Kategorie-Archiv: Experten im Interview

Hände schmutzig machen erwünscht: Tipps zum Meiden von Stolperfallen beim Optimieren von Mensch-Maschine-Interaktionen

Wenn ein UX Designer und Marketer mit einem Konstrukteur und Ingenieur über Maschinenbau und Mensch-Maschine-Interaktion (HMI) spricht, dann kommt Gehaltvolles zu Tage. Insbesondere dann, wenn sich die beiden schon seit 1971 kennen.

Ich – UX Designer & Marketer – kenne und schätze Thomas (Fiedler) – Ingenieur & Konstrukteur schwerer Maschinen und Fahrzeuge – schon seit meinem 1. Lebensjahr: Wir haben in der Kindheit und Jugend viel Zeit gemeinsam verbracht, im Sandkasten, auf Spielplätzen und Bauernhöfen. Und daher freue ich mich sehr, dass wir über unser gemeinsames Thema „HMI und Maschinenbau“ sprechen konnten.

Thomas Fiedler im Portrait

Thomas Fiedler

Thomas Fiedler arbeitet seit 1996 als Ingenieur und Führungskraft.

Von Anfang an war es ihm wichtig einen guten „Draht“ zu den Fahrern und Bedienern der von ihm konstruierten Maschinen herzustellen; deren Ansprüche und Bedürfnisse aufzunehmen und ihnen im Entwicklungs- und Gestaltungsprozess Gehör zu verschaffen.

Dies war und ist seine Stärke bis heute – und diese Einstellung war im Jahr 1996 alles andere als eine Selbstverständlichkeit für einen Konstrukteur schwerer Maschinen.

Thomas unterstützt Bergbauunternehmen und Energieversorger, Tiefbau- und Straßenbauunternehmen, die Hüttenindustrie (Metallurgie), Agrar-, Forst- und Kommunalbetriebe und Dienstleistungsunternehmen bei der Konzeption von Neuentwicklungen, deren Weiterentwicklung (alternative Antrieb, Usability & Ergonomie), erstellt System- und Typvergleiche und berät bei der Anschaffung von Maschinen. Dabei legt er stets viel Wert darauf nachhaltig zu handeln und Ressourcen zu schonen.

In unserem Gespräch auf Nutzerbrille teilt Thomas seine Erfahrungen als Konstrukteur, Sachverständiger und Berater. Er geht auf typische Entscheidungs- und Einkaufsprozesse in seinen Projekten ein, stellt dar welche Bedeutung die Ansprüche und Bedürfnisse von Nutzer:innen haben und gibt Tipps dazu, wie es gelingt sich als Konstrukteur die Brille von Fahrer:innen und Bediener:innen aufzusetzen.

Wenn der Eigentümer & Betreiber einer Maschine nicht der Nutzer ist!

Thomas, gib meinen Lesern ein Gefühl für die Maschinen, die Du konstruierst. Nehmen wir vielleicht die letzte:
Was hast Du konstruiert, wie teuer war die Maschine zirka und wie lief der Einkaufs- und Bestellprozess ab?

Thomas: Die letzte Maschine hatte einen Wert von ca. 1.2 Millionen €. , eine 50 Tonnen schwere Vortriebsmaschine für den untertägigen Bergbau in Nordamerika. Es war eine ähnlich einem Bagger aufgebaute Maschine für den selektiven Abbau von goldhaltigen Flözen unterhalb eines bereits bestehenden Tagebau.

Für neue Maschinen und darin enthaltene neue Komponenten findet der Einkaufprozess über standardisierte, prozessual geregelte Wege statt. Im Falle einer handelsüblichen Komponente erfolgt zunächst die Identifizierung der richtigen Komponente, möglichst aus dem Katalog des Komponentenherstellers. Ab und an wird mit dessen Kundenberatern noch eine Modifikation der Komponente verhandelt. Anhand des zu erwartenden Lastprofiles des Maschinenherstellers wird die zu erwartende Lebensdauer dieser Komponenten durch die technische Abteilung des Komponentenherstellers rechnerisch verifiziert. Es werden vom Lieferanten jeweils für einen Prototypen und für die zu erwartenden Serienlieferung sowohl Preise als auch Lieferzeiten angegeben und durch den Projekteinkäufer des eigenen Unternehmens nachverhandelt.

Anschließend ergeht über das ERP-System (Enterprise Resource Planning) des Maschinenherstellers eine Bestellung für den Prototypenbedarf an den Komponentenhersteller. In der Folge überwacht ein Projekteinkäufer den Fortschritt der Bestellung, aktualisiert fortlaufend den Liefertermin und meldet das Eintreffen der Komponente im Unternehmen.

Wie gelingt es sich die Brille der (Maschinen-)Bediener:innen aufzusetzen? 

Wow, das klingt nach aufwändigen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen. Lass uns mal auf die Rolle der Fahrer:in bzw. Bediener:innen einer solchen Maschine blicken. Wie setzt ihr euch die Brille der Nutzer:innen auf und welche Bedeutung haben deren Wünsche und Anforderungen im Konstruktions- und Gestaltungsprozess?

Thomas: Die Rolle der Nutzer:innen (hier: Fahrer:innen / Bediener:innen) ist in den letzten etwa zwei Jahrzehnten immer bedeutender geworden. Sie sind wichtige und bisweilen gelegentlich unterschätzte Stakeholder in den Prozessen der Bauunternehmen.

Hintergrund ist immer öfter die Personalknappheit und zusätzlich das tendenziell fallende Ausbildungsniveau. Gut ausgebildete Bediener:innen auf „Schlüsselmaschinen“ bestimmen ganz wesentlich den Erfolg und den Forstschritt auf Baustellen. Außerdem sind die Nutzer:innen, wie in jeder anderen Branche, die Hüter von kostbarem Wissen, das es aufzuschließen gilt. Dabei ist es wichtig, mit geschickten Fragen die Informationen aus den Nutzern heraus zu kitzeln.

Viele von ihnen sind wirklich virtuose Bediener, manche sogar Enthusiasten, aber reden und schreiben oftmals nicht gern. Abgegebene Fragelisten kommen da auch schon mal unausgefüllt zurück, was aber nie bösem Willen entspricht. Es gilt in einem aktiven Gespräch den Leuten unterstützend zu entlocken, was sie als wichtig erachten. Oftmals sind dabei unsichtbare Hindernisse zwischen den Interviewpartnern, wie unterschiedliche soziale Herkunft oder unterschiedliche Schulbildung. Hier muss der Interviewer das Vertrauen seines Gegenübers gewinnen.

Des Weiteren kann es notwendig sein, das Wissen der Nutzer:innen nach einem Interview zunächst in einen korrekten physikalisch-technischen Terminus zu übersetzen: Stand die heutige Aussage „schnell“ in Relation zur Reaktionsgeschwindigkeit (dem Ansprechverhalten) oder geht es mehr um die allgemein zu langsame Ablaufzeit bei einem Arbeitstakt?
In diesem Fall ist es noch wichtiger, dass Informationen so unmittelbar wie irgend möglich zwischen Usern und Konstrukteuren ausgetauscht werden, da das Verfahren sonst schnell zu einem „Stille-Post-Spiel“ werden kann.

Das Wissen der Konstrukteure bei den Maschinenherstellern ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Wissen der Nutzer:innen bei den Endkunden. Konstrukteure können, ohne das Nutzerwissen zu besitzen, z.B. Schwerpunkte an anderen Stellen setzen und dabei an Nutzerbedürfnissen vorbei entscheiden.

Ohne einen „guten Draht“ zu Bediener:innen einer Maschine geht nichts!

Hast Du ein Beispiel bei dem deutlich wird was passieren kann, wenn die Anforderungen der Fahrer:innen bzw. Bediener:innen nicht in ausreichendem Maße Beachtung finden?

Thomas: Beispiele aus meinem eigenen Leben …

Fall #1: Raupenbagger

Ich habe mir bei Baggern häufig die Frage gestellt, will der Nutzer eine kräftige oder eher eine agile Maschine?
Tendenziell muss man sich als Konstrukteur in diesem Punkt später festlegen.

  • Frage an einen Nutzer auf einer Großbaustelle: „Warum habt ihr genau DIESE Maschine beschafft? Weil sie schnell oder weil sie kräftig ist im Vergleich zu anderen?
  • Antwort Nutzer: „Naja, das passt beides eigentlich ganz gut. Wirklicher Entscheidungsgrund war aber die gute Klimaanlage!

Der Fahrer saß in brüllender Hitze, nur mit einer Badehose bekleidet, auf dem Baggersitz. Inzwischen hatte er trotz laufender Klimaanlage die Frontscheibe hochgeschoben und die Seitentür geöffnet. Auf freier Fläche ohne natürlichen Schatten bei über 30°C im Schatten und in einer schwarz lackierten Maschinenkabine wird die Hitze zum alles bestimmenden Parameter. Das muss ein Konstrukteur erst verstehen lernen.

Fall #2: Radlader

In den 90er Jahren ist das Fahrerhaus bei einigen Herstellern auf dem Hinterwagen der Maschine, bei anderen auf dem Vorderwagen (also vor der Knicklenkung) platziert worden, anteilig etwa 50:50 bei den weltweiten Herstellern. Da die weiter hinten, also auf dem Hinterwagen angeordnete Kabine, mehr Nutzlast erlaubt, was aus Sicht der Betreiber erstrebenswert ist, gingen schlussendlich alle Hersteller dazu über, die Kabinen auf dem Hinterwagen anzuordnen. Zwischen Betreibern, Beschaffern und Herstellern herrschte Einigkeit.

Die Fahrer hatten zu dieser Zeit oft ganz andere Ansichten, fühlten sich übergangen. Beim Rückwärtsfahren ist eine Kabine auf dem Vorderwagen deutlich nutzerfreundlicher, unterstützt auf lange Sicht die Gesundheit der Fahrer und schützt die Sicherheit Dritter im näheren Umfeld besser. Heute, im Zeitalter der Rückfahrkameras und der 360°-Kamerasysteme, mit Radar und Lidar, hat sich das Thema wieder relativiert.

Hände schmutzig machen und Selbst(er)fahren!

Wenn ein Hersteller bisher noch so gar nicht „nutzerzentriert“ vorgegangen ist, nun aber starten will: Womit sollte er beginnen, was wäre ein pragmatisches Vorgehen?

Thomas: Diese Unternehmen können schnell und pragmatisch vorankommen, indem sie die Produktmanager und die Konstrukteure zum Selbst(er)fahren ermutigen. So fallen den verantwortlichen Personen schnell wichtigen Informationen zu, die dann aber noch entsprechend reflektiert werden müssen. Die eigene Wahrnehmung ist durch nichts zu ersetzen.

In einem zweiten Schritt gilt es zu netzwerken und Bauunternehmen und deren Fahrer zu finden, die sich interviewen lassen. Dabei ist mir oft aufgefallen, dass es den Bauunternehmen gar nicht so sehr um die verlorene produktive Zeit bei den Fahrern geht, sondern bereits viel Offenheit für dieses Thema besteht. Eine gut eingebundene Maschinentechnische Abteilung (MTA) des Bauunternehmens kann wertvolle Unterstützung leisten.

Erste, schnelle Statements der Nutzer können früh Klarheit verschaffen. Die Nutzer sollten dabei gern im Alter von ca. 40 Jahren oder darüber sein, da, einen dauerhaften Einsatz als Maschinenführer vorausgesetzt, die Erfahrung dieser Personen auf verschiedenen Maschinen von verschiedenen Herstellern so groß ist, dass auch rasch, aus dem Handgelenk, Vergleiche zu ähnlichen Produkten gezogen werden können.

Die Sprache der Nutzer:innen sprechen!

Thomas, Du bist passionierter Fahrer eines eigenen Baggers. Dir die Brille von Nutzenden aufzusetzen, wenn es drum geht einen Bagger weiterzuentwickeln, das fällt Dir sicher ziemlich leicht.
Zugleich hast Du sicherlich klare Vorstellungen davon, wie Du als Baggerfahrer von einem Hersteller eines Baggers behandelt werden möchtest, wie Du eingebunden werden möchtest bei der Weiterentwicklung und kontinuierlichen Verbesserung. Magst Du uns Deine Vorstellungen dazu kurz beschreiben?

Thomas: Ich versuche es mit der mir eigenen Empathie: Ich hätte gern einen Interviewpartner:in, der/die sich etwas auf meinem Gebiet auskennt. Es würde mich freuen, wenn diese Person eigene einschlägige Erfahrungen gemacht hat und mir schnell folgen kann, ohne dass ich viel , vor allem keine Basics, erklären muss. Dazu kann auch etwas Fachvokabular auf der Seite der/des Fragenden erforderlich sein.
Schon ein angemessener Gruß beim ersten Zusammentreffen kann das Eis brechen: Bergleute begrüße ich nicht mit „Guten Morgen“, sondern mit „Glück auf“.

Bei einem Interview in Deutschland vor Ort, besonders in traditionellen Unternehmen, ist ein weißer Bauhelm schnell ein Fauxpas, weil i.d.R. nur Führungspersonal diesen trägt. Auf dem Bau sind dies die Poliere (und Dienstränge darüber), im Bergbau, Tagebau und unter Tage, sind dies die Steiger (und Dienstränge darüber). Ausnahmen bestätigen die Regel: Dies ist unproblematisch, wenn inzwischen unternehmensweit weiße Helme getragen werden.
Andernfalls kann es schnell zu Verstimmungen kommen.

Insgesamt darf nichts getan werden, was die Berufsehre dieser Leute beleidigt.
Ich möchte als Interviewter

  • Wertschätzung erfahren.
  • möchte nicht belehrt werden.
  • möchte gern erfahren, was mit meinen Aussagen geschieht.
  • dass mein Interviewer auf Augenhöhe mit mir redet.
  • nicht, dass mein Gegenüber in irgendeiner Weise elitär ist bzw. wirkt.

Es kann auch die Aussage wichtig sein, dass die Geschäfts- und / oder Baustellenleitung das Interview autorisiert hat, falls dies vorab noch nicht intern geklärt worden ist.

Häufig bin ich am besten gefahren, wenn ich nicht zu viel von mir selbst erzählt habe. Während am Vortag ein Gespräch gut voran kam, als ich noch „Thomas“, per „Du“ und nur Mitarbeiter bei der Herstellerfirma war, ging es am nächsten Tag plötzlich nur schleppend weiter, nachdem Dritte von mir erzählt hatten („der hat dort was zu sagen“) und wir plötzlich wieder bei dem „Sie“ waren.

Handfeste Tipps für UX Professionals (w/m/d): beobachten, fachkundig fragen, zuhören, angemessen auftreten und Standesregeln beachten!

Magst Du uns – als UX Professionals / UX Designer (w/m/d) – noch einige Tipps geben: Was sollten wir unbedingt beachten, wenn wir mit Fahrer:innen oder Bediener:innen einer Maschine gemeinsam an deren Nutzerfreundlichkeit arbeiten wollen?

Thomas: Die Leute, z.B. auf dem Bau, im Bergbau, in der Landwirtschaft, auf dem Kommunalhof sind gut geerdete Leute, ohne Allüren.

  • Gern die Frage „darf ich Du sagen?“, was sowieso i.d.R. angenommen wird.
  • Respekt vor der Tätigkeit zeigen, nicht heucheln.
  • Nicht vorlaut sein und die Leute ausreden lassen (eigentlich Knigge-Basics).
  • Vor Ort schon persönliche Schutzausrüstung dabeihaben: Helm, Sicherheitsschuhe … etc.
  • In Pausen fragen, ob man sich zu den Leuten setzen darf.
  • Vielleicht mal mit einem Lächeln ein Bonbon aus der eigenen Jackentasche anbieten.
  • Einen Kaffee ausgeben, falls das ortsüblich ist.
  • Das Gespräch betont locker aufbauen. Stress haben diese Leute schon genug!
  • Nicht im Weg stehen, niemanden bei der Arbeit behindern.
  • Von mobilen Maschinen wegbleiben: Lebensgefahr!
  • Werbegeschenke dabeihaben: Meterstäbe (Zollstöcke), Baseball Caps, Feuerzeuge … etc.
  • Nach ehrlicher, aufrichtiger Kooperation streben.
  • Nachhaltige Verbindung anstreben, sofern es sich um gute Interviewpartner handelt.
  • Keine geschlossenen Fragen stellen!
  • Bei Bedarf neutrale Formulierungshilfen geben, aber nicht beeinflussen

Als Interviewer muss ich mein Interview als Chance verstehen. Im guten Fall springt dabei eine dauerhafte Zusammenarbeit heraus, wenn es noch besser kommt, eine Freundschaft, und die Leute sind auch ihrerseits an weiterer Zusammenarbeit interessiert.

Vielen Dank Thomas, für diese spannenden und tiefen Einblicke. Du hast mit Deinen Gedanken, Impulsen und konkreten Tipps einen wertvollen Beitrag dafür geleistet, dass die Ansprüche und Bedürfnisse von Fahrer:innen und Bediener:innen schwerer Maschinen in Zukunft noch mehr Beachtung finden werden. Und ich hoffe sehr, es war der Beginn einer Beitragsserie hier auf Nutzerbrille zu unserem gemeinsamen Thema: Mensch-Maschine-Interaktionen zusammen verbessern!

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Home Office, unterwegs, im Büro oder Coworking Space: Tipps für Remote Worker (w/m/d) zur Wahl des Arbeitsortes

Im Jahr 2000 wäre es mir mit hoher Wahrscheinlichkeit gelungen abzuschätzen wo Sie sich befinden während Sie diesen Artikel lesen. Heute gelingt mir das ganz sicher weniger gut: Immer mehr Menschen haben, fordern oder bekommen die Freiheit ihren Arbeitsort selbst zu wählen. Immer mehr Unternehmen und Unternehmer*innen denken und handeln bei Fragen rund um das Thema Arbeitsort „Remote First“. Und immer mehr Wissensarbeiter*innen bezeichnen sich eher als Remote Worker (w/m/d) denn als Büroarbeiter.

Profilfoto von Tobias Kollewe (Coworker & Remote Worker aus Leidenschaft)

Tobias Kollewe

Das alles trifft ganz sicher auch auf Tobias Kollewe zu.
Tobias ist Gründer und Vorstand der cowork AG, welche sich auf die Entwicklung und den Betrieb von Coworking Spaces spezialisiert hat.
Er hat den Bundesverband Coworking Spaces Deutschland e.V. gegründet und steht ihm als Präsident vor. Und schließlich ist er erfahrener E-Commerce Experte und als erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeit in mehreren Aufsichtsräten tätig.

Vor allem ist Tobias aber ein sehr erfahrener Remote Worker.
Und in dieser Rolle konnte ich mit Tobias sprechen. Ich möchte Sie in diesem Artikel an Tobias‘ Erfahrungen als Remote Worker teilhaben lassen. Zudem möchte ich Ihnen einen kurzen Blick in das Buch: „Remote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space“ gewähren.  Dieses Buch hat Tobias gemeinsam mit drei weiteren Autor*innen geschrieben. Sie dürfen sich freuen auf konkrete Tipps und Anregungen zu den Themen: Gesundheit am Arbeitsplatz, Pausengestaltung, Arbeiten im Zug und im Coworking Space.

Remote Worker (w/m/d) ohne eigenen Schreibtisch

Tobias, Du arbeitest seit vielen Jahren mobil: Zu Hause, unterwegs im Zug und in Coworking Spaces, ab und an in Cafés und Hotels.
Welche Arbeiten und Aufgaben erledigst Du am liebsten an Deinem Schreibtisch zu Hause?

Tobias: Um ehrlich zu sein: am liebsten gar keine. Ich arbeite schon seit vielen Jahren mal mehr, mal weniger remote. Und dabei am wenigsten gerne von daheim. Das liegt aber nicht daran, dass ich etwa eine strikte Trennung zwischen Home und Office haben möchte.
Der Grund ist viel profaner: ich habe zuhause keinen vernünftigen Platz zum Arbeiten. Also genau an diesem „Schreibtisch zu Hause“ fehlt es mir. Und das finde ich auch gar nicht schlimm.

Gesundheitstipps für Remote Worker (w/m/d)

Gesundheit beim mobilen Arbeiten, beim Arbeiten von unterwegs oder im Home Office ist ein bedeutsames Thema. Bewegung, Ernährung, Schlafen – richtig gut umgesetzt, sind das wesentliche Erfolgsfaktoren für dauerhaft hohe Produktivität. Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht und welche Anregungen hast Du zum Thema „Remote Work & Gesundheit“ für meine Leser*innen?

Tobias: Egal wo Du arbeitest, schaff Dir Routinen. Gerade weil ich daheim immer noch kein richtiges Arbeitszimmer habe, ist der Weg vom Frühstückstisch zum Notebook manchmal einfach zu kurz. Ich glaube, diese Erfahrung haben viele Menschen gemacht: es ist doch etwas anderes, wenn man sich  morgens „fein fürs Büro“ machen muss oder ob man auch in der (lagerfeldschen) Jogginghose vom Sofa aus arbeiten kann.
Sich auf die Arbeit vorzubereiten, einen eigenen organisatorischen Terminplan inklusive Feierabendzeit einzuhalten, das kann schon viel dazu beitragen, besser und gesünder remote zu arbeiten. Das sind zumindest meine Erfahrungen.
Wesentlich für Gesundheit am Arbeitsplatz ist aber in jedem Fall ein „richtiger“ Arbeitsplatz, also mit ergonomischem Stuhl, der Möglichkeit vom Sitzen zum stehenden Arbeiten zu wechseln, genügend Licht und ausreichend Ruhe. Für mich alles Gründe, lieber im Coworking Space zu arbeiten.

Pausenzeiten richtig planen: „Mach Pause um 15:00 Uhr!“

Als aufmerksamer und begeisterter Leser des Buchs „Remote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space“ kenne ich die Anregung: „Mache Pause um 15:00 Uhr!“. Warum ist das so wichtig und welche weiteren Tagesroutinen empfiehlst Du einer/einem Remote Worker*in, die/der mehrere Tage pro Woche im Home Office arbeitet?

Tobias: Vielen Dank. Es freut mich, dass Dir unser Buch gefällt. Zu Deiner Frage: Dass die meisten Menschen zwischen zwölf und ein Uhr Mittagspause machen, liegt vermutlich daran, dass sich die Arbeitszeit so gut teilen lässt. Zumindest, wenn man von einem klassischen Arbeitszeitmodell ausgeht.

„Es ist viel ergiebiger, nicht die Arbeitszeit zu teilen, sondern die Wachzeit.“

Und für die meisten liegt dieser Punkt deutlich später am Nachmittag. Achte mal bei Dir selbst darauf: Hast Du nicht oft auch am frühen Nachmittag einen kleinen Tiefpunkt. Diesen natürlichen Tiefpunkt als Pause zu denken, kann sehr hilfreich sein.
Die Tagesroutinen muss aber jeder für sich selbst entwickeln. Ich glaube, dass das wichtiger wird, je mehr die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen.

Home Office, Büro oder Coworking Space: Über die Herausforderung als Remote Worker (w/m/d) den richtigen Arbeitsort zu finden!

Lass uns den Blick weg von Dir, einem erfahrenen und in ortslosen Teams sich wohlfühlendem Remote Worker, hin zu Angestellten in Unternehmen richten. Nehmen wir eine leitende Bankangestellte, tätig im Bereich Marketing & PR. Sie hat im Jahr 2020 mobiles Arbeiten erstmals kennen und schätzen gelernt. Seitdem kann sie ihren Arbeitsort selbständig wählen: Büro, zu Hause und Coworking Space.
Wann empfiehlst Du, sollte sie in einem Coworking Space arbeiten, welche Aufgaben dort bestenfalls erledigen und welche Intentionen mit dem Besuch eines Coworking Space verfolgen?

Tobias: Die Frage nach der Wahl des richtigen Arbeitsortes ist gar nicht so einfach zu beantworten – zumindest nicht pauschal.
Wir sind bei uns intern dazu übergegangen, vom „Platz zum Arbeiten“ statt vom „Arbeitsplatz“ zu sprechen – also unabhängig von Regelungen und ergonomischen Schreibtischstühlen.

„Ich denke, dass man den Menschen die Freiheit geben sollte, den für sie passenden Ort zu wählen, wenn das aus Sicht der zu verrichtenden Arbeit möglich ist.“

Ich telefoniere zum Beispiel am liebsten im Gehen oder mit Blick in die Ferne, konzeptionell arbeite ich am liebsten an einer großen Whiteboard-Wand. Und zum Schreiben sitze ich am liebsten im Zug oder mit Blick aufs Meer. Wenn man sich nicht selbst acht Stunden am Tag an den gleichen Stuhl fesselt, sondern für ausreichend Abwechslung sorgt, dann hat man schon viel gewonnen.
Ob die leitende Bankangestellte jetzt eher daheim oder im Space oder im Büro arbeiten sollte, das lässt sich so nicht beantworten, weil es von zu vielen individuellen Faktoren abhängt. Nehmen wir einen der offensichtlichsten: Pendelstrecke. Es lässt sich ja keine Empfehlung aussprechen, in einen 20 Kilometer entfernten Space zu fahren, wenn das eigene Büro nur 10 Kilometer entfernt ist.

„Wichtig ist mir, dass wir uns weiter von dem Gedanken entfernen, dass ich zum Arbeiten ins Büro fahren muss und es dazu keine Alternative gibt.“

Historisch betrachtet wurde das ninetofive-Arbeitszeitmodell an das Dreischicht-System der Produktion angegliedert. Und der Arbeitsort für den klassischen Büroangestellten war natürlich im selben Komplex untergebracht, wie ebendiese Produktion.
Nun haben sich in den letzten Jahren hier aber insbesondere Dank der Digitalisierung viele andere Möglichkeiten ergeben. Zum einen bin ich örtlich oft nicht mehr an das Büro gebunden, kann mir also die Pendelei sparen. Zum anderen bin ich in vielen Branchen nicht an das Schichtsystem der Produktion gebunden. Also kann ich, zumindest was diese Faktoren anbelangt, doch eigentlich auch unabhängig von Zeit und Ort arbeiten.
Warum also nicht daheim, am Strand oder im Coworking Space …?

Arbeitsort Coworking-Space – eine attraktive Alternative zum Home Office und Büro?

Tobias: Meine ehemalige Kollegin Laura Schwarz hat in ihrer Studie an der Hochschule Augsburg Menschen (Coworking vs. Homeoffice – Alternativen zum klassischen Büro), die beide Arbeitsorte kennen, danach befragt, ob sie lieber im Home Office oder im Coworking Space arbeiten würden. Die Antworten waren eindeutig: alle befragten würden den Coworking Space bevorzugen. Aus den unterschiedlichsten Gründen, mit den unterschiedlichsten Aufgabenstellungen. Das finde ich schon beeindruckend.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich die Arbeit in Coworking Spaces einmal anzusehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob das ein geeigneter Ort sein könnte – für welche Aufgabe auch immer. Also einfach mal reinschauen und ausprobieren.

Gibt es Wochentage, die besonders gut für ein Arbeiten im Coworking Space geeignet sind?

Tobias: Aus meiner Erfahrung ist es in den meisten Spaces freitags immer am wenigsten los. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, mag ich nicht beurteilten. Toll finde ich, dass die meisten Coworking Spaces keine zeitliche Beschränkung haben. Ich kann also rund um die Uhr dorthin gehen, auch am Wochenende und an Feiertagen. Eben genau dann, wenn ich hinwill.

Nach welchen Kriterien sollte man seinen Arbeitsort wählen: Ist es die Aufgabe, die den Arbeitsort entscheidend bestimmen sollte, sind es eher die persönliche Vorlieben oder sollte man das vor allen von den situativen Faktoren abhängig machen?

Tobias: Ach, es sind so viele Faktoren. Ich denke nicht, dass man die Wahl des Arbeitsortes anhand einer Checkliste abarbeiten kann. Das hängt für die meisten Menschen ja oft weniger von Vorlieben oder Aufgaben ab, sondern vom Vorgesetztenverhalten und von der sozialen Blase. Ich finde die Flexibilisierung der Möglichkeiten wichtig. Und dazu gehört für mich auch, dass wir uns mit den Angeboten der Arbeitsplatzwahl nach den Bedürfnissen der Arbeitenden richtigen und den Fokus nicht ausschließlich auf die Wünsche der Arbeitgeber legen. Dann hätten wir schon viel erreicht. Dazu gehört für mich übrigens auch zu akzeptieren, wenn jemand seinen festen Arbeitsplatz im Büro mit festen Arbeitszeiten haben möchte.

Tipps zum „Leben & Arbeiten“ in Zügen der Deutschen Bahn

Kommen wir abschließend zu einem Deiner Lieblingsthemen: #officeonrails. Arbeiten auf Reisen, insbesondere im Zug.
In eurem Buch gibt es dazu viele Empfehlungen von Dir: Angefangen vom Buchen der richtigen Zugverbindung („Fahr am Vorabend hin!“), der Platzwahl im Zug, über den Kauf von Kabeln, Notebooks und Taschen bis hin zur Wahl des Netzbetreibers („Wechsle zur Telekom!“).  Allein diese Tipps sind es Wert Dein Buch zu kaufen.

Tobias: Vielen Dank.

Ich möchte die Gelegenheit dieses Interviews mit Dir für einen Ausblick in Sachen #officeonrails nutzen:
Was empfiehlst Du der Deutschen Bahn, damit das Arbeiten im Zug noch angenehmer und produktiver wird?

Tobias: Ganz ehrlich – da gibt es nichts zu empfehlen. Ich bin mit der Deutschen Bahn und ihrem Angebot eigentlich rundum zufrieden. Wenn es ein Wunschkonzert wäre, dann würde ich mir natürlich noch viel mehr DB Lounges oder gar Coworking Spaces an kleineren Bahnhöfen wünschen, wenn ich den Anschlusszug mal wieder verpasst habe und in Braunschweig oder Stuttgart gestrandet bin. Aber bezüglich der Arbeit im Zug, sei es WLAN, Platzangebot oder Service, da habe ich keine Empfehlung. Entweder bin ich inzwischen abgestumpft oder einfach nur zufrieden. Ich tippe auf Letzteres.

Vielen Dank, lieber Tobias, für diese tiefen Einblicke in Deinen Erfahrungsschatz zum Thema „Remote Work“, die zahlreichen Tipps und Deine Gedanken zu den Vorteilen von Coworking Spaces für Remote Worker (w/m/d). Ich freue mich schon jetzt auf weitere, spannende Bücher zu diesen Themen von Dir und hoffe, dass wir bald wieder die Gelegenheit für ein Interview haben werden.

Buchtipp für Remote Worker (w/m/d)

Buchdeckel des Titels Remote Work 116 TippsRemote Work – 116 Tipps für die Arbeit unterwegs, im Home Office und Coworking-Space.

Autor*innen:
Tobias Kollewe, Denise Ruhrberg, Dr. Axel Minten und Michael Keukert
116 Tipps auf 156 gehaltvollen Seiten.

 

 

 

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Tourismuszukunft – ein menschenzentriertes Remote-First Netzwerkunternehmen

Mit einem menschenzentrierten Gestaltungsansatz lassen sich nicht nur erfolgreiche Produkte und Services gestalten: Ein menschenzentrierter Gestaltungsansatz ist auch eine hervorragende Grundlage, um Teams zu formen, dauerhaft zusammenzuhalten und ihnen eine optimale Arbeitsumgebung zu bieten.

Florian Bauhuber im Portrait

Florian Bauhuber

Florian Bauhuber hat das früh erkannt:
Sowohl als Geschäftsführer des Netzwerkunternehmen Tourismuszukunft – Realizing Progress als auch Berater für die Tourismusbranche, wendet Florian einen menschenzentrierten Gestaltungsansatz mit großem Erfolg an.

Und das bereits seit vielen Jahren!

Florian hat das Unternehmen Tourismuszukunft im Jahr 2006 gegründet. 7 Jahre lang führte er es in einer klassischen Organisationsform – mit Hierarchien und umsetzenden Mitarbeiter*innen.

Bereits im Jahr 2013 gab Florian dem Unternehmen eine innovative, zu den Werten der Generation Y besser passende Organisationsform: Er wandelte das Rollenverständnis seiner Mitarbeiter*innen, machte sie zu Gestaltenden statt Umsetzenden, bildete selbstorganisierte (Projekt-)Teams, gab Verantwortung ab, löste Hierarchien auf und gab seinem Team die Vision die Tourismusbranche nachhaltig zu verändern.

Im Ergebnis wandelte er das Unternehmen Tourismuszukunft in ein modernes, wirtschaftlich erfolgreiches Netzwerkunternehmen, dessen Mitarbeitenden sich als Unternehmer*innen fühlen. Jede/-r Netzwerkpartner*in entscheidet wann, wo und mit wem er/sie zusammenarbeitet. Stets mit dem Ziel dem Auftraggeber den bestmöglichen Service zu bieten. Ein festes Büro – so etwas gibt es bei Tourismuszukunft schon lange nicht mehr!

Ich finde das sind viele, sehr gute Gründe, um von Florian zu erfahren wie ein Remote-First Unternehmen in der Organisationsform eines Netzwerkunternehmen erfolgreich geführt werden kann.

Wie alles begann: Vom klassischen Unternehmen zum ortslosen Netzwerkunternehmen!

Florian, Du führst die Geschäfte eines Unternehmens ohne Firmenzentrale: Tourismuszukunft bietet seinen Mitarbeitenden weder ein Büro, noch stellt es ihnen einen Arbeitsplatz zur Verfügung. Was war der ausschlaggebende Grund für Dich bereits im Jahr 2013 ein ortsloses (Berater*innen-)Team aufzubauen?  

Florian Bauhuber: Im Rahmen meiner Promotion habe ich mich intensiv mit Innovationsprozessen in Unternehmen beschäftigt. Kernfrage war dabei: Wie müssen Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung gestaltet sein?
Alle Erkenntnisse dieser Arbeit habe ich nicht in den Doktortitel, sondern in Tourismuszukunft gesteckt. Die Chance, diesen Wandelprozess einzuleiten, hatte ich nur, da zwei meiner Mitgründer im Jahr 2013 beschlossen haben das Unternehmen zu verlassen.
Tourismuszukunft war vorher eine „klassische“ Agentur, die vor allem das Thema Social Media bediente. Wir waren ein hierarchisches Unternehmen mit Bereichen, Bereichsleiter*innen, klar definierten Prozessen und natürlich einem Büro mit Kicker.
Wir dachten damals, dass wir ein cooles, junges und progressives Unternehmen sind. Wir waren aber alles andere als das:
Wir waren mitten in der Wachstumsfalle angekommen.

Identifikation, Identität und Zusammenhalt in ortslosen Teams

Tourismuszukunft ist ein Netzwerkunternehmen: Die Mitarbeitenden sind Expert*innen ihres Fachs, die als selbständige Unternehmer*innen Projekte akquirieren und im Team durchführen. Jede/-r hat eine feste Home-Base, wählt aber seinen Arbeitsort je nach Tätigkeit, persönlichen Vorlieben und den Erfordernissen ihrer/seiner Kunden. Unter diesen spezifischen Rahmenbedingungen ist es euch dennoch gelungen nach außen eine klare, einheitliche und starke Identität auszustrahlen: Die Marke „Tourismuszukunft“ wird verbunden mit Adjektiven wie innovativ, jung, kompetent, flexibel, partnerschaftlich und dynamisch. Worin bestehen die zentralen Erfolgsfaktoren für diese Einheitlichkeit im Denken, Handeln und Auftreten nach außen?

Florian Bauhuber: Wir haben gemeinsam im Team unseren Markenkern, d.h. unsere Werte, fixiert und eine Vision für unser Handeln erarbeitet. Dieser Markenkern wird durch ein Markenteam gepflegt, d.h. alle markenrelevanten Entscheidungen werden durch dieses Markenteam getroffen. Das Markenteam wird jedes Jahr neu gewählt; jede*r Netzwerkpartner*in kann sich hier einbringen.

Zu den wichtigsten Entscheidungen des Markenteams gehört der Auswahlprozess für neue Netzwerkpartner*innen. In diesem Prozess wird nicht nur auf die Kompetenzen der jeweiligen Bewerber*innen geachtet, sondern auf seine/ihre Werthaltung. In zahlreichen Einzelgesprächen versuchen wir folgende Fragen zu klären:

  • Wie geht er/sie mit Veränderung um?
  • Was ist ihm/ihr wirklich wichtig?
  • Welche Werte trägt er/sie in sich? Passt er/sie in unser Team?
  • Hat er/sie die nötige digitale DNA?

Das Expert*innen-Netzwerk hinter Tourismuszukunft wächst stetig.
Wie gelingt es euch neue Expert*innen zu gewinnen, die zu euch, zu eurer Identität und Vision passen? 

Florian Bauhuber: Das ist gefühlt relativ einfach. Die Art zu arbeiten und zu leben ist attraktiv. Wir wissen für was wir stehen und erzählen das auch. Durch unsere gelebte Wertekonsistenz und die konsequente Umsetzung in unserer Kommunikation geben wir ein klares Bild nach draußen ab: das wirkt auf Endkunden ebenso wie im Employer Branding. Das heißt, dass neue Expert*innen sehr oft auf uns zukommen, weil sie unsere Art und Weise des Lebens auch erleben wollen.
Wir lehnen aber auch definitiv mehr Akteure ab, als wir ins Team holen – die Nachfrage ist da, was uns sehr freut.

Entscheidungsfindung in ortslosen Netzwerkunternehmen

Wie werden bei Tourismuszukunft unternehmerische Entscheidungen getroffen? Nehmen wir zur Beantwortung dieser Frage einfach mal eure Marketing-Aktivitäten: Wie entwickelt und vereinbart ihr eure Marketing-Ziele und Marketing-Strategie?

Florian Bauhuber: Wie vorher schon angesprochen, ist unser Markenteam für markenrelevante Entscheidungen zuständig.
Projektbezogene Entscheidungen obliegen den jeweiligen Netzwerkpartner*innen, die im Kundenprojekt beteiligt sein; z.B. das Pricing oder auch die Bestandteile des Projekts. Wir versuchen Projekte im Markt zu realisieren, die Spuren hinterlassen. Letztendlich entscheiden unsere Netzwerkpartner*innen, was sie für richtig und sinnvoll erachten.

Tourismuszukunft bei der Arbeit: Terrasse statt Büro, Post-It statt Powerpoint

Kreativität und Flexibilität schlägt Planung!

Es gibt keine klassische Unternehmensstrategie mit Wachstumsfeldern, Marketing-Zielen und einer Marketing-Strategie. Dadurch sind wir gleichzeitig agil und flexibel und können aufgrund unserer Grundhaltung sehr schnell auf Trends oder Veränderungen reagieren.
Beispiele hierfür sind die #ITBdigital, die wir als Alternative zur 2020er ITB bereits am Tag der Corona-bedingten Absage verkündet haben. Oder unsere Zukunftstage für die Tourismusbranche, die wir gemeinsam quasi über Nacht organisiert und realisiert haben.

Teamarbeit in ortslosen Teams: Braucht es spezielle Tools?

Lass uns nun die kulturelle Ebene der Unternehmensführung verlassen und einen Blick werfen auf die technologische Ebene. Welche Tools setzt ihr ein, um eure Projekte in virtueller Teamarbeit erfolgreich durchzuführen? Und auf welchen Wegen kommuniziert ihr untereinander, wenn ihr an verschiedenen Orten arbeitet?

Florian Bauhuber: Unser Tool-Stack hat sich in den letzten Jahren oft verändert. Es gibt allerdings zwei Komponenten, die uns bereits seit 2013 begleiten: Google Workspace (Gmail, Drive, etc.) und WhatsApp.
In WhatsApp bilden wir die alltägliche Kommunikation ab: zu Projekten, zu internen Themen bis hin zu privaten Diskussionen und Einblicken. Google bildet unsere technologische Basis für Dateien & Mail – und lange Zeit auch für Videokonferenzen. Aber Google Hangout wurde mittlerweile von Zoom für unsere internen und externen Videocalls abgelöst.
Für das Projektmanagement ist auch noch Trello im Einsatz. Als CRM nutzen wir Hubspot.

„Am Ende kommt es aber nicht auf die Tools an, sondern auf das Wollen und Können der Teammitglieder – umso wichtiger ist es, auf die richtige Werthaltung zu achten.“

Über die Herausforderung die richtigen Arbeitsorte in ortslosen Teams zu finden!

Für euch als Berater*innen ist der Arbeitsalltag geprägt von Abwechslung und Vielfältigkeit: Ihr dürft Gruppendiskussionen moderieren, in Design Workshops neue Produkt- und Serviceideen entwickeln, die Ergebnisse eurer Arbeit in Gutachten oder Präsentationen darstellen und in Forschungsprojekten Befragungen und Interviews durchführen. Zahlreiche, recht unterschiedliche Aktivitäten, deren optimale Erledigung ganz sicher auch vom Arbeitsumfeld und dem Arbeitsort abhängt. Lass uns in diesem Kontext doch einmal einen Blick auf eine typische Arbeitswoche von Dir werfen: An welchen Orten erledigst Du welche Aufgabe bzw. Aktivität am liebsten? 

Florian Bauhuber: Meine typische Arbeitswoche hat sich 2020 massiv verändert. Klassischerweise war ich mindestens drei Tage die Woche für Workshops vor Ort beim Kunden. Das Reisen zu den schönsten Orten im deutschsprachigen Raum habe ich auch sehr genossen. Seit März hat sich das radikal gewandelt. Mittlerweile mache ich alle meine Workshops mittels Zoom, Mural und Co. Waren es früher oft Tagesworkshops, teilen sich heute die Tage oft in zwei Workshops mit zwei unterschiedlichen Kunden. In Folge hat sich die Workshop-Anzahl pro Woche durch Corona deutlich erhöht; auch weil keine Reisezeiten mehr existieren.
Mein Arbeitsort befindet sich mit wenigen Ausnahmen seit März in meiner Wohnung. Abgesehen von wenigen Kundenterminen und den gemeinsamen Co-Livings mit meinen Kollegen aus dem Tourismuszukunft-Team.

Teamspirit in ortslosen Netzwerkunternehmen pflegen: Über den besonderen Reiz des Co-Living!

Wie oft kommt es vor, dass ihr alle an einem Ort zusammenkommt? Und: Wozu trefft ihr euch als Team ganz reell an einem Ort?

Florian Bauhuber: Mit dem gesamten Team haben wir uns in diesem Jahr (2020) zweimal getroffen; einmal zu unserem Co-Living in Berlin, bei dem wir uns eine Woche Zeit für uns genommen haben. Das zweite kürzere Treffen war im Rahmen unseres Tourismuscamps, dem ersten Barcamp für die Tourismusbranche, das wir mittlerweile auch als wandernde Veranstaltung organisieren. Neben den Treffen in großer Runde werden allerdings zahlreiche kleinere Co-Livings organisiert, in dem dann konkrete Themen oder Destinationen im Mittelpunkt stehen.

Wir lieben es, an neuen Orten zu arbeiten und den Flair und Spirit der Destination aufzusaugen. Beispiele hierfür sind Ljubljana, Kopenhagen, London, Sizilien, Leipzig, Ischgl oder Interlaken. Der Hauptgrund für unsere physischen Treffen ist aber physische Nähe. Wir müssen uns ab und zu spüren. Das machen wir dann umso intensiver, indem wir uns nicht nur in Meetingräumen treffen, sondern gemeinsam kochen, wandern, etc. .

Was zeichnet einen Ort bzw. Treffpunkt aus, damit er in die engere Auswahl für ein „Co-Living“ kommt? Was muss er euch zwingend bieten? 

Florian Bauhuber: Die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Zog es uns früher oft in eine gemeinsame Villa mit Offenheit und großen Außenanlagen, sind wir heute für unser großes Co-Living oft im urbanen Bereich. Dieses Jahr waren wir in Berlin im The Student Hotel, einem Hotel perfekt geeignet für uns.

Teammitglieder des Netzwerkunternehmens Tourismuszukunft

Tourismuszukunft Team 2020 beim Co-Living in Berlin

Grundsätzlich brauchen wir eine gute Erreichbarkeit mit ÖPNV/Flug, tolles Internet, vielseitige Arbeitsmöglichkeiten im öffentlichen Raum und viel Flexibilität bei der Versorgung mit Essen & Trinken. Am Ende darf das auch noch gut designed und am Besten noch flexibel stornierbar sein. Hört sich nach einer komplexen Suche an. Das ist es auch oft, vor allem bei vielen Individuen mit individuellen Ansprüchen.

Zurück ins (feste) Büro – eine Vision für Tourismuszukunft?

Lass uns zum Schluss mal die Annahmen treffen, dass es (zukünftige) Entwicklungen und Rahmenbedingungen gibt, die euch bei Tourismuszukunft dazu bewegen ein „Headquarter“ – im Sinne eines festen Büros – einzurichten: Wie würdet ihr die Fläche und Räume eurer Firmenzentrale gestalten?

Florian Bauhuber: Gute Frage. Nie darüber nachgedacht, weil ich mir nicht vorstellen kann, unter welchen Entwicklungen das Sinn machen würde. Wir waren ja schon mal in der Situation ein Büro zu haben. Und wir vermissen nichts.
Aber nehmen wir mal den fiktiven Fall an. Dann müsste das Headquarter so aussehen wie die Orte für unsere Co-Livings – also letztendlich auch Übernachtungsmöglichkeiten bieten; da nie mehr alle Kolleg*innen an einem Ort leben werden. Wir brauchen allerdings immer neue Eindrücke und Impulse – in Folge müssten wir das Headquarter auch immer mitnehmen können – quasi als Mobile Home.

Siehst Du am Horizont mögliche Entwicklungen und Rahmenbedingungen aufziehen, die euch zu einem festen Büro („Headquarter“) hinführen könnten? 

Florian Bauhuber: Nein. Für uns gibt es kein zurück. Wenn jemand der Netzwerkpartner*innen das Bedürfnis nach einem Büro oder Coworking-Space hat, kann er das jederzeit tun. Aber für uns als Tourismuszukunft ist das Thema durch. Was nicht heißt, dass bei uns alles perfekt ist. Natürlich fehlen in manchen Situationen Flurgespräche bzw. persönliche Treffen mit den Kolleg*innen. Natürlich ist das Home Office in Corona-Zeiten ein schwieriger Spagat zwischen Familie und Job. Manchmal ist das Konsens finden zwischen den Individuen schwierig. Und natürlich führen auch manche WhatsApp-Gespräche zu heftigen Missverständnissen. Aber alles in allem überzeugen die Vorteile dieser Art zu leben und zu arbeiten.

Lieber Florian, vielen Dank für die Einblicke in euer Netzwerkunternehmen Tourismuszukunft. Die Leser*innen unseres Interviews werden neue Sichtweisen, Anregungen und Argumentationshilfen pro Remote-First Unternehmen und pro Netzwerkunternehmen gewonnen haben. Und ganz sicher hast Du auch einige Unternehmer*innen darin bestärkt ihr Unternehmen menschenzentrierter zu gestalteten. Danke dafür!

Der Beitrag Tourismuszukunft – ein menschenzentriertes Remote-First Netzwerkunternehmen erschien zuerst auf Nutzerbrille.