkaufen, Hol-/Bringdienste für die Familie, Paketannahme und -versand, Reinigungsservice etc.)
  • (e)Car-Sharing / (e)Bike-Sharing direkt am Space
  • Kinderbetreuung im Space.

Und nicht zu vergessen, und gern zum Abschluss nochmals explizit erwähnt: Coworking Spaces die (auch) Angestellte (w/m/d) ansprechen und gewinnen wollen, müssen (!) in Punkto Arbeitsschutz und Arbeitsstättenverordnung alle Anforderungen erfüllen – zu 100%. Das ist sowohl Basis- als langfristig auch zentraler Erfolgsfaktor, um sich positiv und wertig abzuheben von der Arbeit im Home Office.

Coworking Space für Pendler:innen: Es kann sich auch für Sie lohnen!

Sie sind dabei und zahlen Ihren Mitarbeiter:innen zukünftig den 3. Arbeitsort „Coworking Space“?
Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen einige gute Argumente dafür gab – und jene Argumente für Sie und Ihr Unternehmen zutreffend sind. Je mehr zutreffen, desto mehr Arbeitstage sollten Sie im Coworking Space möglich machen. Es lohnt sich für Sie und Ihre Mitarbeiter:innen.

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Sie wollen einen Coworking-Space für pendelnde Angestellte (w/m/d) einrichten und selbst betreiben?

Dann sprechen Sie mich gern an.

Ich unterstütze Sie mit Rat und Tat, analysiere gemeinsam mit Ihnen Potenziale, recherchiere nach passenden Orten und Gebäuden, bietet Ihnen Einblicke in erfolgreiche Pendlerhäfen und helfen Ihnen, gemeinsam mit meinen Netzwerkpartnern bei der CoWorkLand eG, beim Konzipieren, Planen und Gestalten Ihres eigenen Coworking Space.

Der Beitrag Welchen Wert haben Coworking Spaces für Pendler:innen? – eine Potential- und Anforderungsanalyse erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Perspektivenwechsel – Wie das Eintauchen in fremde Lebenswelten beim Gestalten für eine bessere Zukunft hilft!

Ich bin sehr dankbar, dass ich immer wieder Menschen kennen und mögen lernte und lerne, die so ganz anders waren und sind wie ich selbst. Menschen, die sich in ihren Haltungen, Mentalitäten und ihrer Lebensführung deutlich von meinen Werten und Verhaltensweisen unterscheiden.

Mir tat und tut das Gespräch und der Austausch mit diesen Menschen sehr gut. Ich darf immer wieder die Erfahrung machen, wie wertvoll es ist, sich auf einen Wechsel von Sichtweisen, auf Perspektivenwechsel, einzulassen. Und ich möchte Ihnen verdeutlichen, warum auch Sie das tun sollten.

Kunden & Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen!

Als ausgebildeter Betriebswirt mit einem Fokus auf eine marktorientierte Unternehmensführung, lernte ich wie wertvoll es ist die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen zu kennen. Ich verinnerlichte, dass Unternehmen auf lange Sicht betriebswirtschaftlichen Erfolg nur dann erzielen können, wenn sich deren Mitarbeiter:innen in Kund:innen hineinversetzt und sie zufriedenstellen (wollen). Damit das der Fall ist, müssen sich die Mitarbeiter:innen wohlfühlen, wertgeschätzt und verstanden fühlen und in der Lage sein Kundenwünsche optimal zu erfüllen.

Kund:innen und Mitarbeiter:innen in den Mittelpunkt zu stellen, Entscheidungen und Handlungen an deren Anforderungen auszurichten, das ist die zentrale Grundlage zur Gestaltung von nützlichen und nutzbaren Produkten.

Kommt noch ein gewisses technisches Verständnis hinzu, eine Liebe zu und an Technologien und Innovationen, dann hat man fast alles zusammen, um ein(e) erfolgreiche(r) Unternehmer:in und/oder ein(e) erfolgreiche UX bzw. Digital Designerin zu sein.

Was braucht es, um auf das „fast“ verzichten zu können? Darum soll es in diesem Artikel gehen.

Design bedeutet etwas mit Absicht zu machen!

Wir UX Designer (w/m/d) wollen die Wünsche, Anforderungen und Bedürfnisse von Zielgruppen erfüllen. Das ist unser Anspruch, das bietet uns Erfolgserlebnisse und macht uns zu glücklichen Menschen.

Was aber tun, wenn sich unsere Zielpersonen nicht sozial verhalten? Wenn ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht zu einer nachhaltigen, die Umwelt schonenden und das soziale Miteinander fördernden Lebensführung beitragen?

Denken wir beispielsweise an die zahlreichen Sport- und Nutzfahrzeuge (kurz: SUVs), die in unseren Städten unterwegs sind (– und an deren Fahrer:innen). Oder die Angebote von Kurzurlauben per Flugzeug, die für einen Einkaufstrip beispielsweise nach New York genutzt werden (- und an deren Nutzer:innen). Denken wir schließlich an einen Vermögensaufbau mit Aktienfonds, bei denen Gelder in Unternehmen der Rüstungsindustrie angelegt werden (- und an deren Käufer:innen).

Naheliegend und die wohl einfachste Reaktion: Eine entsprechende Gestaltungsaufgabe bzw. eine entsprechende Anfrage wird abgelehnt. Man lehnt es kategorisch ab die Attraktivität von SUVs für Menschen zu steigern, die 340 Tage pro Jahr Strecken von unter 20 Kilometern zurücklegen, davon 80% in Ortschaften und 95% auf bestem Straßenbelag.

Oder aber man stellt sich der Herausforderung den Lebensstil und die Lebensführung jener Menschen zu verändern. Sollten wir uns als UX und Digital Designer (w/m/d) dieser großen Herausforderung stellen?

Ich bin der Meinung: Ja, das sollten wir! Wir sollten uns, wann immer nötig, als Gestalter und Förderer von sozialen und umweltschutzorientieren Verhaltensweisen begreifen. Oder um es mit den Worten von meinem geschätzten Mitstreiter Dr. Guido Beier zu sagen:

Ich hoffe sehr, dass wir bald nicht mehr über UX (User), CX (Customer), EX (Employee Experience) und alle möglichen Experiences sprechen, sondern dass sich ein Verständnis etabliert, das menschliches Erleben ganzheitlich betrachtet (…) statt Menschzentrierung eine Umweltzentrierung fordert. In dieser Sichtweise ist der Mensch nicht mehr das alleinige Kriterium der Entscheidung. Stattdessen wird die Wirkung auf das gesamte Ökosystem betrachtet, in dem der Mensch ein wichtiger Teil, aber nicht mehr der Nabel der Welt ist (Zitatquelle).

Das uns allen vertraute Kreismodell, mit den Komponenten:

  • Nutzer:in / Kund:in („User Needs“),
  • Technik / Technologie und
  • Geschäft / betriebswirtschaftliche Rendite

muss ergänzt werden um die Komponenten Umwelt- und Sozialverträglichkeit.

Das ist, ganz ehrlich, auf lange Sicht unsere Daseinsberechtigung. Nur wenn uns das gelingt, nur dann werden wir als UX und Digital Designer (w/m/d) gebraucht. Nur dann können wir unsere große Bedeutung im Gestaltungs- und Umsetzungsprozess bewahren.

Wir müssen die Herausforderung annehmen nützliche Produkte & Services zu konzipieren, den Umsetzungsprozess nachhaltig und ressourcenschonend zu gestalten und zugleich müssen wir nachhaltiges Verhalten fördern.

Warum ein Zeiterfassungstool keine Lösung ist!

An dieser Stelle ein weiteres Beispiel – Thema: Mindestlohn.

Wenn Regierungen den Mindestlohn erhöhen, dann gibt es in der Regel auch eine Diskussion zum Thema „Missbrauch“. Es wird befürchtet dass Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen zwingen weniger Stunden aufzuschreiben als sie tatsächlich leisten. Eine Befürchtung, die sicherlich gerechtfertigt ist, wenn auch natürlich nicht alle Unternehmen und Unternehmer:innen derart handeln.

Nehmen wir an, dass mit dem Beschluss einer Mindestlohnerhöhung zugleich verordnet wurde die Arbeitszeit für jeden Arbeitstag zuverlässig zu dokumentieren. Schnell kam die Ideen auf alle Angestellten im Niedriglohnsektor mit einem Diensthandy auszustatten. Über eine App sollen sie ihren Arbeitsbeginn, Pausen- und Endzeiten erfassen.

Die Regierung schreibt die Konzeption, Gestaltung und technische Umsetzung einer solchen Lösung aus. Eine interessante, durchaus umfangreiche Ausschreibung und zugleich spannende Herausforderung. Eine Herausforderung, die ganz sicher viele Unternehmen annehmen werden; die sie mit einem nutzer:innen-zentrierten Gestaltungsprozess lösen wollen und werden.

Gehören auch Sie zu diesen Unternehmen bzw. Dienstleistenden? Würden auch Sie sich an einer solchen Ausschreibung beteiligen? Und falls ja: Würden Sie neben der Entwicklung einer App zur Zeiterfassung der Regierung konkrete Maßnahmen aufzeigen, die dazu beitragen, dass Unternehmen und Angestellte im Niedriglohnsektor für ihre Arbeit deutlich mehr Lohn bekommen als der Mindestlohn vorschreibt? Würden Sie Maßnahmen empfehlen, die dazu führen dass die Unternehmen und Mitarbeiter:innen im Niedriglohnsektor deutlich mehr Anerkennung und Wertschätzung bekommen? Würden Sie nicht „nur“ die App entwickeln, sondern zusätzlich versuchen die Einstellung und Haltung der Kunden von Unternehmen im Niedriglohnsektor zu (ver-)ändern?

Genau darum geht es, wenn wir als Gestalter:innen ganzheitlich denken und handeln – das ist spannend, sinnstiftend, herausfordernd und wirklich, wirklich wirksam. Wirksam im Sinne einer Verbesserung unserer Gesellschaft und unseres Miteinander.

Sozial- und umweltverträglich gestalten!

Die UX Forschung und Praxis bietet eigentlich alles, was es dazu braucht.
Eigentlich – ja nur eigentlich, denn die Aspekte Sozial- und Umweltverträglichkeit finden, neben jenen der Fokussierung auf die Nutzer:innen, Geschäftsziele und technologischen Möglichkeiten, zu wenig Beachtung.

Wie kann man das ändern?

Eine diverse und heterogene Teamstruktur – divers hinsichtlich Fertigkeiten, Fähigkeiten und insbesondere Persönlichkeiten, Haltungen und Werten – ist ein sehr guter Anfang. Derartige Teamkonstellationen bieten einen idealen Nährboden sowohl für Innovationen als auch eine ganzheitliche Sichtweisen. Perspektivenwechsel sind in solchen Teams schlicht und einfach vorhanden, müssen also nicht explizit herbeigeführt werden.

Ist das nicht der Fall bzw. ist die Diversität nicht ausreichend, dann müssen wir den Austausch mit Menschen suchen, die anders sind als wir selbst. Jene Menschen können uns helfen eine Gestaltungsaufgabe ganzheitlich zu betrachten und Lösungen zu finden, die allen helfen: Den Nutzenden, der Gesellschaft, der Umwelt und dem Unternehmen.

Tipps für einen gelungen Perspektivenwechsel

Zuhören, verstehen wollen und die Perspektive wechseln wollen – das ist nicht leicht, keine Frage; das ist aber eine notwendige Eigenschaft, die gute UX und Digital Designer:innen brauchen (Qualitäten erfolgreicher UX Designer (w/m/d) – alles eine Frage der Empathie).

Einfach nach „Andersdenkenden“ zu suchen, das reicht jedoch nicht aus. Wir müssen gezielt nach Menschen suchen, die unsere Sicht auf eine Gestaltungsaufgabe ergänzen, die sich bereits seit Jahrzehnten sozial und umweltverträglich verhalten und die Eigenschaften aufweisen, welche für die konkrete Gestaltungsaufgabe relevant sind.

Wir müssen den Austausch mit vielen Menschen suchen, die sich in ihrer Mentalität (Haltungen, Werte, Lebensziele, Weltbilder), sozialen Lage (Bildung, Einkommen, Vermögen, Beruf, Herkunft), ihrem Verhalten (Konsumverhalten, Lebensführung) und/oder ihrer Persönlichkeit (sozialisierte Merkmale, berufsbezogene Persönlichkeitsmerkmale, Alter, Generationszugehörigkeit) von uns und unseren Kolleg:innen unterscheiden.

Mit ihnen zu sprechen, gemeinsam mit ihnen über ein Gestaltungsproblem nachzudenken, ihre Sichtweisen und Perspektiven kennenzulernen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, das bereichert und führt mit zu Lösungen, die uns allen eine bessere Zukunft sichern.

Wir werden Ideen und Impulse bekommen, wie man Menschen zu umweltbewusstem Verhalten, einem Verhalten, das die Umwelt schützt, bewegt. Wir werden lernen, wie wir vom Wissen (Problembewusstsein beim Thema Umweltschutz) zum Handeln (umweltverträgliches Konsumverhalten) kommen. Wir werden lernen, wie man von „Vorsätzen und gutem Willen“ zu Taten führt. Wie man Gewohnheiten verändert, und wie es gelingt, vielleicht auch mit nur kleinen Veränderungen, Menschen zu einem (noch) sozial- und umweltverträglichen Verhalten zu bewegen.

Versuchen Sie es. Wechseln Sie mit Hilfe anderer Menschen oft Ihre Perspektive(n) und Sichtweise(n). Nehmen Sie Ihre Sichtweise(n) ein wenig zurück und nehmen jene von anderen ein. Sie werden es genießen, es wird Sie bereichern und Sie werden bessere Lösungen finden.

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Ich durfte diese wertvollen Erfahrungen schon oft machen, wofür ich sehr dankbar bin.

Neben Guido Beier und Clemens Lutsch, hat mir vor allem Johanna Möller immer wieder geholfen meine Sichtweise(n) und Perspektiven zu (ver-)ändern.

 

Der Beitrag Perspektivenwechsel – Wie das Eintauchen in fremde Lebenswelten beim Gestalten für eine bessere Zukunft hilft! erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Pop-Up Coworking: In 66 Tagen erkennen ob ein Bedarf besteht!

Haben Sie schon einmal ein Elektroauto gefahren, ein Car-Sharing Angebot genutzt und in einem Coworking Space auf dem Land gearbeitet? Sie werden vielleicht nicht drei Mal mit „Ja“ antworten.  Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben Sie jedoch eine Haltung zu den Themen Coworking auf dem Land, Car-Sharing und Elektromobilität.

Je positiver Ihre Haltung ist, desto eher werden Sie die Angebote nutzen. Die Nutzungswahrscheinlichkeit steigt auf 100% an, wenn Sie eine Gelegenheit zur Nutzung haben und die mit der Nutzung einhergehenden Preise zahlen können und wollen.

Gelegenheit macht neugierig – Oder: Angebot schafft Nachfrage!

Wenn viele Menschen zu einem Angebot eine Haltung entwickelt haben, diese Haltung jedoch noch nicht durch eigene Nutzungserlebnisse geschärft ist, dann sollten Nutzungsangebote möglichst schnell unterbreitet werden.

Innovative Unternehmen handeln nach diesem Grundsatz: Ein neues Produkt wird, mit nur wenigen Funktionen ausgestattet, auf den Markt gebracht. Die Fokussierung auf das Wesentliche macht die Nutzung des Produkts einfach und für alle zugänglich. Schnell werden Nutzungszahlen und Bewertungen von Nutzer:innen erhoben, um Bedarfe zu erkennen, Funktionen zu erweitern, Optimierungen herbeizuführen oder zu dem Schluss zu kommen, dass kein Bedarf vorhanden ist.

Dieser Minimum Viable Product (kurz: MVP) Ansatz entwickelt sich in immer mehr Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zu einem Standard, da dieser Handlungsgrundsatz effizient ist: Flops werden frühzeitig erkannt, versenkte Entwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebskosten vermieden (Wie minimal darf ein Minimum Viable Product sein?).

Bedarfsanalyse für Coworking Spaces auf dem Land

Wie kann man den MVP Grundsatz auf die Analyse von Bedarfen für „Coworking auf dem Land“, also die Bereitstellung von Coworking Spaces außerhalb von (Groß-)Städten, übertragen?

Die CoWorkLand eG hat sich diese Frage bereits im Jahr 2017 gestellt und fand die Antwort in sogenannten Pop-Up Coworking Spaces.
Pop-Up Coworking Spaces bieten all das, was einen Coworking Space auszeichnet:

  • geteilte Schreibtische für das Arbeiten in Gemeinschaft und für Fokusarbeit
  • Plätze zum Telefonieren, zum Teilnehmen an Videokonferenzen
  • Treffpunkte mit gemütlichen Sitzecken
  • Besprechungsflächen
  • WLAN, guten Kaffee und
  • (nicht zu vergessen): professionelles Community-Management.

Die CoWorkLand eG richtet Coworking Spaces sowohl in vorhandenen Immobilien als auch „auf grüner Wiese“ in Pavillon-Ensembles ein.

Einrichtung und Atmosphäre eines Pop-Up Coworking Spaces der CoWorkLand eG werden vermittelt.

Pop-Up Coworking: Arbeiten wo viele gerne leben, sich wohlfühlen!

Jule Lietzau (Leiterin der Begleitforschung bei der CoWorkLand eG und erfolgreiche Betreiberin eines Coworking Space auf dem Land) zum Thema Bedarfsanalyse:

„Die Herausforderung ist, dass die Nachfrage nach einem ländlichen Coworking Space häufig erst mit dem Angebot entsteht. Ein Space muss als Alternative wahrgenommen werden, ehe jemand die Räumlichkeiten nutzt.“ (Quelle: „Kommunen sollten sich herantasten“).

Die aufmerksamkeitsstarken Pop-Up Pavillons haben den dafür zwingend nötigen Aufforderungscharakter. Ihnen gelingt es viele Menschen anzusprechen, neugierig zu machen und zum (erstmaligen) Arbeiten in einem Coworking Space zu motivieren.

Coworking Space auf dem Land: Mehr als ein Platz zum Arbeiten!  

Niemand wird einen Coworking Space auf dem Land aufsuchen, wenn jener lediglich Plätze zum Arbeiten und guten Kaffee bietet. Das funktioniert nicht, weil auf dem Land relativ viele Menschen eigene Arbeitsplätze haben.

Ich habe einen guten Platz zum Arbeiten zu Hause, sogar ein Arbeitszimmer. Wozu soll ich da in einen Coworking Space gehen?“

Ein Coworking Space auf dem Land muss besondere Mehrwerte bieten, muss sich gegen das heimische Arbeitszimmer und den Weg ins Büro abgrenzen, Vorteile gegenüber diesen vertrauten Arbeitsorten aufweisen.

Die Vorteilsargumentation gegenüber dem Weg ins Büro ist relativ einfach:

  • weniger Geld und Zeit für das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort
  • weniger Umweltbelastung
  • weniger Stress beim Pendeln
  • mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbies und/oder ein Ehrenamt in der Gemeinde.

Weitaus schwieriger wird es, wenn man zwischen Home Office und Coworking Space abwägt, wenn diese alternativen Arbeitsorte miteinander verglichen werden: Was fördert das arbeiten in einem Coworking-Space (7 gute Gründe für Coworking Spaces)?

  • Persönlichkeitsmerkmale und sich daraus ableitende Bedürfnisse (beispielsweise die Bedürfnisse nach Gemeinschaft und Abwechslung)
  • situativen Faktoren („Wo kann ich in Ruhe arbeiten, wenn zu Hause grad viel los ist, Trubel und Lärm mich stören?“)
  • infrastrukturelle Faktoren (zum Beispiel eine bessere Netzanbindung, attraktive Flächen- und Raumgestaltung)

Ob an einem bestimmten Ort ein Bedarf für Coworking besteht, und welche Zielgruppen diesen Bedarf haben, das kann mit Hilfe eines Pop-Up Coworking Space erkannt werden. Er ist der notwendige Auslöser, um sich vom heimischen Schreibtisch zu trennen.
Hinreichend für eine Analyse von Bedarfen ist er jedoch nicht.

Bedarfsanalyse beim Pop-Up Coworking: Beobachten und Befragen

Es ist unmöglich aus gezeigtem Verhalten (hier: Besuch eines Pop-Up Coworking Space) sicher abzuleiten warum das Verhalten gezeigt wurde und ob Erwartungen erfüllt wurden.

Was sicher aus dem Besuch eines Pop-Up Coworking Space abgeleitet werden kann ist, dass dessen Angebot das Verhalten ausgelöst hat. Es ist ein starkes Zeichen für Zuwendung. Was man jedoch zusätzlich erfragen muss ist die Motivation zum beobachteten Verhalten: Ist es Neugier? Ist es, weil man in Ruhe arbeiten will? Will man in Gesellschaft arbeiten? etc. .

Sowohl die Motivfrage als auch die Frage nach der Zufriedenheit beim Verlassen eines Pop-Up Coworking Space sind unablässig für eine zuverlässige und gültige Analyse der Bedarfe für einen Coworking Space auf dem Land.

66 Tage: Pop-Up Coworking braucht Zeit!

Menschen mit wenig Bedürfnis nach Vertrautem, Sicherheit und viel Wunsch nach Abwechslung schreiben Gewohnheiten in der Regel einen geringen Wert zu. Sie für einen Pop-Up Coworking Space zu begeistern, das ist leicht.

Will man jedoch gegen die bereits bemühte Einstellung: „Ich habe einen guten Platz zum Arbeiten zu Hause, sogar ein Arbeitszimmer. Wozu soll ich da in einen Coworking Space gehen?“ ankommen, dann muss der neue, bisher nicht genutzt Arbeitsort „Coworking Space“ dauerhaft bereitgestellt werden. Nur so gelingt es über Nutzungserlebnisse Haltungen zu verändern.

Meta-Studien zum Thema „Gewohnheiten ändern“ kommen zu der Erkenntnis, dass es zwischen 18 und 254 Tagen dauert, um eine vertraute Verhaltensweisen zu verändern, um eine neue Gewohnheit herauszubilden (How are habits formed: Modelling habit formation in the real world). Im Mittel sind dafür 66 Tage nötig.

Das entspricht ziemlich genau 3 Monaten. Ein Pop-Up Coworking-Space muss somit mindestens 3 Monate angeboten und durchgehend betrieben werden. Und, sofern ein Bedarf erkennbar ist, sollte der Betrieb anschließend reibungslos fortgesetzt werden – entweder in einer Bestandsimmobilie oder in Form eines stationären (Coworking) Pavillon-Parks.

Pop-Up Coworking und Umfragen ergänzen sich somit auf ideale Weise. Gemeinsam liefern sie Antworten auf die Frage ob ein Coworking Space an einem bestimmten Ort erfolgreich sein kann.

Home Office und Coworking: Auf dem Land geht beides am besten!

Es ist kein entweder oder – Home-Office vs Coworking. Das geht beides, kann auf dem Land wunderbar nebeneinander kombiniert werden, sofern ein ausreichender Bedarf vorhanden ist. Pop-Up Coworking Spaces sind bestens geeignet, um diese Bedarfe zu erkennen, herauszubilden und eine Community von Coworker:innen entstehen zu lassen.

Damit das gelingt, braucht es dauerhaft Räumen für flexibles und kreatives Arbeiten – und es braucht eine gelungene Ansprache und Öffentlichkeitsarbeit für Coworking auf dem Land. Jene muss positive Einstellungen formen, Vorteile und Mehrwerte für das Arbeiten in Coworking Spaces aufzuzeigen, Nutzungsanlässe beschreiben und Geschichten über glückliche Coworker:innen erzählen.

Sie wollen auch in Ihrem Wohnort einen Coworking Space haben?

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich bei Ihnen Interesse und Neugier wecken konnte. Wenn ich Sie begeistern konnte für Coworking auf dem Land – als Nutzer:in oder potentielle/-r Betreiber:in eines Coworking Space.

Gerne stehe ich weiter an Ihrer Seite: Berate, zeige Möglichkeiten auf und unterstütze bei der Suche und beim Finden von Möglichmachern, Impuls- und Geldgebern. Das tue ich nicht alleine. Mir hilft ein starkes Netzwerk, ein Netzwerk von erfahrenen Betreiber:innen von Coworking Spaces auf dem Land und Coworking-Expert:innen: Die CoWorkLand eG. Ich freue mich sehr Mitglied, Berater und Förderer dieser Gemeinschaft zu sein.
Sprechen Sie mich einfach an: Ich helfe Ihnen Coworking mit der Brille potentieller Nutzer:innen zu sehen und zu analysieren.

Der Beitrag Pop-Up Coworking: In 66 Tagen erkennen ob ein Bedarf besteht! erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Wiener Kaffeehäuser, Büros und Coworking Spaces: Über offensichtliche Gemeinsamkeiten und vergessene Erfolgsfaktoren

Wiener Kaffeehäuser, Coworking Spaces und Büros weisen viele Gemeinsamkeiten auf:  Alle drei Orte müssen hervorragenden Kaffee bieten. Sie benötigen attraktive Begegnungsflächen und hervorragenden Service. Ist all das gegeben, dann stimmt die Aufenthaltsqualität – und wenn die Aufenthaltsqualität eines Ortes stimmt, dann werden Menschen angezogen, dann fühlen sich Menschen wohl und sind gerne an dem Ort.

Es gibt also so einiges was Büros, Coworking Spaces und Wiener Kaffeehäuser miteinander gemein haben: Ohne hervorragenden Service, ohne guten Kaffee und attraktive Räume mit hoher Aufenthaltsqualität keine Nutzer:innen, keine Gäste und unzufriedene Mitarbeiter:innen.

Diese Gemeinsamkeiten möchte ich zum Anlass nehmen, um mit Ihnen einen Ausflug in Geschichte und Entwicklung von Wiener Kaffeehäusern zu unternehmen. Im Besonderen möchte ich Sie mitnehmen in die „hohe Zeit“ der Wiener Kaffeehäuser der frühen 1900er Jahre. Ich möchte Ihnen verdeutlichen, was Sie sich als Unternehmer:in, Personal-Manager:in oder Space-Betreiber:in von Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten.

Was sollten sich Unternehmen und Coworking Spaces von Wiener Kaffeehäusern abschauen?

Die Antwort ist offensichtlich, die Begründung nachvollziehbar, die Erkenntnis oft verborgen, so dass sie keinen Einfluss auf unser Verhalten hat:

Es sind Menschen, die die Atmosphäre von Orten ausmachen – und es sind Menschen, die andere Menschen anziehen. Sie sind weit wertvoller für eine hohe Aufenthaltsqualität eines Ortes als dessen Möbel oder technische Ausstattung!

Diese Erkenntnisse lässt sich insbesondere aus der wechselhaften Geschichte Wiener Kaffeehäuser ableiten. Es waren stets die Gäste, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Wiener Kaffeehauses entschieden. Jene Wiener Kaffeehäuser, die bekannte, inspirierende und geschätzte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Kunst, Literatur oder Wissenschaft zu ihren Gästen zählen durften waren erfolgreich(er).

Und genau das ist es, was sich Coworking Space Betreiber:innen und Unternehmer:innen von erfolgreichen Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten: Es sind die besonderen Typen (w/m/d), es sind herausragende Persönlichkeiten unter den Coworker:innen, die andere anziehen, die andere inspirieren, sie begeistern, einnehmen und unterhalten.

Sie zu gewinnen, dafür lohnt es sich Zeit und Geld einzusetzen. Der „Return on Investment“ besteht in der Gewinnung vieler anderer Menschen, die ihre Zeit, ihr Geld und ihre Energie gerne einzusetzen, um vom heimischen (ab und an wohligen) Schreibtisch (immer wieder) ins Büro zu kommen oder im Coworking Space zu arbeiten.

Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie mich diese Behauptung begründen.

In der Besuchsmotivation vereint:
Coworking Spaces, Büros & Wiener Kaffeehäuser

In unseren Büros und Coworking Spaces geschieht die Vernetzung und der (informelle) Austausch mit anderen Menschen selten direkt am Schreibtisch und noch seltener in virtuellen Räumen. Das Kennenlernen neuer Leute, der (informelle) Austausch und das sich gegenseitig Inspirieren findet in angenehmer Atmosphäre statt. Ein gemütlich hergerichteter Lounge-Bereiche mit Café, eine offen gestaltete (Bar-/Treffpunkt-)Küche, das sind Orte, die lockere, informelle Gespräche fördern.

Dieser Austausch mit Kolleg:innen ist eines der zentrale Motive, um sich mit anderen an einem reellen Ort zu treffen. Es sind im Besonderen andere Menschen und die Gespräche mit ihnen, die uns immer wieder motivieren ins Büro zu gehen oder in einem Coworking-Space zu arbeiten.

Auch das sprichwörtliche „sehen und gesehen werden“ treibt uns hin zu Orten, an denen wir Kolleg:innen (Co-Worker:innen) treffen. Die persönlichen Präsenz fördert die eigene Bekanntheit, baut emotionale Nähe auf und festigt Beziehungen. Persönliche Präsenz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um berufliche (Karriere-)Ziele zu erreichen und spannende Projekte zu bekommen.

Und da haben wir sie, die versprochenen Gemeinsamkeiten zwischen Büros, Spaces und Kaffeehäusern: Andere Menschen, Gespräche in netter Atmosphäre und das „sehen und gesehen werden“ sind wesentlichen Gründe seinen Kaffee nicht zu Hause zu genießen.

Im Geiste vereint!

Was moderne Büros im Allgemeinen und Coworking Spaces im Speziellen mit den Wiener Kaffeehäusern in deren Blütezeit ebenfalls verbindet, das sind deren Werte:

  • gelebte Offenheit
  • größtmögliche Freiwilligkeit
  • leichte Zugänglichkeit und
  • gepflegte Gemeinschaft.

Milena Wälder kommt in ihrer Studienarbeit zum Thema: Kaffeehaus vs. Coffee House – Ein Vergleich zwischen dem Wiener Kaffeehaus und der Coffee House Kette Starbucks denn auch zu diesem beeindruckenden Fazit:

Die Wiener Kaffeehäuser der Jahre 1890 bis zum 2. Weltkrieg entsprechen weit mehr heutigen Coworking Spaces als das für Kaffeehausketten wie Starbucks & Co gilt.

Jetzt aber los: Kommen Sie mit auf die versprochene, kurze Zeitreise in die Geschichte Wiener Kaffeehäuser.

Wiener Kaffeehäuser: Alleinsein in inspirierender Gemeinschaft!

Die Blütezeit Wiener Kaffeehäuser lang im Zeitraum 1890 bis 1940.

Wiener Kaffeehäuser waren in dieser Zeit zentrale Orte der Begegnung, an denen sowohl das „Alleinsein in Gemeinschaft“ als auch die Kommunikation und der Austausch untereinander möglich waren. Nur Wiener Kaffeehäuser boten in jener Zeit diese besondere Atmosphäre, die das Alleinsein und das Erlebnis von Gemeinschaft zugleich möglich machte.

Alfred Polgar beschreibt dies in seiner Theorie des Café Centralein bekanntes Wiener Kaffeehaus das schon seit 1876 existiert – auf ganz wunderbare Art und Weise:

Es gibt Schreiber, die nirgendwo anders wie im Café Central ihr Schreibpensum zu erledigen imstande sind, nur dort, nur an den Tischen des Müßigganges, ist ihnen die Tafel der Arbeit gedeckt, nur dort, von Faulenzlüften umweht, wird ihrer Trägheit Befruchtung. Es gibt Schaffende, denen nur im Central nichts einfällt, überall anderswo weit weniger. Es gibt Dichter und andere Industrielle, denen nur im Café Central der verdienende Gedanke kommt.

Wiener Kaffeehäuser und Coworking Spaces – die Ähnlichkeit wird immer offensichtlicher.

Auch der Tausch von Meinungen, Neuigkeiten, Gerüchten war konstitutives Merkmal eines jeden Wiener Kaffeehauses – und jener Austausch war wiederum die Quelle für Inspiration: Man nahm einen Kaffee und geistige Nahrung zu sich (in Anlehnung an Klaus Thiele-Dormann, Europäische Kaffeehauskultur).

So entwickelte sich eine (starke) Gemeinschaft, und dieser anzugehören, Teil einer Einheit zu sein, wurde zum zentraler Motiv für den Aufenthalt in Wiener Kaffeehäusern.

Persönlichkeiten und Typen (w/m/d) ziehen an!

Wiener Kaffeehäuser liefen in ihrer Hochzeit immer dann gut, wenn sie bekannte, geschätzt und „angesagte“ Persönlichkeiten als Gäste gewannen. Jene zogen weitere an. Sie waren es, die man treffen, sprechen und von denen man sich inspirieren lassen wollte.

Erfolgreiche Kaffeehaus-Betreiber:innen erkannten diesen Zusammenhang recht schnell und taten viel, um besondere Gäste zu gewinnen. Nicht wenige boten bekannten Persönlichkeiten freie Kost und Kontakte zu Mäzen.

Und genau das ist es, was sich Coworking Spaces von Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten: Sie sollten sich immer wieder die Frage stellen welche Persönlichkeiten und Typen (w/m/d) sie in ihren Space haben müssen, um andere Coworker:innen anzuziehen.

Unternehmen nutzen die positiven Effekte von besonderen Mitarbeiter:innen auf andere Mitarbeiter:innen schon lange. Getrieben vom Gedanken die für eine Stelle und ein Team besten Leute zu finden, investieren sie viel Geld in die Gewinnung und Auswahl neuer Kolleg:innen. Sie beauftragen gar externe Berater:innen, die mit Hilfe von Tools zum Erkennen von berufsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen die für eine Aufgabe und ein (vorhandenes) Team besten neuen Kolleg:innen finden (Mitarbeiter-Personas als Fundament eines Employee Experience Design).

Coworking Space Betreiber:innen tun diesbezüglich oft zu wenig. Sie investieren Geld und Zeit in die Einrichtung von Räumen und deren technische Ausstattung. Das ist wichtig, keine Frage. Das ist nötig, das sind Basis- bzw. Hygienefaktoren. Und ja, diese Maßnahmen ziehen auch Menschen an. Keine Frage.

Die Anziehungskraft anderer Menschen, besondere Typen (w/m/d) und inspirierenden Persönlichkeiten ist jedoch weitaus größer und nachhaltiger. Und ich bin sicher, dass die meisten Space-Betreiber:innen in der Lage sind jene Typen (w/m/d) und Persönlichkeiten unter ihren Nutzer:innen zu erkennen. Jene zu finden, die andere Menschen begeistern und inspirieren, die kommunikativ stark sind, sich gerne unter Menschen aufhalten, die auf andere anziehend wirken, die Begegnungsflächen und Open Spaces eher zum Arbeiten nutzen als geschlossene Räume.

Auf jene Menschen zuzugehen und sie mit bedarfsorientierten Services, vermittelten Kontakten und Rabatten zum regelmäßigen Space-Aufenthalt zu bewegen, das sollte für die meisten Coworking Space Betreiber:innen machbar sein. Sie werden belohnt mit einer besseren Auslast, einer lebendigeren Gemeinschaft und einer tollen Atmosphäre.

Denn es sind die Menschen, die die Atmosphäre und Gemeinschaft eines Ortes ausmachen und die andere Menschen anziehen.
Wiener Kaffeehäuser der Jahre 1890-1940 haben uns das eindrucksvoll gelehrt.

Ich hoffe meine Überlegungen und meine Zeitreise in die Geschichte der Wiener Kaffeehäuser waren inspirierend für Sie.

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Gerne bin ich für Sie da, wenn Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeiter:innen oder Coworker:innen Räume der Begegnung und des Austauschen (neu) gestalten oder passende Typen und besondere Persönlichkeiten identifizieren und auswählen wollen.

Ich biete Ihnen Tipps und Anregungen für eine sinnvolle Vorgehensweise, und gerne zeige  ich Ihnen passende Erfolgsbeispiele für Ihr Anliegen.

Sprechen Sie mich einfach an.

Buchempfehlungen zum Thema „Wiener Kaffeehäuser“

Milena Wälder widmet sich in der Rolle einer Forscherin einem Vergleich von Wiener Kaffeehäusern und der Coffee House Kette Starbucks.
Sie findet Gemeinsamkeiten, zeigt Unterschiede im Geschäftsmodell, dem Service und der Einrichtung auf. Sie werden beim Lesen immer wieder überrascht sein von den vielfältigen Ähnlichkeiten zwischen Coworking Spaces und Wiener Kaffeehäusern. Ich jedenfalls war es oft.

Klaus Thiele-Dormann beschreibt die spezielle Atmosphäre von Kaffeehäusern. Er geht ein auf die Geschichte, Entwicklung, Erfolge und auch Misserfolge von zahlreichen, namentlich genannten Kaffeehäusern. Sein Buch Europäische Kaffeehauskultur erschien im Jahr 1999 und ist das Standardwerk über Kaffeehäuser.

Das Beste zum Schluss:
Es braucht nur wenige kleine Schritt auf dem Weg vom (Wiener) Kaffeehaus zum Coworking Space!  

Das Wiener Kaffeehaus mit seiner speziellen Atmosphäre gibt es nicht mehr. Die Einrichtungen blieben zwar oft erhalten, und man ging bewusst nicht mit der Zeit. Es wurden keine Steckdosen angebracht, nach wie vor liegen Zeitungen aus und der Gebrauch von mobilen Endgeräten ist nicht gern gesehen.

Vieles aus der Blütezeit ist jedoch nicht mehr gegeben: Das Gefühl des „Alleinsein in Gemeinschaft“, der Austausch mit anderen Gästen und das starke Netzwerk unter den Gästen. Auch das Arbeiten in Cafés blieb nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit eine absolute Ausnahme. Niemand hatte dazu ein Bedürfnis – und niemand wäre auf die Idee gekommen seine Schreibmaschine mit ins Café zu nehmen.

Das änderte sich erst wieder mit der zunehmenden Verbreitung von Notebooks und WLAN in Cafés. Cafés wurden nun wieder – gewollt oder nicht – zu einem Platz zum Arbeiten, oft ausgestattet mit zahlreichen Steckdosen zum Laden mobiler Endgeräte.

Cafés wurden zu einer Alternative zum Home-Office: Häusliche Pflichten können (wieder) zu Hause gelassen werden. Man kann sich auf seine Arbeit konzentrieren. Die Geräusche und die Atmosphäre in einem Café wirken stimulierend und anregend – jedenfalls auf die meisten Menschen und bei einem nicht zu hohen Geräuschpegel.

Nur den wenigsten Cafés gelang und gelingt es jedoch von „arbeitenden Gästen“ zu leben. Nicht wenige dieser Gattung bestellen einen Becher Kaffee mit Wasser und arbeiten dann 6-8 Stunden im Café. Ohne eine weitere Gegenleistung und ohne ein schlechtes Gewissen!

Warum? Nun, weil andere es auch tun, weil es geduldet wird, vor allem aber weil jene (Arbeits-)Cafés keine separaten Räume bieten: Räume für Stillarbeit, „Telefonzellen“, Videokonferenzräume, Besprechungsräume, Lesezimmer oder eine Bibliothek. Würden Sie dies tun, so würde sich ihr Geschäft wieder lohnen. Sie würden sich vom (Arbeits-)Café zum Coworking Space wandeln. Eine Entwicklung, die (wieder) Erfolg verspricht. Vollziehen sie diesen Wandel nicht, dann sollten sie weder WLAN noch Steckdosen bieten – und sich bewusst zum klassischen Wiener Kaffeehaus entwickeln.

Mich persönlich würde beides sehr freuen: Gemütliche, zum entspannten Gespräch und Netzwerken geeignete Cafés – ohne (!) arbeitenden Gäste – und Coworking Spaces mit vielen, tollen Menschen.

Der Beitrag Wiener Kaffeehäuser, Büros und Coworking Spaces: Über offensichtliche Gemeinsamkeiten und vergessene Erfolgsfaktoren erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Hybride Treffen – praktische Tipps für sinnvolle Einsatzbereiche

Von beiden Welten das Beste: Hybride Treffen – darunter verstehe ich Treffen, bei denen einige Teilnehmer*innen virtuell dabei sind, während andere vor Ort in einem Besprechungsraum sitzen – vereinen die Vorteile von virtuellen und reellen Treffen.

Und, da diese beiden reinen Veranstaltungsformate – 100% virtuell, 100% in Präsenz – unterschiedliche Vorzüge haben, lautet die (Vorteils-)Wertung für hybride Treffen 1+1 = 3. Also im Ergebnis: Von beiden Weiten das Beste und noch etwas obendrauf!

Jene Vorteilsfülle hat, Sie ahnen es sicherlich schon, natürlich ihren Preis. Sie setzt eine (hoch) professionelle Moderation, eine funktionale Technik- und Raumausstattung sowie ein exzellentes Veranstaltungsmanagement voraus.

Und dennoch: Dem Wunsch
Bitte schalten Sie mich remote dazu, ich kann nicht vor Ort teilnehmen!
sollten, ja müssen Sie nachkommen.

Damit Sie diesem Wunsch ruhigen Gewissens nachkommen können, stelle ich Ihnen sinnvolle Einsatzbereiche und zentrale Erfolgsfaktoren von hybriden Treffen vor, und bietet Ihnen nützliche Argumente, um in Zukunft möglichst viele Treffen im hybriden Format anzusetzen.

Vorteile von hybriden Treffen

Die Kosten-Nutzen Bilanz von hybriden Treffen ist für die meisten Sitzungen, Tagungen und Besprechungen sowohl betriebswirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich positiv (reduzierter Ausstoß von Kohlenstoffdioxid durch weniger Geschäftsreisen).

Flexibilität ist der zentrale Aspekt, der für hybride Veranstaltungsformate spricht:  Man kann, muss aber nicht an einen Veranstaltungsort reisen. Virtuell oder in Präsenz teilnehmen? – Je nach individueller Neigung und situativen Faktoren können die Teilnehmer*innen diese Frage für sich persönlich beantworten.

Die Möglichkeit einer virtuellen Teilnahme an einer Präsenzveranstaltung spart zunächst einmal Reisezeit, Reisekosten und schont die Umwelt. In Summe trägt das zu einer sehr attraktiven Bewertung auf der Kostenseite bei.

Zugleich gelingt es viel leichter eine kompetente und heterogene Gruppe zusammenzustellen. Vielbeschäftigte Menschen sagen ihre Teilnahme bei einer hybriden Veranstaltung eher zu – sowohl als Teilnehmende als auch Mitwirkende. Erfahrene Dozent*innen und weltweit begehrte Vortragende können leichter gewonnen werden. Menschen die neben ihrem (Haupt-)Beruf Zeit für ihre Familie, Freunde, Hobbies, Ehren- und Nebentätigkeiten haben wollen nehmen eher teil.

Und schließlich, leider allzu oft nicht im Blick: Menschen für die soziale Kontakte einfach nur Stress bedeuten und die ihre Kreativität in vor Ort Treffen daher kaum ausspielen können, können sich bei virtuellen wirksamer einbringen. Das so wertvolle, kreative Potential der „Leisen“, der introvertiert Typen wird bei hybriden Treffen somit besser genutzt (Die Kraft der Stillen).

Und all diese Vorteile, die ja ebenso für rein virtuelle Treffen gelten, werden bei einem hybriden Veranstaltungsformat um die Vorteile von reellen Treffen ergänzt. Von beiden Welten das Beste!

Hybride Treffen: Nicht jede Art von Event eignet sich für dieses Format!

Trotz aller Vorteile sollte nicht jedes Treffen als hybride Veranstaltung stattfinden. Das begründet sich nicht zuletzt aus den zuvor beschriebenen Vorzügen.

Wenn die Gruppe der Teilnehmenden klein ist, klein sein sollte, die Teilnehmende räumlich nahe beieinander sind, das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen für Herausforderungen oder die Stärkung des Teamgeists im Vordergrund stehen, dann fällt die Kosten-Nutzen Analyse nur selten zugunsten eines hybriden Treffens aus.

Workshops, bei denen das kreative Potential in der Gruppe zentraler Erfolgsfaktor für das Ergebnis ist, sollten ebenfalls als reelle Treffen durchgeführt werden. Virtuell und hybrid auch machbar, keine Frage, aber im Ergebnis weniger wertvoll.

Veranstaltungen, bei denen die Zielsetzungen darin bestehen ein Team zu formen, sich als Team besser kennenzulernen und den Teamzusammenhalt zu stärken, können rein virtuell oder hybrid durchgeführt werden, sollten es aber nur in Notfällen.

Hybride Teamevents erfordern ein aufwändiges technisches Setup und äußerst intelligente Moderationskonzepte, um die extern Teilnehmenden zu keinem Zeitpunkt auszugrenzen. Small Talk in Pausenzeiten? Hybrid machbar, das bedarf dann aber je extern Teilnehmenden ein Tablet, um auf diese Weise alle virtuellen Teammitglieder mit an die Stehtische im Foyer zu nehmen. Aufwändig und im Ergebnis nicht annähernd so wertvoll wie ein face-to-face Gespräch bei einem 100% reell angesetzten Teamevent.

Sinnvolle Anlässe für hybride Treffen

Hybride Veranstaltungsformate rechnen sich im Grundsatz bei Tagungen (beispielsweise Hauptversammlungen einer AG) und Kongressen – vor allem dann, wenn sie als internationale Veranstaltungen ausgerichtet werden; wenn der Fokus auf Vorträgen und (moderierten) Podiumsdiskussionen liegt, und weniger auf Workshops. Die konstitutiven Vorteile von hybriden Treffen können bei diesen Anlässen voll und ganz genutzt werden.

Seminare und Präsentationen – auch jene Veranstaltungsarten können im hybriden Setting problemlos und mit einer hervorragenden Kosten-Nutzen Relation umgesetzt werden.

Weniger eindeutig ist die (Auswahl-)Entscheidung, wenn es darum geht eine Lösung für ein zuvor beschriebenes Problem in einer offenen, konstruktiven Debatte zu finden oder ein Training durchzuführen.

Bei Veranstaltungen wie Parteitagen, politischen Wahlen, Sitzungen von politischen Gremien (Räte, Ausschüsse) oder Problemlösungssitzungen in Unternehmen muss eine differenzierte, mehrdimensionale Bewertung stattfinden. Hybride Treffen werden sich bei jenen Anlässen immer dann rechnen, wenn eine Vor-Ort Veranstaltung hohe Kosten für die Anreise, Übernachtungen und Verpflegungen verursacht, lange Anreisewege und -zeiten nötig sind und wenn sowohl die Teilnehmenden als auch Veranstalter (Sitzungsleiter*in, Moderatoren) erfahren in der Durchführung und Teilnahme an virtuellen Treffen sind.

Neben der Frage der Reisekosten und Erfahrung mit virtuellen Veranstaltungen sollten bei den genannten Formaten – Sitzungen, Debatten, Diskussion und Problemlösungstreffen – weitere Faktoren bei der Entscheidung einbezogen werden:

  • Liegt der Fokus der Diskussion auf der Sachebene? – ein Ja als Antwort spricht für ein hybrides oder virtuelles Format.
  • Ist der Anteil an (leidenschaftlichen) Selbstdarsteller*innen und Alphatieren (w/m/d) besonders hoch? – Ja! Ein virtuelles oder hybrides Format wird jenen Typen eine deutlich kleinerer Bühne bieten.
  • Kennen sich Teilnehmenden und halten zugleich die Regeln eines konstruktiven Dialogs und einer zielführende Debatte ein? – Falls ja, dann geht die Tendenz in Richtung hybride oder 100% virtuelle Veranstaltung.
  • Liegt der Fokus der Veranstaltung auf der Beziehungsebene, auf der Vermittlung von Emotionen, Stimmungen und Zusammengehörigkeitsgefühlen? – Falls das der Fall ist, dann sind reelle Veranstaltungen unschlagbar.
  • Geht es darum spannungsreiche Teamkonstellationen zu entladen, Konflikte zu lösen? Auch dann gilt: Eine virtuelle oder hybride Umsetzung macht wenig Sinn.

Bei einem Training – verstanden als Seminar mit Übungsanteilen – ist die Frage entscheidend ob die Übungen digital durchführbar sind. Ist das machbar, so sind jene als hybride Treffen problemlos umsetzbar und werden ein hervorragendes Kosten-Nutzen Verhältnis aufweisen.

Halten wir an dieser Stelle als Zwischenfazit fest:
Nicht jeder Anlass für ein Treffen, nicht jede Veranstaltungsart ist für ein hybrides Format geeignet. Stehen Teambildung oder das gemeinsame Erarbeiten einer Problemlösung in einem kreativen Workshop im Vordergrund, dann sind reelle Treffen unschlagbar. Bei nahezu allen anderen Anlässen sind hybride Treffen im Grundsatz machbar und in den meisten Fällen die beste Wahl.

Dementsprechend stellt sich die als nächstes die Frage: Was ist zu beachten, um die Vorteile von hybriden Treffen bestmöglich zu nutzen: Worin bestehen die zentralen Erfolgsfaktoren hybrider Treffen?

Erfolgsfaktor Moderation: Hybride Treffen brauchen mindestens 2 Moderator*innen!

Bei einem hybriden Treffen müssen beide Gruppen – jene vor Ort und die virtuelle – 100% Aufmerksamkeit erhalten. Das gelingt nur dann, wenn zwei Moderator*innen in der Präsenzgruppe eingesetzt werden.

Die/der Co-Moderator/-in ist vor allem für die virtuell Teilnehmenden zuständig,

  • hat jene im Blick, achtet auf deren Integration und Beteiligungswünsche,
  • interagiert mit der/dem anderen Moderator/-in,
  • achtet auf die Zeitplanung,
  • hat einen Blick auf die Technik und ist bestenfalls eine halbe Stunde vor Beginn des Treffens erreichbar, um bei technische Herausforderungen beratend und eingreifend unterstützen zu können (Techniksprechstunde 1-2 Tage vor dem Treffen ist obligatorisch, ersetzt aber nicht den Support unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn).

Jene Aufgaben sind äußerst wichtig und herausfordernd – und daher ist die Rolle der „Co-Moderation“ als gleichwertig zur klassischen Moderatorenrolle anzusehen.

Die klassische Moderatorenrolle wird von einer/einem zweiten Moderator/-in eingekommen. Sie/Er fokussiert sich auf die eigentliche Moderation, setzt die zuvor erarbeitenden Moderationstechniken ein und bietet allen Teilnehmenden genügend Gelegenheiten ihre Fragen, Gedanken und Wertungen einzubringen. Dabei gilt: Sie/Er hat alle Teilnehmende im Blick, interagiert mit den vor Ort und virtuell Teilnehmenden gleichermaßen und gibt allen das so wichtige Gefühl eine Gruppe zu sein.

Das ist eine herausfordernde Aufgabenstellung und setzt neben den klassischen Fähigkeiten und Fertigkeiten einer guten Moderation unbedingt auch Erfahrungen mit hybriden Treffen voraus. Sind jene nicht vorhanden, dann muss ein Pretest („Dry Run“) des Moderationskonzepts und technischen Setups stattfinden. Niemand ist in der Lage „aus dem Stand“ sein erstes hybrides Treffen erfolgreich zu moderieren. Die Situation, das Zusammenspiel mit den beiden Gruppen, die Zusammenarbeit im Moderatorenteam und der richtige Einsatz des technischen Setup sind derart spezifisch, dass es mindestens einmal geprobt werden muss.

Stolperfalle sozial-kommunikative Asymmetrie

Die Forderung nach einem erfahrenen Moderatorenteam ist nicht zuletzt darin begründet, dass eine rudimentäre Beteiligung der Online-Gruppe unbedingt verhindert werden muss. Besonders deutlich wird die kommunikative Asymmetrie im Kontext von informellen Gesprächen, die in der Präsenzgruppe in den Pausen- und Randzeiten stattfinden. In diesen Situationen gilt es die virtuell Teilnehmenden einzubeziehen und keinesfalls auszugrenzen.

Diese Integration muss bereits im Vorfeld der Veranstaltung mitgedachte werden. So sollten alle virtuell Teilnehmenden vorab sowohl die Veranstaltungsmappe als auch ein vollständiges Verpflegungspaket bekommen. Letzteres beinhaltet alles was es braucht, um sich in den Pausen mit Speisen und Getränken versorgen zu können.

Während den Pausen sollten die virtuellen Teilnehmer*innen an den informellen Gesprächen teilnehmen können. Dies gelingt beispielsweise durch eine Paarbildung: Jede/-r Teilnehmer/-in in der Präsenzgruppe bekommt einen virtuell Teilnehmenden zugeordnet.  Sie/Er nimmt jene/-n per Tablet mit an die Stehtische im Foyer und auch mit in die Mittagspause. Somit ist jeder der will auch in den Pausen integriert und kann sich am informellen Austausch beteiligen. Technisch aufwändig, keine Frage, aber durchaus lohnenswert.

Alternativ könnten die Pausen für alle Teilnehmenden virtuell gestaltet werden – was den technischen Aufwand einerseits reduziert, was jedoch andererseits einen deutlichen Regelbruch bedeutet, dahingehend in der Präsenzgruppe möglichst keine Notebooks zuzulassen (denn dann driftet ein hybrides Treffen schnell ab in Richtung 100% virtuell). Diese Alternativ sollte daher nur zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Möglichkeiten zum Vermeiden sozial-kommunikativer Asymmetrie nicht machbar sind.

Erfolgsfaktor Ausstattung: Technik- und Raumausstattung für gelungene hybride Treffen!

Wie sich beim Thema Pausengestaltung schon andeutete, stellen die technischen Rahmenbedingungen einen weiteren, wichtigen Erfolgsfaktor von hybriden Treffen dar. Hybride Treffen brauchen ein im Vergleich zu reinen Präsenztreffen umfangreiches, technisches Setup (Tipps und Erfahrungen von Denkmodell).

Technisches Setup für hybride Treffen - dargestellt wird welche Kamera-, Audio- und Präsentationstechnik nötig ist.

Setting für hybride Treffen mit Diskussionsanteil (Quelle: Denkmodell)

Das klassische Setup von Präsenztreffen (Leinwand & Beamer) muss ergänzt werden um:

  • Ein digitales Flipchart auf dem alle Teilnehmenden Inhalte darstellen als auch einsehen können – sowohl jene vor Ort als auch die virtuellen Teilnehmer*innen.
  • Die/der Co-Moderator/-in benötigt einen großen Moderationsscreen/-monitor, um die virtuelle Gruppe im Blick zu haben.
  • Nötig auch: Eine automatisch nachfahrende Kamera, die die im reellen Raum sprechende Person erkennt und fokussiert. Gerne ergänzt um einen zweite Kamera, die die gesamte Präsenzgruppe stets im Fokus hat.
  • Neben für Videokonferenzen optimierte Kameras, ist ein modulares Audiosystem nötig, das sowohl die Aussagen der Präsenzgruppenteilnehmer*innen, jene der Moderator*innen als auch den remote zugeschaltet Teilnehmenden in guter Qualität transportiert.
  • Wenn mehrere Kameras, Lautsprecher und separate Mikrofone zum Einsatz kommen, dann ist ergänzend eine Steuerungseinheit für die Audio-/Videokanäle („Mischpult“) notwendig.

Der physische Raum benötigt eine exzellente Akustik, flexible Gestaltungsmöglichkeiten für die  Beleuchtung und einen guten Blick „von draußen“ und „nach draußen“, wozu ganz wesentlich eine sichere und schnelle Netzanbindung beiträgt.

Je größer die Anzahl der in Präsenz Teilnehmenden, desto aufwändiger wird das technische Setup. Ab einer Präsenzgruppe von 20-25 Teilnehmer*innen sollte das Moderatorenteam um eine/-n Kamerafrau/-mann erweitert werden, die/der sich sowohl der Steuerung der Lichtquellen, Kameras, Lautsprecher und Mikrofone als auch der Lösung von technischen Problemen annimmt.

Will man zudem die Arbeit in hybriden Kleingruppen möglich machen, dann braucht es bestenfalls mehrere, entsprechend eingerichtete Räume. Improvisierend können auch Tablets eingesetzt werden, die je Gerät einen virtuell Teilnehmenden in eine Kleingruppe „reinholen“ und aktiv teilnehmen lassen – vergleichbar mit der zuvor beschriebenen Tablet-Lösung für die Pausen.

Von beiden Welten das Beste – und noch etwas obendrauf!

Ich hoffe ich konnte Sie ein vertraut(er) machen mit den Vorzügen von hybriden Treffen, konnte Werben für dieses sinnvolle Veranstaltungsformat der Zukunft, konnte einen Beitrag leisten, damit Sie der Bitte Ihre Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Partner nachkommen können, wenn Sie von jenen das nächste Mal den Wunsch hören:

Bitte schalten Sie mich dazu, ich kann nicht vor Ort sein!“.

Lassen Sie sich dann nicht von den Herausforderungen und Anforderungen an die Moderation und Technik abschrecken. Sowohl Veranstaltungsdienstleister in Hotels, Coworking Spaces, Veranstaltungslokationen und Unternehmen als auch Moderator*innen werden die nötigen Anforderungen gerne erfüllen. Vielleicht noch nicht alle in den Jahren 2021/2022, spätestens jedoch in 2025 wird (fast) jeder Besprechungs- und Veranstaltungsraum über die nötige Technik verfügen und Sie die nötige Erfahrung haben, um hybride Treffen mit Erfolg durchzuführen.

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Und bis dahin unterstütze ich Sie gerne bei der Auswahl und dem Aufbau der Technik, biete Ihnen Moderationserfahrung und Hilfe, damit Sie typische Stolperfallen beim Konzipieren, Durchführen und Nachbereiten Ihrer hybriden Treffen meiden.

Sprechen Sie mich gerne an.

Der Beitrag Hybride Treffen – praktische Tipps für sinnvolle Einsatzbereiche erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Home Office, unterwegs, im Büro oder Coworking Space: Tipps für Remote Worker (w/m/d) zur Wahl des Arbeitsortes

Im Jahr 2000 wäre es mir mit hoher Wahrscheinlichkeit gelungen abzuschätzen wo Sie sich befinden während Sie diesen Artikel lesen. Heute gelingt mir das ganz sicher weniger gut: Immer mehr Menschen haben, fordern oder bekommen die Freiheit ihren Arbeitsort selbst zu wählen. Immer mehr Unternehmen und Unternehmer*innen denken und handeln bei Fragen rund um das Thema Arbeitsort „Remote First“. Und immer mehr Wissensarbeiter*innen bezeichnen sich eher als Remote Worker (w/m/d) denn als Büroarbeiter.

Profilfoto von Tobias Kollewe (Coworker & Remote Worker aus Leidenschaft)

Tobias Kollewe

Das alles trifft ganz sicher auch auf Tobias Kollewe zu.
Tobias ist Gründer und Vorstand der cowork AG, welche sich auf die Entwicklung und den Betrieb von Coworking Spaces spezialisiert hat.
Er hat den Bundesverband Coworking Spaces Deutschland e.V. gegründet und steht ihm als Präsident vor. Und schließlich ist er erfahrener E-Commerce Experte und als erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeit in mehreren Aufsichtsräten tätig.

Vor allem ist Tobias aber ein sehr erfahrener Remote Worker.
Und in dieser Rolle konnte ich mit Tobias sprechen. Ich möchte Sie in diesem Artikel an Tobias‘ Erfahrungen als Remote Worker teilhaben lassen. Zudem möchte ich Ihnen einen kurzen Blick in das Buch: „Remote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space“ gewähren.  Dieses Buch hat Tobias gemeinsam mit drei weiteren Autor*innen geschrieben. Sie dürfen sich freuen auf konkrete Tipps und Anregungen zu den Themen: Gesundheit am Arbeitsplatz, Pausengestaltung, Arbeiten im Zug und im Coworking Space.

Remote Worker (w/m/d) ohne eigenen Schreibtisch

Tobias, Du arbeitest seit vielen Jahren mobil: Zu Hause, unterwegs im Zug und in Coworking Spaces, ab und an in Cafés und Hotels.
Welche Arbeiten und Aufgaben erledigst Du am liebsten an Deinem Schreibtisch zu Hause?

Tobias: Um ehrlich zu sein: am liebsten gar keine. Ich arbeite schon seit vielen Jahren mal mehr, mal weniger remote. Und dabei am wenigsten gerne von daheim. Das liegt aber nicht daran, dass ich etwa eine strikte Trennung zwischen Home und Office haben möchte.
Der Grund ist viel profaner: ich habe zuhause keinen vernünftigen Platz zum Arbeiten. Also genau an diesem „Schreibtisch zu Hause“ fehlt es mir. Und das finde ich auch gar nicht schlimm.

Gesundheitstipps für Remote Worker (w/m/d)

Gesundheit beim mobilen Arbeiten, beim Arbeiten von unterwegs oder im Home Office ist ein bedeutsames Thema. Bewegung, Ernährung, Schlafen – richtig gut umgesetzt, sind das wesentliche Erfolgsfaktoren für dauerhaft hohe Produktivität. Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht und welche Anregungen hast Du zum Thema „Remote Work & Gesundheit“ für meine Leser*innen?

Tobias: Egal wo Du arbeitest, schaff Dir Routinen. Gerade weil ich daheim immer noch kein richtiges Arbeitszimmer habe, ist der Weg vom Frühstückstisch zum Notebook manchmal einfach zu kurz. Ich glaube, diese Erfahrung haben viele Menschen gemacht: es ist doch etwas anderes, wenn man sich  morgens „fein fürs Büro“ machen muss oder ob man auch in der (lagerfeldschen) Jogginghose vom Sofa aus arbeiten kann.
Sich auf die Arbeit vorzubereiten, einen eigenen organisatorischen Terminplan inklusive Feierabendzeit einzuhalten, das kann schon viel dazu beitragen, besser und gesünder remote zu arbeiten. Das sind zumindest meine Erfahrungen.
Wesentlich für Gesundheit am Arbeitsplatz ist aber in jedem Fall ein „richtiger“ Arbeitsplatz, also mit ergonomischem Stuhl, der Möglichkeit vom Sitzen zum stehenden Arbeiten zu wechseln, genügend Licht und ausreichend Ruhe. Für mich alles Gründe, lieber im Coworking Space zu arbeiten.

Pausenzeiten richtig planen: „Mach Pause um 15:00 Uhr!“

Als aufmerksamer und begeisterter Leser des Buchs „Remote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space“ kenne ich die Anregung: „Mache Pause um 15:00 Uhr!“. Warum ist das so wichtig und welche weiteren Tagesroutinen empfiehlst Du einer/einem Remote Worker*in, die/der mehrere Tage pro Woche im Home Office arbeitet?

Tobias: Vielen Dank. Es freut mich, dass Dir unser Buch gefällt. Zu Deiner Frage: Dass die meisten Menschen zwischen zwölf und ein Uhr Mittagspause machen, liegt vermutlich daran, dass sich die Arbeitszeit so gut teilen lässt. Zumindest, wenn man von einem klassischen Arbeitszeitmodell ausgeht.

„Es ist viel ergiebiger, nicht die Arbeitszeit zu teilen, sondern die Wachzeit.“

Und für die meisten liegt dieser Punkt deutlich später am Nachmittag. Achte mal bei Dir selbst darauf: Hast Du nicht oft auch am frühen Nachmittag einen kleinen Tiefpunkt. Diesen natürlichen Tiefpunkt als Pause zu denken, kann sehr hilfreich sein.
Die Tagesroutinen muss aber jeder für sich selbst entwickeln. Ich glaube, dass das wichtiger wird, je mehr die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen.

Home Office, Büro oder Coworking Space: Über die Herausforderung als Remote Worker (w/m/d) den richtigen Arbeitsort zu finden!

Lass uns den Blick weg von Dir, einem erfahrenen und in ortslosen Teams sich wohlfühlendem Remote Worker, hin zu Angestellten in Unternehmen richten. Nehmen wir eine leitende Bankangestellte, tätig im Bereich Marketing & PR. Sie hat im Jahr 2020 mobiles Arbeiten erstmals kennen und schätzen gelernt. Seitdem kann sie ihren Arbeitsort selbständig wählen: Büro, zu Hause und Coworking Space.
Wann empfiehlst Du, sollte sie in einem Coworking Space arbeiten, welche Aufgaben dort bestenfalls erledigen und welche Intentionen mit dem Besuch eines Coworking Space verfolgen?

Tobias: Die Frage nach der Wahl des richtigen Arbeitsortes ist gar nicht so einfach zu beantworten – zumindest nicht pauschal.
Wir sind bei uns intern dazu übergegangen, vom „Platz zum Arbeiten“ statt vom „Arbeitsplatz“ zu sprechen – also unabhängig von Regelungen und ergonomischen Schreibtischstühlen.

„Ich denke, dass man den Menschen die Freiheit geben sollte, den für sie passenden Ort zu wählen, wenn das aus Sicht der zu verrichtenden Arbeit möglich ist.“

Ich telefoniere zum Beispiel am liebsten im Gehen oder mit Blick in die Ferne, konzeptionell arbeite ich am liebsten an einer großen Whiteboard-Wand. Und zum Schreiben sitze ich am liebsten im Zug oder mit Blick aufs Meer. Wenn man sich nicht selbst acht Stunden am Tag an den gleichen Stuhl fesselt, sondern für ausreichend Abwechslung sorgt, dann hat man schon viel gewonnen.
Ob die leitende Bankangestellte jetzt eher daheim oder im Space oder im Büro arbeiten sollte, das lässt sich so nicht beantworten, weil es von zu vielen individuellen Faktoren abhängt. Nehmen wir einen der offensichtlichsten: Pendelstrecke. Es lässt sich ja keine Empfehlung aussprechen, in einen 20 Kilometer entfernten Space zu fahren, wenn das eigene Büro nur 10 Kilometer entfernt ist.

„Wichtig ist mir, dass wir uns weiter von dem Gedanken entfernen, dass ich zum Arbeiten ins Büro fahren muss und es dazu keine Alternative gibt.“

Historisch betrachtet wurde das ninetofive-Arbeitszeitmodell an das Dreischicht-System der Produktion angegliedert. Und der Arbeitsort für den klassischen Büroangestellten war natürlich im selben Komplex untergebracht, wie ebendiese Produktion.
Nun haben sich in den letzten Jahren hier aber insbesondere Dank der Digitalisierung viele andere Möglichkeiten ergeben. Zum einen bin ich örtlich oft nicht mehr an das Büro gebunden, kann mir also die Pendelei sparen. Zum anderen bin ich in vielen Branchen nicht an das Schichtsystem der Produktion gebunden. Also kann ich, zumindest was diese Faktoren anbelangt, doch eigentlich auch unabhängig von Zeit und Ort arbeiten.
Warum also nicht daheim, am Strand oder im Coworking Space …?

Arbeitsort Coworking-Space – eine attraktive Alternative zum Home Office und Büro?

Tobias: Meine ehemalige Kollegin Laura Schwarz hat in ihrer Studie an der Hochschule Augsburg Menschen (Coworking vs. Homeoffice – Alternativen zum klassischen Büro), die beide Arbeitsorte kennen, danach befragt, ob sie lieber im Home Office oder im Coworking Space arbeiten würden. Die Antworten waren eindeutig: alle befragten würden den Coworking Space bevorzugen. Aus den unterschiedlichsten Gründen, mit den unterschiedlichsten Aufgabenstellungen. Das finde ich schon beeindruckend.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich die Arbeit in Coworking Spaces einmal anzusehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob das ein geeigneter Ort sein könnte – für welche Aufgabe auch immer. Also einfach mal reinschauen und ausprobieren.

Gibt es Wochentage, die besonders gut für ein Arbeiten im Coworking Space geeignet sind?

Tobias: Aus meiner Erfahrung ist es in den meisten Spaces freitags immer am wenigsten los. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, mag ich nicht beurteilten. Toll finde ich, dass die meisten Coworking Spaces keine zeitliche Beschränkung haben. Ich kann also rund um die Uhr dorthin gehen, auch am Wochenende und an Feiertagen. Eben genau dann, wenn ich hinwill.

Nach welchen Kriterien sollte man seinen Arbeitsort wählen: Ist es die Aufgabe, die den Arbeitsort entscheidend bestimmen sollte, sind es eher die persönliche Vorlieben oder sollte man das vor allen von den situativen Faktoren abhängig machen?

Tobias: Ach, es sind so viele Faktoren. Ich denke nicht, dass man die Wahl des Arbeitsortes anhand einer Checkliste abarbeiten kann. Das hängt für die meisten Menschen ja oft weniger von Vorlieben oder Aufgaben ab, sondern vom Vorgesetztenverhalten und von der sozialen Blase. Ich finde die Flexibilisierung der Möglichkeiten wichtig. Und dazu gehört für mich auch, dass wir uns mit den Angeboten der Arbeitsplatzwahl nach den Bedürfnissen der Arbeitenden richtigen und den Fokus nicht ausschließlich auf die Wünsche der Arbeitgeber legen. Dann hätten wir schon viel erreicht. Dazu gehört für mich übrigens auch zu akzeptieren, wenn jemand seinen festen Arbeitsplatz im Büro mit festen Arbeitszeiten haben möchte.

Tipps zum „Leben & Arbeiten“ in Zügen der Deutschen Bahn

Kommen wir abschließend zu einem Deiner Lieblingsthemen: #officeonrails. Arbeiten auf Reisen, insbesondere im Zug.
In eurem Buch gibt es dazu viele Empfehlungen von Dir: Angefangen vom Buchen der richtigen Zugverbindung („Fahr am Vorabend hin!“), der Platzwahl im Zug, über den Kauf von Kabeln, Notebooks und Taschen bis hin zur Wahl des Netzbetreibers („Wechsle zur Telekom!“).  Allein diese Tipps sind es Wert Dein Buch zu kaufen.

Tobias: Vielen Dank.

Ich möchte die Gelegenheit dieses Interviews mit Dir für einen Ausblick in Sachen #officeonrails nutzen:
Was empfiehlst Du der Deutschen Bahn, damit das Arbeiten im Zug noch angenehmer und produktiver wird?

Tobias: Ganz ehrlich – da gibt es nichts zu empfehlen. Ich bin mit der Deutschen Bahn und ihrem Angebot eigentlich rundum zufrieden. Wenn es ein Wunschkonzert wäre, dann würde ich mir natürlich noch viel mehr DB Lounges oder gar Coworking Spaces an kleineren Bahnhöfen wünschen, wenn ich den Anschlusszug mal wieder verpasst habe und in Braunschweig oder Stuttgart gestrandet bin. Aber bezüglich der Arbeit im Zug, sei es WLAN, Platzangebot oder Service, da habe ich keine Empfehlung. Entweder bin ich inzwischen abgestumpft oder einfach nur zufrieden. Ich tippe auf Letzteres.

Vielen Dank, lieber Tobias, für diese tiefen Einblicke in Deinen Erfahrungsschatz zum Thema „Remote Work“, die zahlreichen Tipps und Deine Gedanken zu den Vorteilen von Coworking Spaces für Remote Worker (w/m/d). Ich freue mich schon jetzt auf weitere, spannende Bücher zu diesen Themen von Dir und hoffe, dass wir bald wieder die Gelegenheit für ein Interview haben werden.

Buchtipp für Remote Worker (w/m/d)

Buchdeckel des Titels Remote Work 116 TippsRemote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space.

Autor*innen:
Tobias Kollewe, Denise Ruhrberg, Dr. Axel Minten und Michael Keukert
116 Tipps auf 156 gehaltvollen Seiten.

 

 

 

Der Beitrag Home Office, unterwegs, im Büro oder Coworking Space: Tipps für Remote Worker (w/m/d) zur Wahl des Arbeitsortes erschien zuerst auf Nutzerbrille.

Webcam Eye-Tracking – praktische Tipps für sinnvolle Einsatzbereiche

Können Sie erraten, wohin andere Menschen schauen? Vermutlich nicht immer. Ab und zu gelingt das den meisten Menschen aber schon. Um abzuschätzen wohin andere blicken, muss man in deren Augen schauen, die Augenbewegungen erfassen und der Blickrichtung folgen. Auf diese Weise kann man abschätzen was andere Menschen gerade anschauen. Genau so funktioniert Webcam Eye-Tracking im Prinzip auch.

Webcam Eye-Tracking kann die Informationsaufnahme abbilden und somit eine Grundlage schaffen, um die Verarbeitung von Informationen und die Wege hin zu Entscheidungen besser zu verstehen.

Beim Webcam Eye-Tracking nimmt die Webcam Ihres Rechners Ihr Gesicht und Ihre Augenbewegungen auf. Die Blickrichtung wird über die Erfassung Ihrer Pupille ermittelt. Sofern Sie einem Anbieter einer Webcam Eye-Tracking Lösung die Erlaubnis erteilten, überträgt dessen Software Ihre Blickposition auf dem Bildschirm und die Inhalte Ihres Bildschirm in eine Datenbank. Diese Blickpunkte können anschließend auf dem betrachteten Bildschirminhalt dargestellt werden – beispielsweise in Form eines Video, das Ihren Blickverlauf wiedergibt, oder in Form eines Wärmebildes (sogenannte „Heatmap“) zur Veranschaulichung der Blickdichte. Das Mapping von Blickrichtung und Bildschirminhalt erfolgt über diverse Rechenschritte. Jene Algorithmen sind das zentrale Asset eines Tool- und Lösungsanbieters für Webcam Eye-Tracking.

Webcam Eye-Tracking – Die Vorteile!

Bei Webcam Eye-Tracking Studien ist es nicht nötig, dass die Teilnehmer*innen in ein Teststudio kommen. Die Datenerhebung kann an nahezu jedem Ort der Welt erfolgen. Diese Rahmenbedingungen erleichtern die Gewinnung von Studienteilnehmer*innen enorm. Im Vergleich zu Studio-/Lab-Tests fallen geringere Rekrutierungskosten an. Auch bei der Aufwandsentschädigung wird Geld gespart, entfallen doch sowohl An- als auch Abreise für die Teilnehmer*innen.

Folglich können sowohl Menschen mit wenig Zeit (Manager*innen, Führungskräfte, Selbstständige, junge Eltern in der „Rush Hour“ ihres Lebens, pflegende Kinder etc.) als auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu relativ geringen Kosten als Tester*innen gewonnen werden.

Welche Voraussetzungen braucht es auf Seiten der Teilnehmer*innen von Webcam Eye-Tracking Studien?

Um an einer Webcam Eye-Tracking Studie teilzunehmen, sind nötig:

  • Rechner mit einer guten Webcam
  • initialisierte Erfassungs- und Datenübertragungsanwendung des Tool-Anbieters
  • (sichere) Netzanbindung.

Jene Voraussetzungen sind bei immer mehr Menschen gegeben: Die Netzanbindung wird stetig verbessert, die Qualität und Verbreitung von Webcams steigt und immer mehr Menschen sind vertraut mit der Teilnahme an Web- und Videokonferenzen.

Die Kosten für die Datenerhebung auf Seiten des Forschenden sind ebenfalls überschaubar:
Weder ein relativ teurer Infrarot Eye-Tracker noch ein eigenes oder angemietetes Teststudio werden benötigt. Im Vergleich zu Studio-/Lab-Tests können bei gegebenem Budget somit deutlich mehr Studienteilnehmer*innen abgebildet werden: Große Stichproben und Eye-Tracking Daten sind Dank Webcam Eye-Tracking realisierbar!

Webcam Eye-Tracking: Wie treffsicher sind die Daten?

Bei all den genannten Vorteilen gibt es – Sie ahnen es sicherlich bereits – auch einige Nachteile.
Da wäre zum einen die Frage nach der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der gemessenen Blickverläufe. Deren Treffsicherheit ist – durchaus vergleichbar mit unserer Fähigkeit beim Abschätzen der Blickrichtung bei anderen Menschen – unterschiedlich gut.

Welche Faktoren beeinflussen die Datenqualität?

Schauen wir uns zunächst die Erfolgsfaktoren am Ort der Datenerhebung an: Zu Hause, im Büro, unterwegs im Café oder Hotel – an jedem Ort der Welt können Webcam Eye-Tracking Daten im Prinzip erhoben werden. Alles was es braucht: Eine qualitativ hochwertige Aufnahme der Pupillen und Augenbewegungen.

Dazu tragen sowohl eine hochwertige Webcam als auch ausreichend Licht, welches bestenfalls auf das Gesicht des Studienteilnehmenden fällt, bei. Jene Erfolgsfaktoren verbessern sich mit der Zeit stetig: Immer mehr Menschen verfügen über die Fähigkeit an Video-/Web-Konferenzen teilzunehmen (Stichworte: mobiles Arbeiten, virtueller Austausch mit entfernt lebenden (Enkel-)Kindern), wissen wie sie sich dabei „in Szene setzen“ und die Kameratechnik verbessert sich auch.

Bleibt noch das Thema Sehhilfen. Brillen sind vor allem dann eine Herausforderung, wenn sich in deren Gläsern der Bildschirm des Rechners spiegelt. Das sollte nach Möglichkeit vermieden werden – ist aber ein Nachteil, der beim Infrarot Eye-Tracking über spezielle Kameras in einem Teststudio auch gegeben ist.

Webcam Eye-Tracking: Anbieter & Tools

Schauen wir uns nun die Erfolgsfaktoren auf Seiten der Tool-Anbieter an: Was kann ein Webcam Eye-Tracking Lösungsanbieter tun, damit die Treffsicherheit der erhobenen Blickdaten möglichst hoch ist?

Wie bei anderen Eye-Tracking Verfahren auch, sind bei Webcam Eye-Tracking Studien Kalibrierungs- und Validierungsmessungen nötig. Alle Webcam Eye-Tracking Systeme starten daher mit einer Kalibrierung. Jene erfolgt im „Self-Service“. Die meisten Systeme unterstützen die Tester*innen dabei mit Tipps zur Körperhaltung, zum idealen Abstand zum Bildschirm und zur Gestaltung der Raumbeleuchtung. Die eigentliche Messung startet erst nach einer zufriedenstellenden Aufnahmequalität. Ist jene beim ersten Mal nicht gegeben, dann erfolgt eine wiederholte Kalibrierung.

Während der Messung finden bestenfalls Überprüfungen der Datenqualität statt (Validierungen), verbunden mit einer wiederholten Kalibrierung, sollte die Qualität der Datenerhebung nicht mehr ausreichend sein.

Jene beschriebenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden von allen Webcam Eye-Tracking Lösungsanbietern durchgeführt. Unterschiede gibt es diesbezüglich nur wenige. Das sollte Sie aber keinesfalls davon abhalten Zeit und Energie in die Auswahl eines Webcam Eye-Tracking Systems zu investieren. Denn es gibt sie durchaus: Unterschiede in den Funktionsweisen, Algorithmen beim Mappen von Blickrichtung und Bildschirminhalt, Leistungsmerkmalen und Leistungsumfängen.

Gute von schlechten Lösungsanbietern können Sie am besten unterscheiden, indem Sie deren Tools selbst nutzen. Diese Möglichkeit zum Selbsttest bieten fast alle Anbieter. Sie erfahren auf diese Weise wie man sich selbst „kalibriert“ und wie genau die Datenerhebung abläuft. Sie können ausprobieren ob das Tool sowohl am Desktop-PC als auch Smartphone funktioniert. Und schließlich bekommen Sie auf diese Weise wertvolle Einblicke in die bereitgestellten Analyseverfahren und den Umgang mit diesen.

Konkreter als im Selbsttest und in der eigenen Anwendung der bereitgestellten Analyseverfahren können Sie nicht überprüfen, ob die Angaben zur Messgenauigkeit und der Einfachheit in der Analyse der Daten (Blickdichte-, Blickverlaufs- und Bereichsanalysen) zutreffen. Die hierfür nötigen 4-5 Stunden je Anbieter sind bestens investierte Zeit. Danach werden Sie sich sicher fühlen, den für Sie und Ihre Anforderungen richtigen Lösungsanbieter ausgewählt zu haben.

Foto Thorsten Wilhelm

Thorsten Wilhelm

Gerne unterstütze ich Sie dabei:
Berate Sie bei der Wahl des für Ihre Fragestellungen richtigen Eye-Tracking Verfahrens, gebe Tipps zur Auswahl geeigneter Webcam Eye-Tracking Systeme, Lösungen und Dienstleister, und begleite Sie gerne auch bei der Konzeption und Umsetzung Ihrer Studie(n).
Sprechen Sie mich einfach an.

Anwendungsfälle: Wann sollte Webcam Eye-Tracking eingesetzt werden?

Die Messgenauigkeit von Webcam Eye-Tracking Systemen und die Möglichkeit große Stichproben bei schwer zu rekrutierenden Zielgruppen kostengünstig abzubilden geben die Anwendungsfälle und Einsatzbereiche vor. Jene werden nicht unwesentlich auch davon bestimmt, dass Online-Umfragen mit Webcam Eye-Tracking Erhebungen sehr gut kombinierbar sind.

Im Verbund mit Online-Umfragen können Untersuchungsobjekte bei Webcam Eye-Tracking Studien ganzheitlich bewertet werden. Dazu werden die erhobenen Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsdaten ergänzt um abgefragte Daten zur Erinnerung einzelner Inhalte und Elemente des Untersuchungsobjekts. Jene können zudem nach ihrer Wichtigkeit, sowie hinsichtlich den Dimensionen Gefallen und Verständlichkeit über Online-Fragebögen bewertet werden.

Und schließlich bieten große Stichproben grundsätzlich die Möglichkeit erhobenen Daten nach verschiedenen Ziel- und Teilstichproben getrennt auszuwerten.

Unter Beachtung der konstitutiven Vorzüge und Grenzen von Webcam Eye-Tracking Erhebungen ergeben sich drei zentrale Einsatzbereiche:
Webcam Eye-Tracking sollten Sie dann einsetzen, wenn …

  • Sie die gestalterische Ordnung von Interfaces ganzheitlich bewerten und optimieren wollen.
    • Blickdichte gemessen mit Webcam Eye-Tracking an einer großen Stichprobe (mindestens 30, besser 50 je Ziel-, Nutzergruppe oder Persona),
    • Aspekte wie Erinnern, Verstehen und Bewerten gemessen über eine Online-Umfrage.
  • Sie gestalterische Varianten auf quantitativer Datenbasis auswählen wollen – und ein klassischer AB-Test per Tracking aufgrund (1.) zu hoher Umsetzungskosten, (2.) zu hohem Verlustrisiko oder (3.) zu geringen Zugriffszahlen (Traffic) beim Untersuchungsgegenstand ausscheidet.
    Beispiele:

    • Design-/Konzept-Test von formal / funktional unterschiedlichen Navigationskonzepten mit 50 Testern je Konzept (Webcam Eye-Tracking + Befragung).
    • Varianten-Test mit 30-50 Testern je Variante für eine Transaktionsstrecke (zum Beispiel Check-Out, Registrierung, Buchung etc.), deren Varianten sich formal und/oder funktional deutlich unterscheiden.
    • Konzept-Test für 3-4 Varianten einer Bestellbestätigungsseite: Blickdichte-Analyse per Webcam Eye-Tracking und Bewertung gebotener Inhalte und Gestaltungselemente per Online-Fragebogen.
  • Sie erlerntes Übersehen (sogenannte Blindness-Effekte) erkennen und verstehen wollen.
    • Studie mit repräsentativer Stichprobenstruktur und -größe,
    • mit einer Bereichsanalyse fokussiert auf nur ein Interface-Element per Webcam Eye-Tracking und einer
    • Messung der Erinnerung (bzw. Nicht-Erinnerung) per Online-Befragung.

Anders gelagerte Frage- und Problemstellungen, welche Sie auf Basis einer Studie klären möchten, sollten Sie über andere Methoden und Eye-Tracking Verfahren umsetzen. Worauf es bei der Methoden- und Verfahrenswahl ankommt? Erste Hilfe bieten Ihnen Methoden-Sammlungen, Tool-Boxen und die Erfahrung von etablierten UX Design Agenturen, welche ein breites Portfolio an Usability/UX Research- und Evaluationsmethoden anbieten.

Noch mehr Interesse an Erfahrungen, Impulsen und Anregungen zum Thema Webcam Eye-Tracking?

Ich bin begeistert. Da bleibt mir an dieser Stelle nur der Hinweis auf von mir sehr geschätzte Forscher*innen und Eye-Tracking Expert*innen:

Viel Freude mit Ihrer vielleicht neuen Liebe und Begeisterung für Webcam Eye-Tracking, remote Studien und dem Wunsch die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung Ihrer Nutzer*innen besser zu verstehen.

Der Beitrag Webcam Eye-Tracking – praktische Tipps für sinnvolle Einsatzbereiche erschien zuerst auf Nutzerbrille.