Alle Beiträge von Bernd Lohmeyer

Koalitionsvertrag im Digitalcheck

Nach der Bundestagswahl wurden – wie es sich in einer Demokratie auch gehört – zahlreiche Forderungen an die neuen Koalitionsparteien herangetragen, was in dem Koalitionsvertrag zu berücksichtigen sei und welche Themen ganz oben auf der Agenda stehen sollten.

Alle „Ampel-Parteien“ haben zum Glück erkannt, dass die Digitalisierung zu diesen Themen gehört, die zukünftig ganz oben stehen müssen. Auch die Medien überschlugen sich mit Beiträgen, was bei der Digitalisierung zu tun sei, was in den letzten Legislaturperioden falsch gelaufen sei und verschlafen wurde und wie es nun besser geht.

Inzwischen sind die Koalitionsverhandlungen beendet, die neue Regierung und deren Vertragswerk steht – Schwarz auf Weiß. Zeit also, den Digitalcheck zu machen und zu schauen, wie die Digitalisierung im Koalitionsvertrag weggekommen ist.

Welchen Stellenwert das Thema für die neue Koalition hat, merkt man bereits daran, dass zukünftig alle neuen Gesetzesvorhaben einem Digitalisierungscheck unterzogen werden – ähnlich dem Klimacheck, den die Grünen für alle neue Gesetze gefordert haben. Digitalisierung soll somit in Zukunft bei allen Vorhaben von vornherein mitgedacht werden.

Auch das Onlinezugangsgesetz (OZG), das allen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen zusichert, soll noch einmal weiterentwickelt werden. Denn bisher hinken viele Kommunen bei der Umsetzung des OZG deutlich hinterher. Auch die digitale Modernisierung der Verwaltung hat die neue Koalition zum Glück also auf dem Schirm. Erfreulich ist hier auch gerade aus Perspektive eines UX Designers, dass laut Koalitionsvertrag die Orientierung an der Nutzerfreundlichkeit für digitale Verwaltungsleistungen zukünftig höchste Priorität genießen soll. Wir sind gespannt...

Positiv zu bewerten ist ebenso grundsätzlich die Idee, ein zusätzliches, zentrales Digitalbudget einzuführen. Unklar bleibt leider bisher, wie groß dieses Budget sein soll, wer es verwalten wird und für was es eingesetzt wird. Es bleibt also zu hoffen, dass es gerade bei der wichtigen Finanzierungsfrage nicht bei einer Luftnummer bleibt. Denn auch die Forderungen nach einem Ausbau der digitalen Infrastruktur wurden insbesondere aus der Wirtschaft zurecht immer lauter.

Aus Sicht vieler Bürger ebenso wie Journalisten ist es ebenso eine Luftnummer, dass die Idee eines Digitalministeriums verworfen wurde. Hier gibt es jedoch auch zahlreiche andere Positionen, die ein eben solches nicht für notwendig halten, um die Digitalisierung voranzutreiben. Hierzu ein interessanter Beitrag im Manager Magazin Podcast unter: https://bit.ly/31DR4dd.

Tatsächlich ist die Frage nach einem eigenen Ministerium wohl kein entscheidender Punkt bei der Digitalisierung. Dies zeigen zahlreiche Beispiele aus Nachbarstaaten, die in den letzten Jahren deutlich mehr Fortschritte als Deutschland bei der Digitalisierung gemacht haben – und das meist ohne ein eigenes Digitalministerium.

Letztlich bleibt abzuwarten, wie ernst die Koalitionsparteien die Vorhaben nehmen, die sie im Koalitionsvertrag festgehalten haben. Und bei vielen dieser Vorhaben wird es auf die konkrete Ausgestaltung ankommen, denn die formulierten Pläne sind naturgemäß häufig noch recht schwammig.

Doch die Grundlage, die mit dem neuen Koalitionsvertrag für sichtbare Fortschritte bei der Digitalisierung gelegt wurde, ist klar. Ebenso ist zu erkennen, dass die neue Regierung bereit zu sein scheint, auf den Rat von Expertinnen und Experten von außen zu hören. Auch das bietet Chancen. Die Tür ist also aufgestoßen, die spannende Frage bleibt: Wird die neue Regierung nun auch hindurchgehen?

Bitkom-Studie zeigt: DSGVO ist ein Bremsschuh für Unternehmen

Eine aktuelle Umfrage des Branchenverbandes Bitkom zeigt: Die DSGVO ist ein Bremsschuh insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen. Vor allem kleine Unternehmen sind mit der Umsetzung der DSGVO im Detail überfordert und machen hierbei inzwischen kaum noch Fortschritte. Der Datenschutz setze die Unternehmen unter Dauerdruck, so Bitkom zum Ergebnis der Studie. Die stetige Rechtsunsicherheit, zu häufige Änderungen und Anpassungen der Verordnung sowie mangelnde Hilfe durch die zuständigen Aufsichtsbehörden sind für die Unternehmen die größten Hürden.

Insbesondere sollte aufhorchen lassen, dass mehr als Dreiviertel der Unternehmen, die die DSGVO bisher nicht vollständig umgesetzt haben, davon ausgehen, dass sich dies auch schlicht nicht bewerkstelligen lasse. Eine nicht unerhebliche Zahl insbesondere an kleinen Unternehmen wird daher auch zukünftig gezwungenermaßen weiterhin in einer rechtlichen Grauzone agieren müssen – was die Entfaltung unternehmerischer Aktivitäten erheblich negativ beeinflusst.

Doch auch für die Unternehmen, welche die DSGVO umsetzen konnten, bedeutet die Verordnung häufig eine deutliche Belastung. Rund Dreiviertel aller Unternehmen geben an, durch die DSGVO mehr Aufwand als früher zu haben und rund ein Drittel geht davon aus, dass dieser in Zukunft noch weiter steigen wird. Dies hat häufig ganz konkrete negative wirtschaftliche Folgen für die Unternehmen. So geben 90 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie bereits Projekte wegen Unklarheiten in Bezug auf die DSGVO stoppen mussten.

Die Pressemitteilung mit den zusammengefassten Ergebnissen der Bitkom-Studie finden Sie hier: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Datenschutz-setzt-Unternehmen-unter-Dauerdruck

All diese Erkenntnisse sind jedoch keineswegs neu. Vor zwei Jahren nahm Bernd Lohmeyer, Inhaber von lohmeyer I Business UX, die DSGVO insbesondere mit Blick auf Start-Ups unter die Lupe. Das Ergebnis: Die Verordnung sei für Unternehmen kaum greifbar, der zusätzliche bürokratische Aufwand sorge für ein negatives Investitionsklima und die Rechtsunsicherheit sowie die kleinteiligen Anforderungen der DSGVO träfen KMU und Start-Ups besonders hart. All dies scheint sich nun, zwei Jahre später, eindeutig bewahrheitet zu haben.

Den entsprechenden Artikel mit dem Interview mit Bernd Lohmeyer im Fachmagazin it-business können Sie hier nachlesen: https://www.it-business.de/bremst-die-dsgvo-startups-in-der-eu-aus-a-838874/

Kritik an der DSGVO ist dabei nicht gleichbedeutend mit Kritik am Datenschutz im Allgemeinen. Jedoch sagen zwei Drittel der von Bitkom befragten Unternehmen auch, dass ein zu strenger Datenschutz in Deutschland die Digitalisierung behindere. Und auch hier ist wohl etwas dran. Datenschutz ist nötig und wünschenswert – und wird von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung auch eingefordert. Doch sollte dabei nicht Maß und Mitte verloren gehen. Wenn der Schutz der Daten so kompliziert wird, dass diese Aufgabe von vielen Unternehmen (und gegebenenfalls auch Behörden, Krankenhäusern etc.) nicht mehr zu leisten ist, dann ist am Ende für niemanden etwas gewonnen.

Digitale Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland in Europa auf vorletztem Platz

Es sind die bereits gewohnt schlechten Nachrichten, wenn es in Deutschland um das Thema Digitalisierung geht. Zuerst wurde das E-Rezept, dass zum 01.10. flächendeckend eingeführt werden sollte, vom Hersteller einen Tag vor der geplanten Einführung gestoppt. Zu groß waren die noch ungeklärten Herausforderungen. Gleiches gilt für den digitalen Führerschein – die sogenannte ID Wallet der Bundesregierung – die kurz nach der Veröffentlichung wieder vom Markt genommen wurde – unter anderem wegen gravierender Mängel bei der Datensicherheit.

Und doch kann es anscheinend noch schlechter werden. Die diesjährige Studie des European Center for Digital Competitiveness (ECDC) sieht Deutschland bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit sowohl im europäischen wie internationalen Vergleich weiter zurückfallen. Inzwischen rangiert Deutschland demnach in Europa nur noch auf dem vorletzten Platz – knapp vor Albanien. Und auch im Vergleich der G20 – der zwanzig größten Industriestaaten der Welt – stehen nur Japan und Indien bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit noch schlechter dar.

Für diesen Zustand gibt es laut der Forscher zahlreiche Gründe: Neben fehlender Risikobereitschaft der Unternehmen seien auch die digitalen Fähigkeiten in der Bevölkerung insgesamt nur schlecht ausgeprägt. Der einzige Aspekt, bei dem sich Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung zwischen 2018 und 2020 laut dem ECDC verbessert habe, sei der benötigte Zeitaufwand zu Registrierung eines Unternehmens. Ehemalige Problemkinder wie Italien und Frankreich haben sich dagegen in dieser Zeit deutlich schneller weiterentwickelt und haben inzwischen zur digitalen Spitzengruppe in Europa aufgeschlossen. In Deutschland stattdessen vor allem: Stillstand.

Italien hat beispielsweise mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket zur Stärkung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit gepunktet. Hier ist die nächste Bundesregierung gefragt, die Digitalisierung ähnlich entschlossen und zügig voranzutreiben, soll Deutschland nicht vollends abgehängt werden – mit entsprechenden negativen wirtschaftlichen Konsequenzen.

In den meisten Parteien wird derzeit ein Bundesministerium für Digitales als möglicher Ansatz diskutiert. Viele andere Staaten haben die Herausforderungen der digitalen Transformation auch ohne eine solche zusätzliche Behörde gemeistert. Angesichts des bisherigen Behördenversagens – siehe das Beispiel ID Wallet – ist durchaus zu befürchten, dass ein zusätzliches Ministerium die Digitalisierung schlicht in einen weiteren deutschen Bürokratiesumpf verwandeln könnte. Andererseits ist man angesichts der Gesamtsituation bereits froh, wenn sich überhaupt etwas bewegt.

https://www.manager-magazin.de/politik/digitalisierung-deutschland-in-ranking-auf-vorletztem-platz-in-europa-a-f0a7ef16-8903-4d9a-90c8-f72d732b8b9c

Fast jeder dritte Betrieb hat keine Internetpräsenz

Es klingt eigentlich nicht nach 21. Jahrhundert und schon gar nicht nach Fortschritt bei der Digitalisierung, doch tatsächlich hat in Deutschland weiterhin fast jeder dritte Betrieb keinen eigenen Internetauftritt. Dies betrifft sowohl kleine als auch mittelgroße Betriebe (KMU). Am häufigsten verzichten offenbar Friseurgeschäfte, Handwerksbetriebe und Arztpraxen auf eine eigene Internetpräsenz.

Auch Soziale Medien wie Facebook, Instagram, YouTube oder Twitter, die auch für kleinere Betriebe mit relativ geringem Aufwand reichweitenstarke Marketingmöglichkeiten eröffnen würden, werden von rund einem Drittel der Unternehmen nicht genutzt.

58 Prozent dieser KMU geben an, dass sie in der Nutzung der elektronischen Plattformen keine Vorteile für ihre Firma sähen, 41 Prozent sagen, sie hätten keine personellen Kapazitäten für die Bespielung der Kanäle. Dies zeigt eine Forsa-Umfrage unter rund 300 Betrieben. Auch die Bereitschaft, digitale Medien in Zukunft zu nutzen, ist wenig ausgeprägt. Nur 13 Prozent dieser Betriebe wollen zukünftig in den sozialen Medien präsent sein.

Die Wahrnehmung, dass die Digitalpräsenz für die Unternehmen keinen Vorteil brächte, spiegelt sich bei den Verbrauchern jedoch ganz und gar nicht wieder. Rund 50 Prozent der befragten Verbraucher wollen, dass Unternehmen soziale Kanäle intensiver nutzen und ungefähr ebenso viele Verbraucher bewerten das Engagement von KMU auf sozialen Plattformen „als weniger“ gut bzw. „schlecht“.

Es scheint so, dass viele kleine und mittelständische Betriebe riesige Potenziale ungenutzt liegen lassen. Für die Kleinbetriebe bedeutet die fehlende Internetpräsenz einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz, die mit Webseiten und in den Sozialen Medien präsent ist – oder sogar digitale Services für ihre Kunden anbietet.

So wäre es ein Leichtes gewesen, während Corona mit einer Onlineterminvergabe zu punkten – doch nur drei Prozent der befragten Unternehmen nutzten diese Möglichkeit. Ohne besseres Know-how und steigende Bereitschaft, sich digital aufzustellen, werden zahlreiche dieser Unternehmen in den kommenden Jahren insbesondere jüngere Kunden verlieren.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/digitalisierung-fast-jeder-dritte-betrieb-hat-keine-internetpraesenz-a-063cd8df-19fd-47f7-bf2a-1d3385665639

Rund hundertfache Rendite: Investitionen in UX Design zahlen sich aus

User Experience Design (UX Design) zielt darauf ab, die Kundenzufrieden zu erhöhen, indem digitale Services vom Kunden beziehungsweise Nutzer her gedacht und konsequent an dessen Bedürfnissen ausgerichtet werden. Der Erfolg von UX Design ist jedoch nicht immer sofort messbar. Daher scheuen Unternehmen häufig vor Investitionen in eine Optimierung des UX Designs ihrer Anwendungen zurück, können sie doch wirtschaftlich nicht genau beziffern, was ihnen die Investition als Return on Investment einbringen wird.

Doch diese Zurückhaltung ist nicht gerechtfertigt. Es gibt Möglichkeiten, den Erfolg von UX Design zu operationalisieren und somit messbar zu machen. Und die Zahlen, die sich hier zeigen, rechtfertigen Investitionen in die Optimierung von UX Design aus unternehmerischer Sicht sehr deutlich. Der Markterfolg eines Softwareprodukts wird beispielsweise anhand von Key Performance Indicators (KPI) gemessen. So steigen beispielsweise die Key Performance Indicators Konversionsrate, Anzahl Besucher, Nutzerperformanz und Nutzung bestimmter Features um zusammen durchschnittlich rund 83 Prozent bei einer Investition von nur rund 10 Prozent des Projektbudgets in die Optimierung der UX.

Darüber hinaus kann sich die Arbeitszeit der eingesetzten Softwareentwickler um bis zu 50 Prozent reduzieren, wenn Usability-Anforderungen durch das UX Design frühzeitig definiert werden, statt entstandene Fehler in der Software erst im Nachhinein zu überarbeiten. Ein weiteres Argument liefert die Kaufwahrscheinlichkeit: Es hat sich gezeigt, dass Kunden ein Produkt mit einer 3,5 Mal höheren Wahrscheinlichkeit erwerben, wenn sie zuvor ein positives Nutzungserlebnis hatten verglichen mit einem negativ bewerteten Nutzungserlebnis. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen, das eine positive User Experience bietet, weiterempfohlen wird, steigt sogar um das Fünffache gegenüber einem Unternehmen, dessen Nutzererfahrung als schlecht bewertet wird.

Gleichzeitig gibt allein die IT-Industrie weltweit jährlich geschätzt rund 25 Milliarden Dollar zu viel für die Produktentwicklung aus, die sie bei konsequenter Einbindung von UX Design einsparen könnte. Dies alles – sowie eine Vielzahl weiterer positiver Effekte – zusammengenommen, führt dazu, dass im Schnitt jeder in User Experience investierte Dollar den rund hundertfachen Ertrag bringt. Dieses Return on Investment sollte eigentlich jedes Unternehmen ökonomisch davon überzeugen, in gutes UX Design zu investieren.

Siehe auch die früheren Artikel zur ROI-Berechnung einer Fachapplikation und Wachstumsmarkt Digital Customer Experience.

Aktuell bei Heise https://www.heise.de/hintergrund/Die-oekonomischen-Vorteile-von-User-Experience-Design-6020633.html

Mit Experience Mapping von der Inside-Out- zur Outside-In- Perspektive

Im Juli hatte ich Gelegenheit, einen Fachbeitrag zum Experience Mapping auf dem Onlineportal it-daily.net zu veröffentlichen. In dem Artikel erläutere ich, wie Unternehmen mit Hilfe des Experience Mappings erfolgreicher von einer Inside-Out- zu einer Outside-In-Perspektive gelangen und so ihre digitale Transformation meistern. Mehr Infos zum Thema in meinem Artikel unter:

Digitale Transformation in Unternehmen

Mit Experience Mapping von der Inside-Out- zur Outside-In-Perspektive

Zehn Jahre Industrie 4.0

Der Begriff „Industrie 4.0“ ist heute weltweit in aller Munde. Überall wird an der Digitalisierung der industriellen Produktion geforscht und gearbeitet. Die vierte industrielle Revolution soll eine umfassende intelligente Vernetzung von Menschen, Maschinen und Produkten hervorbringen. Produktion soll so flexibler, effizienter, ressourcen- und umweltschonender und kundenzentrierter gestaltet werden.

Weniger bekannt ist im Allgemeinen, dass das Konzept zu Industrie 4.0 ursprünglich aus der Feder einiger deutscher Wissenschaftler stammt. Beteiligt waren die Physiker Henning Kagermann und Wolf-Dieter Lukas sowie der Informatiker Wolfgang Wahlster. 2011 umrissen sie in dem Artikel „Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“, der zur damaligen Hannover Messe erschien, ihre Idee.

Zehn Jahre ist dies nun her und in einem weiteren Artikel in der FAZ unternahmen Kagermann und Wahlster zu diesem Jubiläum eine Bestandsaufnahme zur Entwicklung von Industrie 4.0 – einen Rückblick sowie einen Ausblick auf das Kommende. Industrie 4.0 sei als innovatives Hightech-Konzept aus Deutschland weltweit ein Exportschlager geworden, so Kagermann und Wahlster, da es „die Basis für datenbasierte Wertschöpfung, innovative Geschäftsmodelle und Organisationsformen, aber auch für neue Lösungen in Bereichen wie Energie, Gesundheit und Mobilität“ bilde.

"Internet 4.0 bildet die Basis für datenbasierte Wertschöpfung, innovative Geschäftsmodelle und Organisationsformen, aber auch für neue Lösungen in Bereichen wie Energie, Gesundheit und Mobilität."

Die beiden Wissenschaftler führen der Erfolg des Konzepts nicht zuletzt auf eine breite gesellschaftliche und politische Unterstützungsbasis zurück – etwas, das man sich bei anderen Digitalisierungsbemühungen in Deutschland auch hin und wieder wünschen würde. So seien das „Internet der Dinge und darauf aufsetzende cyberphysische Systeme sind in modernen Fabriken heute Realität“, beschreiben die Autoren den derzeitigen Stand. Hier bleibt einzuwenden, dass dies in einigen Großunternehmen sicherlich bereits der Fall ist, zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen bisher jedoch immer noch an den Grundlagen der Digitalisierung scheitern.

Dennoch ist ein erheblicher Fortschritt auf dem Gebiet der digitalisierten industriellen Produktion erkennbar. Kagermann und Wahlster umreißen in ihrem Artikel zudem neue Ideen, die zur Weiterentwicklung von Industrie 4.0 beitragen können. Eine solche Idee ist die sogenannte „Home Workbench“, welche „die mobile Steuerung, Wartung und Reparatur von Fabrikanlagen als Softwarelösungen mit Fernzugriff auf cyberphysische Systeme bis hin zur Tele-Operation mit physischen Avataren ermöglichen“ soll. Eine solche Innovation würde beispielsweise Home Office für zahlreiche Berufszweige ermöglichen, in denen dies bisher undenkbar war und die Arbeitswelt weiter grundlegend verändern.

Zahlreiche Weiterentwicklungen sind auch dank einer sich stetig verbessernden Künstlichen Intelligenz zu erwarten. Kagermann und Wahlster sehen die Potenziale von Industrie 4.0 daher noch lange nicht als ausgereizt. Der Artikel „Deutschlands Zukunft : Zehn Jahre Industrie 4.0“ der beiden Wissenschaftler ist hier nachzulesen: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/digitale-technik/digitalisierung-der-produktion-zehn-jahre-industrie-4-0-17267696.html.

Zu wenige Chief Digital Officer in deutschen Unternehmen

Hamburg. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Branchenverbandes Bitkom unter deutschen Unternehmen zeigt: Nicht einmal jedes fünfte Unternehmen hat einen Chief Digital Officer (CDO) oder Leiter Digitalisierung. Und nur die Hälfte der vorhandenen Posten ist auf der Geschäftsführungs- oder Vorstandsebene angesiedelt. Noch weniger entwickelt ist bei den deutschen Unternehmen die Position des Chief Experience Officer (CXO), also der Person, die für das digitale Kundenerlebnis – die Customer Journey – verantwortlich ist.

Für Bernd Lohmeyer, der als Inhaber von lohmeyer | Business UX seit vielen Jahren Unternehmen und Behörden europaweit zum digitalen Wandel berät, liegt darin ein entscheidendes Versäumnis, das die Existenz zahlreicher Firmen bedroht. „Während viele Unternehmen selbst bei grundlegenden Fragen der Digitalisierung noch hinterherhinken, gehen die Trends schon deutlich weiter“, erläutert Lohmeyer. „Künstliche Intelligenz, autonome Spracherkennung, smarte Textilien oder Biosensoren sind nur einige Beispiele dafür, welche Technologien in Zukunft die Customer Journey optimieren werden.“

Insbesondere disruptive Innovationen digitaler Plattformen wie Google und Amazon bedrohen klassische Geschäftsmodelle und Unternehmen. „Nicht nur große Konzerne, sondern auch kleinere und mittelständische Unternehmen brauchen daher dringend verantwortliche Führungskräfte, die diese neuen Technologien im Blick behalten, neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln und diese in die Unternehmensstrategie integrieren. So können sie die Customer Journey stetig ausbauen und verbessern“, empfiehlt Unternehmensberater Lohmeyer.

“Digital Customer Experience ist eine strategische Unternehmensherausforderung und muss im Unternehmen dementsprechend positioniert sein.”

Unternehmen, die darauf vertrauen, dass beispielsweise der Chief Marketing Officer (CMO) die Digitalstrategie nebenbei mitentwickle, hätten die Bedeutung der Digitalisierung verkannt, kritisiert Lohmeyer. „Eine sinnvolle Digitalstrategie gibt es nicht ohne die entsprechenden Strategen. Die digitale Entwicklung hat so rasant zugenommen, dass sonst ganze Geschäftsmodelle und Unternehmen von heute auf morgen obsolet sein können. Daher muss der CDO und der CXO in deutschen Vorstandsetagen Standard werden“, fordert der Digitalisierungsexperte. Dieser müsse dabei auch das Verhältnis zwischen Kundenerlebnis und -vertrauen im Blick behalten. „Gerade in Deutschland ist den Nutzerinnen und Nutzern Privatsphäre und Datenschutz extrem wichtig.“ Auch dies müsse in der Digitalstrategie berücksichtigt werden und erfordere umfassendes Know-how.

In seinem vor zwei Jahren erschienenen Fachbuch „UX für Führungskräfte – Besser führen, entspannter leben“ fordert Digitalisierungsberater Bernd Lohmeyer eine möglichst flächendeckende Einführung des CXO in deutschen Vorstandsetagen und bereitet das Thema User und Customer Experience speziell für Führungskräfte auf. Angesichts der aktuellen Zahlen der Bitkom-Studie sieht er sich in seinem Ansatz bestätigt. „Die Digitalkompetenz in vielen deutschen Vorstandsetagen ist noch nicht weit genug ausgebaut. Dies spiegelt sich dann im gesamten Unternehmen wider“, warnt Lohmeyer. Immer mehr Unternehmen setzen daher auf externe Berater oder Interimsmanager für den CDO- oder CXO-Posten. „Auch dies kann ein Erfolgsmodell sein und dem Unternehmen helfen, verlorenen Boden wieder gut zu machen und konkurrenzfähig zu bleiben“, so Lohmeyer. Langfristig sei jedoch eine feste Verankerung der Position im Vorstand der einzig richtige Schritt.

Siehe hierzu auch den Artikel in IT Management Experience Driven Enterprise.

Ohne digitale Teilhabe droht eine Spaltung der Gesellschaft

Hamburg. Viel wurde und wird angesichts der Corona-Krise darüber diskutiert, was Unternehmen, Staat und Behörden tun müssen, um fitter für die Digitalisierung zu werden: Infrastruktur ausbauen, Homeoffice ermöglichen, digitale Kommunikation fördern, digitalen Kundenservice ausweiten und vieles mehr. Diese Forderungen sind allesamt sinnvoll und berechtigt. Doch Angebote für die Arbeit von Zuhause, mehr Onlineshopping oder das Erledigen von Bankgeschäften oder Bewerbungen über spezielle Apps laufen ins Leere, wenn sie nur wenig genutzt werden. Gründe dafür können ein fehlendes Interesse an den digitalen Angeboten, mangelnde digitale Kompetenz oder Misstrauen in die Datensicherheit sein.

Neben der technologischen und wirtschaftlichen Seite gibt es eine weitere Grenze für die Digitalisierung, die zu häufig außer Acht gelassen wird: Der Mensch. So stellte beispielsweise das US-Unternehmen Jumio, ein Spezialist für digitale Bezahlmethoden, aktuell fest, dass in den USA 40 bis 50 Prozent der Nutzer, die damit beginnen, einen Onlinebanking-Account zu eröffnen, diesen Prozess nicht abschließen. Als Grund gaben die Nutzer meist an, der Prozess sei zu kompliziert und zeitaufwendig. Dagegen ist User Experience Design (UX) eine machtvolle Waffe, die digitale Customer Journeys für hohe Kundenzufriedenheit und wirtschaftlichen Erfolg entwickelt.

Aber es gibt auch die Seite der Nutzer. Und hier brauchen wir für eine erfolgreiche Digitalisierung eine ausgeprägtere Digitalkultur auch auf individueller Ebene. Hierfür ist es einerseits erforderlich, Wissen über digitale Angebote und Prozesse zu fördern. Andererseits trägt gutes User Experience Design dazu bei, das Vertrauen der Nutzer in digitale Produkte zu erhöhen – insbesondere in sensiblen Bereichen wie dem Banking – und diese so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten.

Gleichzeitig ist jedoch auch das Bildungswesen gefragt, digitale Bildung stärker zu fördern. Dazu gehört, sowohl digitale Inhalte zu vermitteln als auch für die digitale Teilhabe aller zu sorgen. Denn im Zuge der Corona-Krise wird einmal mehr deutlich, wie abhängig Bildung in Deutschland vom sozio-ökonomischen Background ist. Die Haushalte, in denen ein leistungsfähiger Internetanschluss, ein oder sogar mehrere Laptops, Tablets und Smartphones vorhanden sind, konnten den langfristigen Ausfall des Unterrichts einigermaßen gut kompensieren. Doch was ist mit Haushalten, in denen all das nicht vorhanden ist oder in denen sich beispielsweise Eltern und Geschwister zuletzt um Nutzungszeit für den einen vorhanden Computer streiten mussten? Hier sind die Kinder um Wochen oder sogar Monate in der Schule zurückgeworfen.

Digitale Teilhabe darf keine Frage von Herkunft und Geldbeutel sein.

Noch immer gibt es in Deutschland eine Kluft zwischen Arm und Reich im Bildungssektor und es mangelt dem Bildungssystem an der notwendigen Durchlässigkeit – auch wenn es um die Digitalisierung geht. Der DigitalPakt Schule des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ist hier höchstens ein Anfang, um Abhilfe zu schaffen. Durchschnittlich 500 Euro pro Schüler stehen den Schulen demnach für die Verbesserung ihrer digitalen Ausstattung zur Verfügung. Die Corona-Krise zeigt jedoch, dass das allein für die digitale Teilhabe nicht reicht. Notwendig wäre vielmehr eine zusätzliche und gezielte bedürfnisorientierte Unterstützung, um digitale Teilhabe auch in einem ökonomisch benachteiligten Umfeld zu fördern.

Wenn wir die Digitalisierung weiter voranbringen wollen, dann brauchen wir digitale Kompetenzen über alle sozio-ökonomischen Schichten hinweg. Sonst laufen wir Gefahr, dass Teile der Gesellschaft abgehängt werden. So spalten wir die Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die dank Bildung und ökonomischer Ressourcen die Digitalisierung meistern, und auf der anderen Seite steht ein digitales Prekariat. Eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung ist daher die digitale Teilhabe aller Bürger. Denn teilhabende Bürger sind gleichzeitig auch gestaltende Bürger.

Von einem Recht auf digitale Teilhabe wird in Zukunft nicht nur die individuelle ökonomische Sicherheit, sondern der Wohlstand der gesamten Gesellschaft abhängen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Digitalisierung keinen Selbstzweck darstellt. Schon 2016 hat der UN-Menschenrechtsrat den Zugang zum Internet zum Menschenrecht erklärt. In der aktuellen Krise wird die Bedeutung dieses Rechts deutlich. Digitalisierungsvorreiter Estland beispielsweise hat das Recht auf Internet als soziales Grundrecht in der Verfassung verankert. Auch Frankreich hat bereits 2009 den Zugang zum Internet als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen. Im deutschen Grundgesetz fehlt ein solcher Artikel bisher. Rechtlich gehört in Deutschland ein Breitband-internetanschluss bisher nicht zur Grundversorgung. Auch hierzulande müssen wir jedoch das Bewusstsein dafür schärfen, dass digitale Teilhabe in Zukunft auf einer Stufe mit Grundrechten wie dem Zugang zu sauberem Trinkwasser oder Bildung zu sehen ist. Nur so kann man vermeiden, dass die Digitalisierung den Zusammenhalt der Gesellschaft durch die Spaltung in gestaltende Bürger auf der einen und digitales Prekariat auf der anderen Seite gefährdet.

Siehe auch die Initiative #digitalmiteinander am Digitaltag 2020.

Und den Kommentar bei it-daily.net.

#Bildungspakt #DigitaleTeilhabe #Digitalisierung #digitalmiteinander

So funktioniert Home-Office richtig

Hamburg. Die aktuelle Ausbreitung des Corona-Virus führt in vielen Unternehmen zu einer drastischen Veränderung der Arbeitskultur. Home-Office heißt vielfach die Lösung. Doch das ist kein Selbstgänger. Home-Office muss ein Unternehmen erst einmal können. Wichtiges Stichwort zum Gelingen: User Experience.

Home-Office bedeutet, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen und Reisetätigkeiten reduziert werden. Was für viele Angestellte attraktiv klingt und in Zeiten einer Virusepidemie grundsätzlich eine sinnvolle Maßnahme sein kann, bringt für Unternehmen jedoch große Probleme mit sich. Die gewohnten Kanäle der Kommunikation sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit den Kunden sind plötzlich gestört. Kommunikation geht häufig parallel und unabgestimmt vonstatten – dies führt zu Effizienzverlusten und nicht zuletzt auch zu Verwirrung und Ärger auf der Gegenseite.

Bernd Lohmeyer von lohmeyer Business UX empfiehlt:

„Unternehmen müssen beachten, dass sie ihre Daten und Prozesse über das Internet erreichbar machen. Sie müssen zudem darauf achten, dezentrales Arbeiten in ihre Customer und Employee Journeys zu integrieren.“

Das heißt, auch in technischer Hinsicht müssen die nicht geringeren Herausforderungen beachtet werden. Mitarbeiter können häufig nur über die private Infrastruktur kommunizieren. Doch nicht alle in der Mitarbeiterschaft wohnen in einem urbanen Zentrum. Lohmeyer: „Gerade im ländlichen Raum ergeben sich Probleme durch langsame oder instabile Internetverbindungen. Die Videokonferenz kann schnell zum Fiasko werden.“ Und selbst wenn die Internetverbindung stabil bleibt – für effizientes Online-Co-Working braucht es neben einer gut entwickelten IT-Infrastruktur auch Tools und das nötige Know-how bei den Nutzern. Die meisten Unternehmen sind derzeit nicht ausreichend darauf vorbereitet, in der aktuellen Krisensituation Home-Office als Lösung so umzusetzen, dass die veränderte Arbeitsstruktur nicht zu wirtschaftlichen Schäden führt.

Die Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, zügig Maßnahmen umzusetzen, um ihre Prozesse und Infrastruktur den veränderten Arbeitsbedingungen anzupassen – auch um in zukünftigen Krisensituationen besser vorbereitet zu sein. Gerade größere Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt damit beschäftigt, ihre digitalen Arbeitsprozesse zu optimieren. „Spätestens ab jetzt muss dabei das Home-Office konsequent mitgedacht und eingebunden werden“, betont Lohmeyer. „Dies erfordert zum einen kompetentes Prozessmanagement, zum anderen auch die entsprechende ,handwerkliche‘ Umsetzung durch IT-Experten.“ Für viele Firmen stellt sich hier jedoch bereits die Frage, was diesbezüglich inhouse überhaupt zu leisten ist. Hilfestellung durch externe Berater und Dienstleister ist häufig vonnöten.

Vor diesem Hintergrund gilt es, Unternehmensdaten und -prozesse über das Internet erreichbar zu machen. Das bedeutet: zuerst analysieren und dann digitalisieren. Dabei muss man nicht nur die technischen Aspekte betrachten. Lohmeyer erklärt: „Insbesondere User und Customer Experience muss der Treiber sein. So bleibt das Unternehmen funktionsfähig, auch wenn die Hälfte der Belegschaft nicht vor Ort arbeitet.“ Über die aktuelle Krise hinweg straffen Unternehmen dadurch einerseits ihre Kostenstruktur, andererseits gewinnen sie mit flexiblen Arbeitsmodellen als Arbeitgeber an Attraktivität. Diese Krise zeigt, wie wichtig die Digitalisierung für alle Unternehmen ist. Zeit, es nun wirklich konsequent anzugehen.

Veröffentlicht bei it-Daily.net.

#DigitalDisruption #CustomerJourney #Digitalisierung #Innovation #DigitalerWandel