Kategorie-Archiv: digitalisierung

Entwicklung der Künstlichen Intelligenz: Zu schnell für Regulierungen

„Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Mit diesem Satz hat Angela Merkel 2013 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Barack Obama für viel Spott und Häme gesorgt. Denn besonders die sozialen Netzwerke verloren keine Zeit, um sich über diesen vermeintlichen Patzer der damaligen Bundeskanzlerin zu amüsieren. Wer Internet für Neuland hält, stecke doch im 20. Jahrhundert fest. Tatsächlich ist die Wirklichkeit eine andere: Wer das Internet nicht für Neuland hält, hat die Tragweite der digitalen Revolution nicht erfasst. Das galt damals – genauso wie heute.

Die Künstliche Intelligenz führt uns diesen Sachverhalt dieses Jahr besonders deutlich vor Augen. Die rasante Entwicklung der KI sorgt weltweit für Erstaunen. Auch Frank Hutter, Professor am "Machine Learning Lab" der Universität Freiburg zeigt sich gegenüber dem ZDF beeindruckt: „Wenn man das Forschungswachstum der letzten Monate betrachtet, wären das normalerweise zehn Jahre Entwicklung.“ Viel zu schnell, um von einer vergleichsweise behäbigen Gesetzgebung reguliert werden zu können. Mehr als tausend führende Tech-Experten fordern deswegen in einem offenen Brief eine sechsmonatige Entwicklungspause in der KI-Forschung. Dabei gehe es nicht darum, KI-Forschung als Ganzes zu pausieren, sondern nur das Wettrennen der Tech-Giganten um die mächtigste KI, so Frank Hutter.

Wie gefährlich ist KI?

Die Unterstützer des offenen Briefes sehen die Gefahr eines Vertrauensverlustes in der Kommunikation. Immer menschlicher wirkende KI-Tools könnten Millionen authentisch aussehende Fake-Accounts auf Plattformen erstellen und Fake News verbreiten oder Wahlen beeinflussen. Weiter könnten KI-Systeme Einseitigkeit, Vorurteile und Rassismus aufgrund bestimmter Trainingsdaten weiterverbreiten. Zudem gebe KI autoritären Staaten die Möglichkeit zur ‚Totalüberwachung‘ einer Gesellschaft.

Den Gefahren der KI steht natürlich eine lange Liste von Potenzialen wie Automatisierung oder die Steigerung der Produktivität gegenüber. Außerdem würden die Fortschritte im KI-Bereich laut Hutter große Hoffnung bei der Krebsforschung machen. Das Problem liegt vor allem in der fast schon monopolartigen Dominanz der digitalen Big-Player bei der KI-Forschung. Die Ethik-Kodizes zu Aspekten wie Datenschutz oder Transparenz werden von großen Onlineplattformen schon seit Jahren ignoriert. Juristisch bindende Regulierungen fehlen bisher. Deswegen fordert die Medienethikerin Dr. Jessica Hessen von der Universität Tübingen eine Offenlegungspflicht für Filter und Algorithmen, die bei KI-Anwendungen verwendet werden.

Das Neuland erkunden

Ob die geforderte Forschungspause eine umsetzbare Lösung darstellt, bleibt fraglich. Trotzdem stößt der offene Brief die richtige Debatte an. Denn Künstliche Intelligenz ist für uns alle Neuland. In einem Neuland warten Potenziale und Gefahren. KI-Forschung, Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam einen Weg finden, um Potenziale auszunutzen und Gefahren zu umgehen. Lasst uns aus diesem Prozess außerdem Lehren ziehen – die KI wird nicht das letzte unbekannte Land in der großen Welt des Internets bleiben.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens

Lernen von Israel

In den deutschen Arztpraxen tritt eine verschlafene Digitalisierung besonders deutlich zu Tage. Während ich mir im Wartezimmer auf meinem Smartphone einen Vortrag aus den USA in Echtzeit angucken kann, erhalte ich von meinem Arzt zum Abschied ein Stempel in mein Heft und eine Röntgenaufnahme in einer Mappe. Solche Ambivalenzen verdeutlichen: Das deutsche Gesundheitssystem muss dringend digitalisiert werden. Dabei wäre eine elektronische Patientenakte alles andere als eine Revolution. In Israel existiert eine solche Patientenakte schon seit über 20 Jahren. Nicht ohne Grund hat der Impfstoff-Lieferant Pfizer schon im ersten Jahr der Pandemie einen Handel mit der israelischen Regierung abgeschlossen. Israel erhielt genügend Impfstoff und lieferte an Pfizer im Gegenzug die beim Impfprozess gewonnenen anonymisierten Daten des bestens digitalisierten Gesundheitssystems. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach musste gegenüber der Süddeutschen bedauernd anerkennen: "Was Sie tun, können wir nicht." Die digitalen Patientendossiers in Israel registrieren jeden Arztbesuch, jede Diagnose und jedes verschriebene Medikament. Das erleichtert nicht nur das Leben der Ärztinnen und Ärzte. Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Gesundheitsdaten in Krisen als Basis für politische Entscheidungen notwendig sind. Gleichsam profitiert die Forschung von einem großen Datenpool. Künftig ließen sich anhand solcher Daten und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auch Risikopatienten für Herzinfarkte oder Schlaganfälle herausfiltern. Darüber hinaus haben Patienten selbst stetigen Zugriff auf ihre medizinischen Daten. So werden das Bewusstsein und die Kontrolle über die eigene Gesundheit gestärkt.

Deutschland muss jetzt lernen

In Deutschland existiert die elektronische Patientenakte zwar bereits seit 2021, doch bisher nur mit mäßigem Erfolg. Weniger als ein Prozent der Deutschen nutzen diese auch. Deswegen soll 2024 bei gesetzlich Versicherten das sogenannte Opt-out-Verfahren eingeführt werden. Dabei müssen Versicherte eigens widersprechen, wenn sie die elektronische Akte nicht erhalten wollen. Mit der Allianz hat auch die erste private Krankenversicherung im November 2022 die elektronische Patientenakte eingeführt. Weitere private Versicherer haben angekündigt, bis zum Ende dieses Jahres nachzuziehen. Ob die digitalen Daten in naher Zukunft für zentrale Forschung verwendet werden können, ist unklar. Es gibt Zweifel daran, ob gesundheitsbezogene Daten in jedem Fall anonym bleiben. Einen Skandal mit digitalen Patientenakten hat es jedoch auch nach Jahrzehnten in Ländern wie Israel oder England nicht gegeben. Wir sollten von den digitalisierten Gesundheitssystemen dieser Länder lernen. Es geht nicht darum ein Gesundheitssystem zu kopieren, sondern Erkenntnisse zu erlangen und richtige Schlüsse zu ziehen. So gibt es in Israel aufgrund der Sorge zur persönlichen und nationalen Sicherheit einen anderen Bezug zum Datenschutz als in Deutschland. Trotzdem müssen auch wir erkennen: Gesundheitsdaten sind privat und schützenswert, doch seit jeher auch die Grundlage unserer medizinischen Erkenntnisse. Wir sollten schnell die Digitalisierung vorantreiben und einen angemessenen Umgang mit den Daten finden – im Sinne des medizinischen Fortschritts.

Meilenstein Chat GPT

Kann Künstliche Intelligenz UX Designer ersetzen?

Es ist zurzeit das Thema der Stunde. Künstliche Intelligenz – genauer gesagt – die KI-Software Chat GPT. 100 Millionen Menschen greifen mittlerweile monatlich auf den Text-Roboter zu. Das von OpenAI entwickelte Sprachsystem beschäftigt Schulen und Universitäten genau wie die Kreativwirtschaft. Außerdem werden neue Fragen zur Cyber-Sicherheit aufgeworfen. Kurz gesagt: Die Faszination für die neue Technologie ist groß. Dabei ist die Vorgehensweise der KI-Anwendung gar nicht so neu. Hunderte andere Services basieren schon länger auf Künstlicher Intelligenz.

Metas oberster KI-Forscher Yann LeCun wies vor kurzem in einer Pressekonferenz über Zoom darauf hin, dass die zugrundeliegende Technik von Chat GPT weder innovativ noch revolutionär sei. Nicht nur die Tech-Giganten Alphabet und Meta, sondern auch ein halbes Dutzend Start-ups besitzen ähnliche Technologien, so LeCun. Trotzdem wird in Chat GPT ein Meilenstein der Künstlichen Intelligenz gesehen. Auf Twitter und LinkedIN sprechen Tech-Enthusiasten bereits von dem iphone-Moment für die Künstliche Intelligenz. Das erste iphone hat 2007 maßgeblich den Standard für das moderne Smartphone gesetzt und damit die Welt verändert. Das entscheidende Kriterium für die Bedeutung von Chat GTP liegt in der freien Zugänglichkeit. Jeder Mensch kann sich dank Chat GPT selbst von den Fähigkeiten einer aktuellen KI-Software überzeugen lassen.

KI im UX-Design

Wenn wir bei der Künstlichen Intelligenz nun von einer ähnlichen Entwicklung wie dem iphone ausgehen, lassen sich viele Potenziale und Risiken in Gedankenspielen skizzieren. Davon bleibt natürlich auch das UX Design nicht unberührt. Schon seit Jahrzehnten wird erfolglos versucht die User Interfaces von Unternehmensanwendungen (UI Design) durch Definitionen von Prozessen und Datenmodellen automatisch zu generieren. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz kann dieses Vorhaben in Zukunft für normale Anwendungen in Verbindung mit bestimmten Frameworks tatsächlich gelingen.

Sollten sich UX-Designer also bereits nach einem neuen Arbeitsplatz umschauen? Die eindeutige Antwortet lautet: Nein. UX Design erfordert menschliche Empathie, Kreativität und Überlegungen zu Ethik und Verantwortung, die von Künstlicher Intelligenz nicht vollständig nachgeahmt werden können. Die Künstliche Intelligenz ist eher als weiteres Werkzeug im Baukasten eines UX-Designers zu verstehen. So lassen sich bei der Analyse von Daten oder der Automatisierung von Aufgaben Vorteile aus einer KI-Software schöpfen. Dabei bleibt es jedoch wichtig, dass das Designkonzept und die endgültige Umsetzung von Menschen kontrolliert und überwacht werden. Die Künstliche Intelligenz wird uns UX-Designer in Zukunft also unterstützen, aber nicht ersetzen.

Dieser Artikel ist übrigens von einem Menschen geschrieben.

Hamburg: Modellregion für Mobilität

Die Sicht eines Hamburgers

Die Hansestadt-Hamburg ist bereits für einige Merkmale bekannt: die vielen Brücken, die Elbphilharmonie, das klassische Moin Moin – als Hamburger sind mir diese Dinge natürlich sehr vertraut. Nun erlangt die Hansestadt eine weitere Besonderheit dazu. Hamburg wird zur „Metropol-Modelregion Mobilität“. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing und Hamburgs Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks Ende letzten Jahres unterzeichnet. Doch was bedeutet das für uns Hamburger eigentlich?

Verkehr der Zukunft ist digital und autonom

Eines der Projekte im Zuge der „Metropol-Modellregion Mobilität“ in Hamburg ist das autonome Fahren. Bis 2030 sollen 10 000 autonome Fahrzeuge auf den Straßen Hamburgs unterwegs sein. Um eine autonom fahrende Sammeltaxi-Flotte in den öffentlichen Nahverkehr zu integrieren, arbeitet die Stadt mit Volkswagen und Sammeltaxi-Anbieter Moia zusammen. Bereits dieses Jahr soll es erste Erprobungsfahrten in den Stadtteilen Uhlenhorst und Winterhude geben. Martin Röhrleef, Verkehrsexperte für autonomes Fahren, bezeichnet die Zielsetzung des Projektes gegenüber dem Hamburg Journal als ambitioniert, aber auch realistisch.

Digitalisiertes urbanes Mobilitätssystem

Des Weiteren ist in Hamburg der Einsatz einer digitale Verkehrslenkung sowie autonom fahrender LKWs geplant, um die Mobilitätswende voranzutreiben. Langfristig soll in Hamburg ein neues, digitalisiertes urbanes Mobilitätssystem entwickelt werden, das in ganz Deutschland die Grundlage für entsprechende Konzepte bietet. Volker Wissing lobt das experimentierfreudige Klima für neue Mobilitätsformen in Hamburg und sagt: „Angesichts zunehmender Verkehre brauchen wir mehr denn je neue Technologien, um Mobilität klug zu lenken und die bestehende Infrastruktur effizient zu nutzen.“ Ein weiterer Baustein der Modellregion für Mobilität ist die Bewerbung um die Ausrichtung des UITP-Weltkongresses. Mit der zugesagten Unterstützung des Bundes könnte die internationale Messe für den ÖPNV 2025 oder 2027 in Hamburg stattfinden. Weitere mögliche Projekte sollen in den nächsten Schritten herausgearbeitet werden.

Kritik vom ADFC

Kritik zur Modelregion gibt es indes vom Fahrrad-Club ADFC. Das autonome Fahren konterkariere die Verkehrswende. Statt fahrerlose Autos sollten der Umweltverbund aus öffentlichem Nah-, Rad- und Fußverkehr priorisiert werden, so ADFC-Sprecher Dirk Lau. Trotzdem bleibt zu konstatieren: Die Digitalisierung und Automatisierung des Verkehrs ist ein wichtiger Bestandteil einer fortschrittlichen Mobilität. Die Metropol-Modellregion Mobilität ist ein sinnvoller Schritt, um unsere schöne Hansestadt als Pionier der Mobilität zu positionieren. Gleichzeitig ist die Kritik des ADFC berechtigt. Die Lösung scheint einfach wie offensichtlich: Weitere Projekte der Modellregion für Mobilität sollten sich auf intelligente Lösungen beim Rad- und Fußverkehr fokussieren. So kann Hamburg in Zukunft für deutsche Städte in allen Bereichen als Vorbild der Mobilität gelten.

Katastrophe? Ich wurde nicht gewarnt!

Die neue Warntechnik Cell Broadcast im Testdurchlauf

Donnerstag, 8. Dezember 2022, 11:00 Uhr: In ganz Deutschland schlagen Millionen von Handys Alarm – mein Smartphone bleibt stumm. Im Falle einer Katastrophe, hätte mich eine Warnung also nicht auf schnellstem Wege erreicht. Zum Glück handelt es sich nur um einen Testdurchlauf am bundesweiten Warntag. Neben den klassischen Kommunikationswegen wie Radio, Fernsehen oder Sirene wurde erstmals auch das System Cell Broadcast eingesetzt. Es soll Notfallwarnungen direkt auf die Smartphones der Bürger schicken.

Ein Blick ins Internet genügt, um herauszufinden, dass die Notfallmeldung nicht nur auf meinem Smartphone ausgeblieben ist. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So kann ein ausgebliebener Alarm an fehlenden Updates oder veralteter Hardware liegen. Außerdem haben wir noch immer kein flächendeckendes Mobilfunknetz. Doch es scheinen noch nicht alle Probleme des Cell Broadcasts bekannt zu sein. Für den fehlenden Alarm auf meinem Smartphone bleibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zum Beispiel eine Erklärung schuldig. Die stellvertretende Unionsfraktionschefin Andrea Lindholz äußerte in diesem Zusammenhang deutliche Kritik: „Eine flächendeckende Warnung der Bevölkerung sieht anders aus. Trotz des neuen Warnmittels Cell Broadcast wurden erhebliche Teile der Bevölkerung wieder nicht erreicht.“ Der BKK-Präsident Ralph Tiesler zog hingegen eine positive Bilanz, räumte jedoch auch Verbesserungsbedarf „an der einen oder anderen Stelle“ ein. Daten für eine fundiertere Auswertung lägen frühstens im Januar 2023 vor.

Trotz Pannen ein wichtiger Schritt

Der von Ralph Tiesler formulierte Verbesserungsbedarf steht außer Frage. Trotzdem ist der bundesweite Probealarm und das neue Cell Broadcast System ein Schritt in die richtige Richtung. Die dynamischen Kommunikationswege unserer Zeit müssen auch für den Katastrophenschutz zugänglich werden. Warn-Apps wie Katwarn oder Nina stehen zwar schon länger zur Verfügung, erreichen jedoch nicht die breite Bevölkerung. Lediglich 13 Millionen Nutzer haben die Warn-App NINA heruntergeladen. Das neue Cell Broadcast System hat das Potenzial in Notfällen und bei Katastrophen schnell, einfach und zielgenau eine große Anzahl von Menschen zu informieren. Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat erneut gezeigt, dass es sich hierbei nicht nur um Gedankenspiele handelt. Die Ergebnisse des Probealarms müssen jetzt wirksam ausgewertet werden, um Korrekturmaßnahmen einleiten zu können. Letztlich werden Probedurchläufe genau für diesen Zweck konzipiert. Es gilt also die Kritik konstruktiv aufzunehmen und den Blick nach vorne zu richten. Dann wird mich in Zukunft auch mein Handy vor tatsächlichen Katastrophen rechtzeitig warnen können.

Ein effektives Warnsystem ist übrigens nur ein Baustein des gesamten Krisenmanagements. Um tiefer in diese komplexe und relevante Thematik einzusteigen, empfehle ich meine aktuelle Podcastfolge: Bernds Customer Journey - Wie Enterprise UX die Effizienz von Krisenmanagement steigert.

Zielscheibe Kritische Infrastruktur

Das Thema Kritische Infrastruktur hat dieses Jahr in Politik und Medien zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. So hat ein neuer Koordinierungsstab der Bundesregierung zum Schutz Kritischer Infrastrukturen im Oktober seine Arbeit aufgenommen. Auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser verkündete kürzlich gegenüber dem Spiegel: „Der Schutz unserer kritischen Infrastrukturen hat höchste Priorität.“ Diese Prioritätensetzung ist nicht nur gerechtfertigt, sondern längst überfällig. Schließlich handelt es sich bei Kritischer Infrastruktur um Einrichtungen aus den Sektoren Energie, Verkehr, Wasser, Ernährung, Staat und Verwaltung, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation. Eine grundlegende Bedrohung für die Kritische Infrastruktur liegt in Naturereignissen wie extremen Wetterphänomenen. Doch als Einrichtungen, die für das Funktionieren von Staat und Gesellschaft von grundlegender technischer Bedeutung sind, stellen sie ebenfalls ein attraktives Angriffsziel dar. Experten monieren schon länger, dass vor allem der Cyberschutz in Deutschland zu wenig ausgeprägt sei. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Sabotageakte an den Ostsee-Pipelines und der Bahn-Infrastruktur haben die Relevanz von notwendigen Schutzmaßnahmen jetzt auch den politischen Akteuren verdeutlicht.

Schutz durch Künstliche Intelligenz

Einen Beitrag zum Schutz von Kritischer Infrastruktur können Forschung und Wissenschaft leisten – etwa mithilfe Künstlicher Intelligenz. Die fortschreitende Digitalisierung der Kritischen Infrastruktur führt zu einer starken Vernetzung zwischen den verschiedenen Sektoren. Durch einen längerfristigen Stromausfall könnte es zum Beispiel zu weitreichenden Folgen in anderen Bereichen der Kritischen Infrastruktur kommen. Gerade bei hochkomplexen, vernetzten Systemen besteht die Gefahr, dass Fehler im System übersehen oder zu spät erkannt werden. Die Künstliche Intelligenz kann hier Abhilfe leisten: Als eine Art Frühwarnsystem kann sie mögliche Schwachstellen in technischen Systemen rechtzeitig erkennen und beheben. An der Universität Oldenburg wird Künstliche Intelligenz als Schutzmaßnahme für das sichere Betreiben von Kritischer Infrastruktur bereits untersucht. Mit Hilfe von Algorithmen werden Netzdaten und Kommunikation in Simulationen getestet. So können Fehler und Störungen frühzeitig gefunden und die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen, durch eigenständiges Lernen erhöht werden. Neben der Forschung existiert eine Reihe weiterer Maßnahmen, die Kritische Infrastruktur vor Störungen oder Ausfällen schützen sollen. Bund, Kommunen oder auch einzelne Institutionen führen beispielsweise Übungsszenarien und Managementübungen durch, um im Ernstfall besser reagieren zu können. Doch für einen umfassenden, nachhaltigen Schutz könnte der Mehrwert einer Künstlichen Intelligenz die entscheidende Komponente sein.

Das Problem Elektroschrott

Wer kennt es nicht: Ein Elektrogerät geht kaputt und ein neues wird gekauft. Ob Smartphone, Kühlschrank oder Waschmaschine – der Neukauf wird einer Reparatur oftmals vorgezogen. In der breiten Gesellschaft hat sich im Bezug auf Elektrogeräte eine Wegwerfmentalität etabliert. Die Konsequenz ist ein wachsender Müllberg an Elektroschrott. Laut einer Prognose des Global E-Waste-Monitors wird die weltweite Menge von 53,6 Millionen Tonnen im Jahr 2019 auf 74,7 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen. In der EU werden zudem nur rund 40% des anfallenden Elektroschrotts recycelt. Eine Erhöhung der Recyclingquote wäre zwar sehr sinnvoll, jedoch noch nicht die Lösung des Problems. Denn viele der kritischen Rohstoffe in Elektrogeräten können gar nicht zurückgewonnen werden. Stattdessen müssen Elektrogeräte wieder vermehrt repariert werden.

Die Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang der Elektrogeräte liegt nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch bei der IT-Branche selbst. Kritiker unterstellen der Industrie sogar geplante Obsoleszenz. Nachweisen lässt sich der geplante Einbau von sogenannten Sollbruchstellen nicht. Fakt ist jedoch: Hersteller haben kein Interesse an einem besonders langen Lebenszyklus ihrer Produkte. Schließlich sollen die Verkaufszahlen der neusten Modelle möglichst hoch sein. Auch funktionale Obsoleszenz verkürzt die Nutzungsdauer der Elektrogeräte. So werden alten Geräten zum Beispiel keine Updates mehr zur Verfügung gestellt oder Funktionen werden eingeschränkt. Verbraucher sollen dazu verleitet werden, auf neuere Produkte umzusteigen.

Die Politik hat die Notwendigkeit zur Reparatur mittlerweile erkannt. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke verwies gegenüber der Tagesschau auf Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag angekündigt sind: "Mit dem Recht auf Reparatur werden wir einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gehen". Mit Hilfe eines Reparierbarkeitsindex soll die Lebensdauer von Produkten transparenter gemacht werden. Dass funktionierende Mobiltelefone werggeworfen werden, nur weil der Akku nicht mehr funktioniere, müsse verhindert werden, so Steffi Lemke. In Frankreich gibt es einen solchen Reparierbarkeitsindex bereits. Der Anfang 2021 eingeführte Index informiert anhand verschiedener Kriterien darüber, wie einfach sich Smartphones, Laptops, Fernseher, Rasenmäher oder andere Geräte reparieren lassen. Ein Kriterium ist zum Beispiel die Zerlegbarkeit und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Eine weitere Inspiration in Deutschland bietet Thüringen. Das Bundesland bezuschusst jeden Haushalt in der Reparatur von Elektrogeräten mit bis zu 100 Euro im Jahr.

Der Handlungsbedarf in diesem Bereich zeigt sich an einer einfachen Rechnung des Öku-Instituts: Würden Haushalte ihre Laptops, Handys, Fernseher und Waschmaschinen länger nutzen, könnten allein in Deutschland bis zu vier Millionen Tonnen CO2 im Jahr gespart werden. Der Verbraucher benötigt für dieses Anliegen die notwendige Unterstützung. Die Politik muss die Weichen richtig stellen und die IT-Branche sollte sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Nur mit einem nachhaltigen Umgang können die begrenzten Rohstoffe auch in Zukunft für innovative Entwicklungen verwendet werden.

Die gefährliche Abhängigkeit der Elektroindustrie

Autos, Smartphones, Elektrogeräte. All diese Produkte haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Herstellung ist auf Elektrochips angewiesen. Es benötigt also keinen Wirtschaftsweisen, um zu erkennen, dass ein Halbleitermangel weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. Die Automobilindustrie hat die Folgen von Lieferengpässen bereits schmerzhaft zu spüren bekommen. So hat der Chipmangel 2021 Teile der weltweiten Autoproduktion lahmgelegt. Die Unternehmensberatung AlixPartner schätzt, dass die deutsche Fahrzeugproduktion frühstens 2024 wieder das Niveau vor Beginn der Pandemie erreichen wird.

Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie ist dagegen bislang gut durch die aktuellen Krisen gekommen. Doch trotz eines dicken Auftragsplus blickt der Branchenverband ZVEI mit Sorge in die Zukunft. Der Grund dafür liegt in dem schwelenden Konflikt zwischen China und Taiwan. Während Chinas Staatspräsident Xi Jinping Taiwan als „abtrünnige Provinz“ bezeichnet und den demokratischen Inselstaat als Teil der Volksrepublik an China anschließen will, unterstützen die USA die Unabhängigkeit von Taiwan. Ein Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhaus Nancy Pelosi schürte erst kürzlich weitere Spannungen.

Eine Eskalation des Konfliktes könnte fatale Folgen für die europäische Wirtschaft haben. Denn Taiwan stellt die so dringend benötigten Halbleiter her. Etwa zwei Drittel der weltweit benötigten Mikrochips werden auf dem Inselstaat produziert, überwiegend von dem Unternehmen Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Sollte es zu einer Beschneidung von Handelswegen kommen, hätte dies massive Auswirkungen auf die Wertschöpfungsnetzwerke rund um die High-Tech-Industrie. Auch wirtschaftliche Sanktionen gegenüber China wären nur schwierig umzusetzen. Oliver Blank, Leiter Global Affairs beim ZVEI-Verband der Elektro- und Digitalindustrie erklärt gegenüber dem manager magazin: „China ist der größte Elektromarkt der Welt – das kann man nicht ignorieren, auch wenn sich politische Rahmenbedingen verändern. Der Preis für eine komplette Entkoppelung von China wäre gigantisch hoch, denn diesen Markt wird man so schnell nicht ersetzen können“.

Was für Gefahren eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit birgt, machen derzeit der Krieg in der Ukraine und die europäische Gasmangellage deutlich. Die USA versucht derweil die Mikrochips mit einem Subventionsprogramm von 52 Milliarden Dollar zurück nach Amerika zu holen. Weiter hat Apple angekündigt, die iphone-14-Produktion von China nach Indien zu verlegen. Die wirtschaftliche Entkopplung von China kostet jedoch viel Zeit und Geld. Deswegen scheint eine Sache sicher: Die deutsche Elektroindustrie muss auch die nächsten Jahre noch mit Sorge auf den Konflikt zwischen China und Taiwan schauen.

Nachhaltige Digitalisierung

Der Klimawandel gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. In gesellschaftlichen Debatten darf deshalb der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht fehlen. Das gilt auch für die Digitalisierung. Denn die Digitalisierung birgt zwar großes Potenzial für Einsparungen von CO2-Emissionen, jedoch verbraucht die Tech-Branche ebenfalls eine große Menge Energie.

Der Digitalisierungsschub im ersten Corona Lockdown hat die Möglichkeiten zu CO2-Einsparungen gezeigt: Geschäftsreisen werden durch Videokonferenzen ersetzt und Arbeiten im Homeoffice reduziert das Verkehrsaufkommen enorm. Neben diesen offensichtlichen Einsparungen bietet eine beschleunigte Digitalisierung noch weiteres Potenzial. So können im Logistikbereich Frachtrouten optimiert und Leerfahrten vermieden werden. Laut Juniper Research ließe sich durch intelligentes Verkehrsmanagement bis 2027 weltweit 205 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Des Weiteren kann der Einsatz von digitalen Zwillingen in der Industrie einen Beitrag leisten. Durch das virtuelle Abbild einer Produktionsanlage kann diese ressourcenschonen getestet und Prozessabläufe optimiert werden.

Gleichzeitig kostet der technologische Fortschritt auch Energie. Der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI), Christoph Meinel, taxiert die CO2-Emissionen der Digitalisierung selbst bereits doppelt so hoch wie die des globalen Flugverkehrs. Allein die Digitalwährung Bitcoin benötige so viel Energie, wie ganz Belgien verbrauche.

Die Ökobilanz der Digitalisierung hängt maßgeblich von ihrem Energiebedarf ab. Das gute ist: Das Potenzial der CO2-Einsparungen ist um ein Vielfaches höher als der CO2-Ausstoß selbst. Doch in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels sollte die Nachhaltigkeit, ähnlich wie Sicherheit und Datenschutz, von Anfang an mitgedacht werden.

Derzeit fehlen noch grüne Standards in der IT. Auch abseits der Debatten über zum Beispiel das Mining von Kryptowährungen gibt es Ansätze für eine grüne Software-Entwicklung. 90 % der heutigen Software enthält Open-Source-Code mit meistens redundanten Abschnitten für den Nutzer. Sogenannte „Tree-Shaking“-Engines können „toten“ Code finden und entfernen. Generell bedeutsam ist es, wenn wir alle Datendisziplin erlernen und tatsächlich umsetzen, wie es in den Anfängen des Internets bei den Website-Entwicklern üblich war.

Auf den ersten Blick mag es nach bedeutungslosen Einsparungen klingen, doch bei Milliarden von Nutzern summieren sich die Einsparungen schnell in die Höhe. Deswegen sind auch die Hebelwirkungen bei viel genutzten Applikationen, wie denen vom Softwarehersteller SAP, und ganz besonders bei weltweiten Social Media Plattformen enorm groß.

Eine Inspiration für umweltfreundliches Programmieren rollt derzeit über den Mars. Der Rover „Perseverance“ sowie seine zahlreichen Instrumente werden von seinem Bordcomputer mit einem 200-Megahertz-Prozessor und zwei Gigabyte Hautspeicher gesteuert. Das ist vergleichbar mit einem PC Mitte der 1990er Jahre.

Insgesamt lässt sich die Digitalisierung mehr als Lösung, denn als Problem des Klimawandels betrachten. Doch um eine Herausforderung wie den Klimawandel gerecht zu werden, sollten auch die Einsparpotenziale der Digitalisierung selbst in Betracht gezogen werden.

Die 15-Minuten-Stadt: Mit UX-Design zur Walkability

Bei der 15-Minuten-Stadt ist der Name Programm. Arbeitsplatz, Freizeitangebote, Grünflächen, Einkaufsmöglichkeiten, Schule, Kindergarten, Kulturangebote – alle täglichen Bedarfe sind für jeden Einwohner innerhalb von 15 Minuten zu erreichen. Und zwar nicht mit Auto, sondern zu Fuß oder mit Fahrrad. Die Versprechungen sind groß, es klingt nach Zukunftsmusik – doch sie hört sich gut an.

Aktuell ist das Leben in der Großstadt meist von langen Wegen geprägt. Die dadurch entstandenen Pendelzeiten sind auf eine Funktionstrennung der Städte zurückzuführen. So erklärt die Stadtgeographin Uta Hohn gegenüber Web-News, dass heutige Städte noch immer durch eine Trennung von Wohn-, Versorgungs- und Arbeitsgebieten gekennzeichnet sind. In der 15-Minuten-Stadt soll sich das ändern.

Dieser Gedanke ist keineswegs neu. Carlos Moreno, Urbanist und Professor an der Pariser Universität Paris I, hatte bereits vor Corona die Idee einer dezentralisierten Stadtorganisation. Alles, was man im Alltag braucht, sollte demnach von jedem Ort in 15 Minuten erreichbar sein. Der Fokus geht dabei weg vom Auto und hin zum Menschen. Die Straße wird derzeit noch für Autos und Parkmöglichkeiten geopfert. Stattdessen sollen Grünflächen, Spielplätze und Fahrradwege angelegt werden. Damit steht die 15-Minuten-Stadt ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und der Verringerung von CO2-Emissionen. Doch auch die Einwohner gewinnen an Lebensqualität: Kürzere Wege, modern „steigende Walkability“ genannt, mehr Freizeit und bessere Luftqualität wären direkte Folgen einer erfolgreichen Umsetzung.

Die Corona-Pandemie hat den Gedanken der 15-Minuten-Stadt neu entfacht. Zum Beispiel wurde deutlich, dass nicht jeden Tag tausende Menschen ins selbe Büro gehen müssen, um produktiv zu arbeiten. Allein im Home-Office zu arbeiten, führt jedoch zur Vereinsamung. In der Nähe befindliche Co-Working-Spaces könnten für dieses Problem eine Lösung bieten und sind elementarer Bestandteil der 15-Minuten-Stadt.

Erste Versuche einer Umsetzung gibt es bereits in Paris, London, Melbourne oder Detroit. Die Maßnahmen stoßen jedoch auch auf Kritik. So kritisiert die Journalistin Alice Delaleu zum Beispiel den Pariser Ansatz im Online-Magazin Chroniques d’architecture: „Durch die Schaffung der Stadt der Viertelstunde baut die Stadt neue Mauern und versinkt im Egoismus“. Fakt ist: Die Planung ist sehr komplex, viele Aspekte müssen mitgedacht werden. Hilfe könnte die Umsetzung der Konzeption vom UX-Design erhalten.

Denn die Arbeitsweisen der UX-Designer können auch bei der Gestaltung des urbanen Raums von Nutzen sein. So sollen die neuen Städte menschenzentriert sein. Methoden des UX-Design wie user research oder customer journey können helfen, die Bedürfnisse der Einwohner zu identifizieren und den Fokus auf den Menschen herzustellen. Die agilen Webmethoden blindlings zu übernehmen wird zwar nicht funktionieren, doch die Grundgedanken können auf die Stadtplanung neu übertragen werden.

Das iterative Vorgehen des UX-Designs führt außerdem zu einem kontinuierlichen Lernprozess. Dieser Prozess ist wichtig, um Herausforderungen wie Klima, wirtschaftlichen oder kulturellen Unsicherheiten gerecht zu werden.

Das UX-Design ist dabei natürlich nur ein Teil einer größeren Planung. Genauso sollten Architekten, Produktdesigner, Soziologen und andere Experten in den Prozess eingebunden sein. Doch bei einem so anspruchsvollem Zukunftsprojekt könnte das UX-Design das fehlende Puzzlestück zur erfolgreichen Gestaltung einer Stadt mit mehr Walkability sein.