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Katastrophe? Ich wurde nicht gewarnt!

Die neue Warntechnik Cell Broadcast im Testdurchlauf

Donnerstag, 8. Dezember 2022, 11:00 Uhr: In ganz Deutschland schlagen Millionen von Handys Alarm – mein Smartphone bleibt stumm. Im Falle einer Katastrophe, hätte mich eine Warnung also nicht auf schnellstem Wege erreicht. Zum Glück handelt es sich nur um einen Testdurchlauf am bundesweiten Warntag. Neben den klassischen Kommunikationswegen wie Radio, Fernsehen oder Sirene wurde erstmals auch das System Cell Broadcast eingesetzt. Es soll Notfallwarnungen direkt auf die Smartphones der Bürger schicken.

Ein Blick ins Internet genügt, um herauszufinden, dass die Notfallmeldung nicht nur auf meinem Smartphone ausgeblieben ist. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So kann ein ausgebliebener Alarm an fehlenden Updates oder veralteter Hardware liegen. Außerdem haben wir noch immer kein flächendeckendes Mobilfunknetz. Doch es scheinen noch nicht alle Probleme des Cell Broadcasts bekannt zu sein. Für den fehlenden Alarm auf meinem Smartphone bleibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zum Beispiel eine Erklärung schuldig. Die stellvertretende Unionsfraktionschefin Andrea Lindholz äußerte in diesem Zusammenhang deutliche Kritik: „Eine flächendeckende Warnung der Bevölkerung sieht anders aus. Trotz des neuen Warnmittels Cell Broadcast wurden erhebliche Teile der Bevölkerung wieder nicht erreicht.“ Der BKK-Präsident Ralph Tiesler zog hingegen eine positive Bilanz, räumte jedoch auch Verbesserungsbedarf „an der einen oder anderen Stelle“ ein. Daten für eine fundiertere Auswertung lägen frühstens im Januar 2023 vor.

Trotz Pannen ein wichtiger Schritt

Der von Ralph Tiesler formulierte Verbesserungsbedarf steht außer Frage. Trotzdem ist der bundesweite Probealarm und das neue Cell Broadcast System ein Schritt in die richtige Richtung. Die dynamischen Kommunikationswege unserer Zeit müssen auch für den Katastrophenschutz zugänglich werden. Warn-Apps wie Katwarn oder Nina stehen zwar schon länger zur Verfügung, erreichen jedoch nicht die breite Bevölkerung. Lediglich 13 Millionen Nutzer haben die Warn-App NINA heruntergeladen. Das neue Cell Broadcast System hat das Potenzial in Notfällen und bei Katastrophen schnell, einfach und zielgenau eine große Anzahl von Menschen zu informieren. Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat erneut gezeigt, dass es sich hierbei nicht nur um Gedankenspiele handelt. Die Ergebnisse des Probealarms müssen jetzt wirksam ausgewertet werden, um Korrekturmaßnahmen einleiten zu können. Letztlich werden Probedurchläufe genau für diesen Zweck konzipiert. Es gilt also die Kritik konstruktiv aufzunehmen und den Blick nach vorne zu richten. Dann wird mich in Zukunft auch mein Handy vor tatsächlichen Katastrophen rechtzeitig warnen können.

Ein effektives Warnsystem ist übrigens nur ein Baustein des gesamten Krisenmanagements. Um tiefer in diese komplexe und relevante Thematik einzusteigen, empfehle ich meine aktuelle Podcastfolge: Bernds Customer Journey - Wie Enterprise UX die Effizienz von Krisenmanagement steigert.

Zielscheibe Kritische Infrastruktur

Das Thema Kritische Infrastruktur hat dieses Jahr in Politik und Medien zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. So hat ein neuer Koordinierungsstab der Bundesregierung zum Schutz Kritischer Infrastrukturen im Oktober seine Arbeit aufgenommen. Auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser verkündete kürzlich gegenüber dem Spiegel: „Der Schutz unserer kritischen Infrastrukturen hat höchste Priorität.“ Diese Prioritätensetzung ist nicht nur gerechtfertigt, sondern längst überfällig. Schließlich handelt es sich bei Kritischer Infrastruktur um Einrichtungen aus den Sektoren Energie, Verkehr, Wasser, Ernährung, Staat und Verwaltung, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation. Eine grundlegende Bedrohung für die Kritische Infrastruktur liegt in Naturereignissen wie extremen Wetterphänomenen. Doch als Einrichtungen, die für das Funktionieren von Staat und Gesellschaft von grundlegender technischer Bedeutung sind, stellen sie ebenfalls ein attraktives Angriffsziel dar. Experten monieren schon länger, dass vor allem der Cyberschutz in Deutschland zu wenig ausgeprägt sei. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Sabotageakte an den Ostsee-Pipelines und der Bahn-Infrastruktur haben die Relevanz von notwendigen Schutzmaßnahmen jetzt auch den politischen Akteuren verdeutlicht.

Schutz durch Künstliche Intelligenz

Einen Beitrag zum Schutz von Kritischer Infrastruktur können Forschung und Wissenschaft leisten – etwa mithilfe Künstlicher Intelligenz. Die fortschreitende Digitalisierung der Kritischen Infrastruktur führt zu einer starken Vernetzung zwischen den verschiedenen Sektoren. Durch einen längerfristigen Stromausfall könnte es zum Beispiel zu weitreichenden Folgen in anderen Bereichen der Kritischen Infrastruktur kommen. Gerade bei hochkomplexen, vernetzten Systemen besteht die Gefahr, dass Fehler im System übersehen oder zu spät erkannt werden. Die Künstliche Intelligenz kann hier Abhilfe leisten: Als eine Art Frühwarnsystem kann sie mögliche Schwachstellen in technischen Systemen rechtzeitig erkennen und beheben. An der Universität Oldenburg wird Künstliche Intelligenz als Schutzmaßnahme für das sichere Betreiben von Kritischer Infrastruktur bereits untersucht. Mit Hilfe von Algorithmen werden Netzdaten und Kommunikation in Simulationen getestet. So können Fehler und Störungen frühzeitig gefunden und die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen, durch eigenständiges Lernen erhöht werden. Neben der Forschung existiert eine Reihe weiterer Maßnahmen, die Kritische Infrastruktur vor Störungen oder Ausfällen schützen sollen. Bund, Kommunen oder auch einzelne Institutionen führen beispielsweise Übungsszenarien und Managementübungen durch, um im Ernstfall besser reagieren zu können. Doch für einen umfassenden, nachhaltigen Schutz könnte der Mehrwert einer Künstlichen Intelligenz die entscheidende Komponente sein.

Das Problem Elektroschrott

Wer kennt es nicht: Ein Elektrogerät geht kaputt und ein neues wird gekauft. Ob Smartphone, Kühlschrank oder Waschmaschine – der Neukauf wird einer Reparatur oftmals vorgezogen. In der breiten Gesellschaft hat sich im Bezug auf Elektrogeräte eine Wegwerfmentalität etabliert. Die Konsequenz ist ein wachsender Müllberg an Elektroschrott. Laut einer Prognose des Global E-Waste-Monitors wird die weltweite Menge von 53,6 Millionen Tonnen im Jahr 2019 auf 74,7 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen. In der EU werden zudem nur rund 40% des anfallenden Elektroschrotts recycelt. Eine Erhöhung der Recyclingquote wäre zwar sehr sinnvoll, jedoch noch nicht die Lösung des Problems. Denn viele der kritischen Rohstoffe in Elektrogeräten können gar nicht zurückgewonnen werden. Stattdessen müssen Elektrogeräte wieder vermehrt repariert werden.

Die Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang der Elektrogeräte liegt nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch bei der IT-Branche selbst. Kritiker unterstellen der Industrie sogar geplante Obsoleszenz. Nachweisen lässt sich der geplante Einbau von sogenannten Sollbruchstellen nicht. Fakt ist jedoch: Hersteller haben kein Interesse an einem besonders langen Lebenszyklus ihrer Produkte. Schließlich sollen die Verkaufszahlen der neusten Modelle möglichst hoch sein. Auch funktionale Obsoleszenz verkürzt die Nutzungsdauer der Elektrogeräte. So werden alten Geräten zum Beispiel keine Updates mehr zur Verfügung gestellt oder Funktionen werden eingeschränkt. Verbraucher sollen dazu verleitet werden, auf neuere Produkte umzusteigen.

Die Politik hat die Notwendigkeit zur Reparatur mittlerweile erkannt. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke verwies gegenüber der Tagesschau auf Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag angekündigt sind: "Mit dem Recht auf Reparatur werden wir einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gehen". Mit Hilfe eines Reparierbarkeitsindex soll die Lebensdauer von Produkten transparenter gemacht werden. Dass funktionierende Mobiltelefone werggeworfen werden, nur weil der Akku nicht mehr funktioniere, müsse verhindert werden, so Steffi Lemke. In Frankreich gibt es einen solchen Reparierbarkeitsindex bereits. Der Anfang 2021 eingeführte Index informiert anhand verschiedener Kriterien darüber, wie einfach sich Smartphones, Laptops, Fernseher, Rasenmäher oder andere Geräte reparieren lassen. Ein Kriterium ist zum Beispiel die Zerlegbarkeit und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Eine weitere Inspiration in Deutschland bietet Thüringen. Das Bundesland bezuschusst jeden Haushalt in der Reparatur von Elektrogeräten mit bis zu 100 Euro im Jahr.

Der Handlungsbedarf in diesem Bereich zeigt sich an einer einfachen Rechnung des Öku-Instituts: Würden Haushalte ihre Laptops, Handys, Fernseher und Waschmaschinen länger nutzen, könnten allein in Deutschland bis zu vier Millionen Tonnen CO2 im Jahr gespart werden. Der Verbraucher benötigt für dieses Anliegen die notwendige Unterstützung. Die Politik muss die Weichen richtig stellen und die IT-Branche sollte sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Nur mit einem nachhaltigen Umgang können die begrenzten Rohstoffe auch in Zukunft für innovative Entwicklungen verwendet werden.

Die gefährliche Abhängigkeit der Elektroindustrie

Autos, Smartphones, Elektrogeräte. All diese Produkte haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Herstellung ist auf Elektrochips angewiesen. Es benötigt also keinen Wirtschaftsweisen, um zu erkennen, dass ein Halbleitermangel weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. Die Automobilindustrie hat die Folgen von Lieferengpässen bereits schmerzhaft zu spüren bekommen. So hat der Chipmangel 2021 Teile der weltweiten Autoproduktion lahmgelegt. Die Unternehmensberatung AlixPartner schätzt, dass die deutsche Fahrzeugproduktion frühstens 2024 wieder das Niveau vor Beginn der Pandemie erreichen wird.

Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie ist dagegen bislang gut durch die aktuellen Krisen gekommen. Doch trotz eines dicken Auftragsplus blickt der Branchenverband ZVEI mit Sorge in die Zukunft. Der Grund dafür liegt in dem schwelenden Konflikt zwischen China und Taiwan. Während Chinas Staatspräsident Xi Jinping Taiwan als „abtrünnige Provinz“ bezeichnet und den demokratischen Inselstaat als Teil der Volksrepublik an China anschließen will, unterstützen die USA die Unabhängigkeit von Taiwan. Ein Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhaus Nancy Pelosi schürte erst kürzlich weitere Spannungen.

Eine Eskalation des Konfliktes könnte fatale Folgen für die europäische Wirtschaft haben. Denn Taiwan stellt die so dringend benötigten Halbleiter her. Etwa zwei Drittel der weltweit benötigten Mikrochips werden auf dem Inselstaat produziert, überwiegend von dem Unternehmen Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Sollte es zu einer Beschneidung von Handelswegen kommen, hätte dies massive Auswirkungen auf die Wertschöpfungsnetzwerke rund um die High-Tech-Industrie. Auch wirtschaftliche Sanktionen gegenüber China wären nur schwierig umzusetzen. Oliver Blank, Leiter Global Affairs beim ZVEI-Verband der Elektro- und Digitalindustrie erklärt gegenüber dem manager magazin: „China ist der größte Elektromarkt der Welt – das kann man nicht ignorieren, auch wenn sich politische Rahmenbedingen verändern. Der Preis für eine komplette Entkoppelung von China wäre gigantisch hoch, denn diesen Markt wird man so schnell nicht ersetzen können“.

Was für Gefahren eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit birgt, machen derzeit der Krieg in der Ukraine und die europäische Gasmangellage deutlich. Die USA versucht derweil die Mikrochips mit einem Subventionsprogramm von 52 Milliarden Dollar zurück nach Amerika zu holen. Weiter hat Apple angekündigt, die iphone-14-Produktion von China nach Indien zu verlegen. Die wirtschaftliche Entkopplung von China kostet jedoch viel Zeit und Geld. Deswegen scheint eine Sache sicher: Die deutsche Elektroindustrie muss auch die nächsten Jahre noch mit Sorge auf den Konflikt zwischen China und Taiwan schauen.

Nachhaltige Digitalisierung

Der Klimawandel gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. In gesellschaftlichen Debatten darf deshalb der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht fehlen. Das gilt auch für die Digitalisierung. Denn die Digitalisierung birgt zwar großes Potenzial für Einsparungen von CO2-Emissionen, jedoch verbraucht die Tech-Branche ebenfalls eine große Menge Energie.

Der Digitalisierungsschub im ersten Corona Lockdown hat die Möglichkeiten zu CO2-Einsparungen gezeigt: Geschäftsreisen werden durch Videokonferenzen ersetzt und Arbeiten im Homeoffice reduziert das Verkehrsaufkommen enorm. Neben diesen offensichtlichen Einsparungen bietet eine beschleunigte Digitalisierung noch weiteres Potenzial. So können im Logistikbereich Frachtrouten optimiert und Leerfahrten vermieden werden. Laut Juniper Research ließe sich durch intelligentes Verkehrsmanagement bis 2027 weltweit 205 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Des Weiteren kann der Einsatz von digitalen Zwillingen in der Industrie einen Beitrag leisten. Durch das virtuelle Abbild einer Produktionsanlage kann diese ressourcenschonen getestet und Prozessabläufe optimiert werden.

Gleichzeitig kostet der technologische Fortschritt auch Energie. Der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI), Christoph Meinel, taxiert die CO2-Emissionen der Digitalisierung selbst bereits doppelt so hoch wie die des globalen Flugverkehrs. Allein die Digitalwährung Bitcoin benötige so viel Energie, wie ganz Belgien verbrauche.

Die Ökobilanz der Digitalisierung hängt maßgeblich von ihrem Energiebedarf ab. Das gute ist: Das Potenzial der CO2-Einsparungen ist um ein Vielfaches höher als der CO2-Ausstoß selbst. Doch in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels sollte die Nachhaltigkeit, ähnlich wie Sicherheit und Datenschutz, von Anfang an mitgedacht werden.

Derzeit fehlen noch grüne Standards in der IT. Auch abseits der Debatten über zum Beispiel das Mining von Kryptowährungen gibt es Ansätze für eine grüne Software-Entwicklung. 90 % der heutigen Software enthält Open-Source-Code mit meistens redundanten Abschnitten für den Nutzer. Sogenannte „Tree-Shaking“-Engines können „toten“ Code finden und entfernen. Generell bedeutsam ist es, wenn wir alle Datendisziplin erlernen und tatsächlich umsetzen, wie es in den Anfängen des Internets bei den Website-Entwicklern üblich war.

Auf den ersten Blick mag es nach bedeutungslosen Einsparungen klingen, doch bei Milliarden von Nutzern summieren sich die Einsparungen schnell in die Höhe. Deswegen sind auch die Hebelwirkungen bei viel genutzten Applikationen, wie denen vom Softwarehersteller SAP, und ganz besonders bei weltweiten Social Media Plattformen enorm groß.

Eine Inspiration für umweltfreundliches Programmieren rollt derzeit über den Mars. Der Rover „Perseverance“ sowie seine zahlreichen Instrumente werden von seinem Bordcomputer mit einem 200-Megahertz-Prozessor und zwei Gigabyte Hautspeicher gesteuert. Das ist vergleichbar mit einem PC Mitte der 1990er Jahre.

Insgesamt lässt sich die Digitalisierung mehr als Lösung, denn als Problem des Klimawandels betrachten. Doch um eine Herausforderung wie den Klimawandel gerecht zu werden, sollten auch die Einsparpotenziale der Digitalisierung selbst in Betracht gezogen werden.

Die 15-Minuten-Stadt: Mit UX-Design zur Walkability

Bei der 15-Minuten-Stadt ist der Name Programm. Arbeitsplatz, Freizeitangebote, Grünflächen, Einkaufsmöglichkeiten, Schule, Kindergarten, Kulturangebote – alle täglichen Bedarfe sind für jeden Einwohner innerhalb von 15 Minuten zu erreichen. Und zwar nicht mit Auto, sondern zu Fuß oder mit Fahrrad. Die Versprechungen sind groß, es klingt nach Zukunftsmusik – doch sie hört sich gut an.

Aktuell ist das Leben in der Großstadt meist von langen Wegen geprägt. Die dadurch entstandenen Pendelzeiten sind auf eine Funktionstrennung der Städte zurückzuführen. So erklärt die Stadtgeographin Uta Hohn gegenüber Web-News, dass heutige Städte noch immer durch eine Trennung von Wohn-, Versorgungs- und Arbeitsgebieten gekennzeichnet sind. In der 15-Minuten-Stadt soll sich das ändern.

Dieser Gedanke ist keineswegs neu. Carlos Moreno, Urbanist und Professor an der Pariser Universität Paris I, hatte bereits vor Corona die Idee einer dezentralisierten Stadtorganisation. Alles, was man im Alltag braucht, sollte demnach von jedem Ort in 15 Minuten erreichbar sein. Der Fokus geht dabei weg vom Auto und hin zum Menschen. Die Straße wird derzeit noch für Autos und Parkmöglichkeiten geopfert. Stattdessen sollen Grünflächen, Spielplätze und Fahrradwege angelegt werden. Damit steht die 15-Minuten-Stadt ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und der Verringerung von CO2-Emissionen. Doch auch die Einwohner gewinnen an Lebensqualität: Kürzere Wege, modern „steigende Walkability“ genannt, mehr Freizeit und bessere Luftqualität wären direkte Folgen einer erfolgreichen Umsetzung.

Die Corona-Pandemie hat den Gedanken der 15-Minuten-Stadt neu entfacht. Zum Beispiel wurde deutlich, dass nicht jeden Tag tausende Menschen ins selbe Büro gehen müssen, um produktiv zu arbeiten. Allein im Home-Office zu arbeiten, führt jedoch zur Vereinsamung. In der Nähe befindliche Co-Working-Spaces könnten für dieses Problem eine Lösung bieten und sind elementarer Bestandteil der 15-Minuten-Stadt.

Erste Versuche einer Umsetzung gibt es bereits in Paris, London, Melbourne oder Detroit. Die Maßnahmen stoßen jedoch auch auf Kritik. So kritisiert die Journalistin Alice Delaleu zum Beispiel den Pariser Ansatz im Online-Magazin Chroniques d’architecture: „Durch die Schaffung der Stadt der Viertelstunde baut die Stadt neue Mauern und versinkt im Egoismus“. Fakt ist: Die Planung ist sehr komplex, viele Aspekte müssen mitgedacht werden. Hilfe könnte die Umsetzung der Konzeption vom UX-Design erhalten.

Denn die Arbeitsweisen der UX-Designer können auch bei der Gestaltung des urbanen Raums von Nutzen sein. So sollen die neuen Städte menschenzentriert sein. Methoden des UX-Design wie user research oder customer journey können helfen, die Bedürfnisse der Einwohner zu identifizieren und den Fokus auf den Menschen herzustellen. Die agilen Webmethoden blindlings zu übernehmen wird zwar nicht funktionieren, doch die Grundgedanken können auf die Stadtplanung neu übertragen werden.

Das iterative Vorgehen des UX-Designs führt außerdem zu einem kontinuierlichen Lernprozess. Dieser Prozess ist wichtig, um Herausforderungen wie Klima, wirtschaftlichen oder kulturellen Unsicherheiten gerecht zu werden.

Das UX-Design ist dabei natürlich nur ein Teil einer größeren Planung. Genauso sollten Architekten, Produktdesigner, Soziologen und andere Experten in den Prozess eingebunden sein. Doch bei einem so anspruchsvollem Zukunftsprojekt könnte das UX-Design das fehlende Puzzlestück zur erfolgreichen Gestaltung einer Stadt mit mehr Walkability sein.

Trotz Umsatzrückgängen: Handel investiert in digitale Transformation

Die erfolgreiche digitale Transformation mag auf den ersten Blick sehr herausfordernd wirken – birgt jedoch eine Menge Potenzial. Das gilt auch für den Handel. Je nach Unternehmen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, diese Potenziale auszuschöpfen. Automatisierte Prozesse entlasten zum Beispiel Routineaufgaben, digitale Kommunikationswege erleichtern die Pflege der Kundenbeziehungen und mit digitalen Technologien lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen. Auch der deutsche Handel hat diese Entwicklungen erkannt und die Weichen Richtung Zukunft gestellt. Denn der „Digitalisierungsindex Mittelstand 2021/2022“ von Telekom zeigt, dass im Handel weiter in die Digitalisierung investiert wird.

Die Investitionen des Handels in die digitale Transformation sind zudem bemerkenswert, so setzten die Corona-Pandemie und Lieferprobleme schließlich auch den Unternehmen zu. Der Umsatzrückgang der Branche lag im Durchschnitt bei 32 Prozent. Genauso hat die Pandemie jedoch auch die Notwendigkeit der Digitalisierung deutlich gemacht. 48 Prozent der befragten Unternehmen wollen ihre Investitionen in die Digitalisierung aufrechterhalten, 45 Prozent planen ihre Ausgaben sogar zu erhöhen. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Schutz der Remote-Arbeitsplätze. Durch die zunehmend flexibleren Arbeitsstrukturen halten 59 Prozent der Betriebe ihre Arbeitsplätze für nicht ausreichend gesichert. Knapp die Hälfte der Befragten wollen beispielsweise die Sicherheit ihrer E-Mail-Systeme professionalisieren und Dateien sowie Laufwerke verschlüsseln.

Für die Investitionen in die digitale Transformation stehen ebenfalls eine Reihe von Fördermitteln zur Verfügung. Die Studie ergab jedoch, dass nur 14 Prozent der Unternehmen auf die Fördermittel zur Finanzierung ihrer Digitalisierungsmaßnahmen zurückgreifen. 53 Prozent der Handelsunternehmen sind die Fördermöglichkeiten sogar unbekannt. An dieser Stelle gibt es also noch Optimierungsbedarf.

Insgesamt hat der deutsche Handel zwar den richtigen Weg eingeschlagen, abgeschlossen ist der Prozess jedoch noch lange nicht. Im Branchenvergleich schneidet der Handel noch immer miserabel ab. Mit 55 Punkten im Index liegt er unter dem Durchschnitt von 59 Punkten. Logistik, Industrie, Handwerk und Gastgewerbe weisen alle einen höheren Digitalisierungsgrad als der Handel auf. Die Investitionen haben jedoch den wichtigen Grundstein für eine Aufholjagd gelegt. Denn nur wer die Post-Corona-Kunden versteht und die richtigen Digitalisierungsmaßnahmen einleitet, kann trotz Krise wachsen und in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. Oder um es frei nach dem Internet-Vordenker Sascha Lobo zu sagen: Der Handel sollte nicht fragen, was digitalisiert werden muss, sondern was analog bleiben kann.

https://www.telekom.com/de/medien/medieninformationen/detail/it-sicherheit-und-nachhaltigkeit-zentrale-themen-im-handel-1005366

Erfolgreiche Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft: Vorbild Dänemark?

Digitalisierung – Die Revolution unserer Kommunikationswege hat ihren Weg längst in all unsere Lebensbereiche gefunden. Doch sie schreitet nicht in allen Ländern gl

eich schnell voran. Deutschland zeigt bei diesem Prozess bekanntermaßen Nachholbedarf. Die jüngste Ausgabe des „Digital Economy and Society Index“ weist Dänemark innerhalb der EU als Branchenprimus bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft aus. Auch beim weltweiten E-Government-Ranking der Vereinten Nationen steht unser nordischer Nachbar auf dem ersten Platz. Was lässt sich von dem Vorreiter der Digitalisierung lernen?

In Anbetracht der Fakten wird eine Sache sehr schnell deutlich: Die dänische Digitalisierung geschah nicht über Nacht. Bereits 1968 schuf die dänische Regierung mit der Einführung einer zentralen Personenkennziffer eine Grundlage. Die sogenannte CPR-Nummer wird von allen Behörden sowie dem Gesundheitssystem verwendet und wurde 2010 unter dem Namen NEM-ID ins Internet übertragen. In der Folge leitete die Regierung weitere Schritte zur Digitalisierung ein. So wurden die Bürger schrittweise gezwungen, mit den Behördenausschließlich über Onlineformulare, Bürgerportale und einem digitalen Postfach zu kommunizieren.

Mit der dänischen Digitalisierung gehen viele Serviceleistungen einher. Bürger können beispielsweise online Rente beantragen, Geld überweisen, Arzttermine buchen oder Bücher in den Bibliotheken ausleihen. Trotz des Erfolgs der Digitalpflicht gibt es auch kritische Stimmen. „Wenn Systeme verpflichtend sind, gibt es keinen echten Anreiz, sie zu verbessern“, warnt der dänische Bürgerrechtler Jesper Lund. Außerdem sind alle privaten Schlüssel der Bürger auf einem zentralen Server gespeichert. Dessen Sicherheit muss folglich viel Vertrauen entgegengebracht werden.

Außerdem verweist Lund auf Sicherheitsmängel der NEM-ID. So hätten Kriminelle mit fremden NEM-ID-Zugangsdaten bereits mehrmals die Bankkonten ihrer Opfer geplündert. Hier justiert die dänische Regierung jedoch bereits nach, indem sie von der aktuellen NEM-ID auf die sicherere MIT-ID umsteigt. Begründet wurde die Digitalpflicht ursprünglich vor allem finanziell. 400 Millionen Euro könne so im öffentlichen Sektor jährlich eingespart werden. Zu den tatsächlichen Einsparungen gibt es allerdings keine Daten.

Einige Inspirationen lassen sich aus der dänischen Digitalisierung sicherlich gewinnen. Doch zwischen Deutschland und Dänemark scheint es einen entscheidenden Unterschied zu geben: Die Dänen vertrauen ihren Behörden. Die meisten stellen ihre Daten bereitwillig zur Verfügung. In Deutschland spielt der Datenschutz eine größere Rolle. Die Frage nach einer Digitalpflicht stellt sich in Deutschland zurzeit gar nicht erst. Für viele Verwaltungsleistungen stehen in Deutschland lediglich Papierformulare zur Verfügung. Vor allem kleine Kommunen hinken in der Digitalisierung hinterher.

Wandel in der Unternehmensausrichtung: Digitalisierung wesentlich für mehr Nachhaltigkeit

Wer von Digitalisierung in Unternehmen spricht, denkt vermutlich an Prozesse, die dringend optimiert werden sollen. Künstliche Intelligenz (KI) schafft beispielsweise Abhilfe bei monotonen Aufgaben oder beschleunigt Arbeitsabläufe. Im gleichen Maße können nachhaltige Maßnahmen stark von der Digitalisierung profitieren. Wie wichtig dabei Themen wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in Zusammenarbeit mit KI für Unternehmen geworden sind, zeigt eine neue Studie von Cloudera (https://de.cloudera.com/campaign/limitless-the-positive-power-of-ai-report.html).

Demnach würde laut den befragten Entscheidungsträgern der größte Anteil ihrer Investitionen in ESG fließen. Damit würde mehr in soziale und gesellschaftsrelevante Projekte investiert als in Gewinnsteigerung oder die Entwicklung neuer Produkte. Ein Grund dafür könnte laut der Studie die Einstellung der Mitarbeiter sein. Der Fachkräftemangel ist mittlerweile in fast jeder Branche zu spüren. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter müssen erfüllt werden. Rund ein Viertel der Befragten sorgt sich, dass Mitarbeiter ihr Unternehmen verlassen könnten, wenn nicht genügend in ESG, vor allem Nachhaltigkeit, investiert würde. Der gesellschaftliche Druck, ausgehend von den Mitarbeitern, scheint in den Unternehmen Deutschlands einen festen Platz eingenommen zu haben. Gewinn und ESG gehen Hand in Hand.

Doch welche Rolle spielen neue Technologien dabei? Mehr als 90 Prozent der Befragten sehen etwa in der KI ein Schlüsselinstrument, um nachhaltige Unternehmenspraktiken zu fördern. Das Ziel ist es, die vom Unternehmen erhobenen Daten sowie zur Verfügung stehenden Technologien zu nutzen, um der Gemeinschaft zu dienen, auf die das Unternehmen ausgerichtet ist. Sowohl die Entscheider als auch die Mitarbeiter sind der Meinung, dass etwa die Hälfte der durch das Unternehmen erhobenen Daten für gute Zwecke eingesetzt werden sollten. Gerade bei nachhaltigen Projekten sind sich fast alle Befragten einig, dass KI das Mittel der Wahl ist. Ohne eine umfangreiche Implementierung würden wirtschaftliche Einbußen drohen. Besitzt ein Unternehmen Daten, die es ausschließlich für sich selbst nutzt, könnten sich Kunden und Partner abwenden, fürchten die Entscheider.

Dass soziale und nachhaltige Aspekte für Unternehmen den gleichen Stellenwert erreicht haben wie Wachstum und Innovation, ist eine bemerkenswerte Entwicklung. Wichtig ist, dass viele Entscheider gemäß der Studie den Wert der Digitalisierung zur sinnvollen Durchführung der ESG-Prozesse erkannt haben. Mehr als 80 Prozent der Befragten wollen an dieser Stelle mehr investieren. Festgeschraubte Budget-Deckel, die mangelnde Bereitschaft, neue Wege zu gehen und fehlendes Verständnis für die nötigen Implementierungen haben jedoch einen negativen Einfluss auf die tatsächliche Umsetzung. Es braucht gut durchdachte Strategien, die die gesamte Belegschaft mit ins Boot holen. Zudem benötigen Führungskräfte Fort- und Weiterbildungen, um sich auf den Wandel einzustellen und ihn aktiv mitzugestalten. Die Unternehmen müssen die Digitalisierung also nicht nur wollen, sondern auch umsetzen.

Was sagen Beschäftigte in Deutschland zur Digitalisierung?

Innovationen und neue technische Entwicklungen wie das Radio, der Fernseher oder das Internet wurden gerade während ihrer Einführungen kritisch begutachtet. So wichtig Kritik auch ist, die Grenze zur Angst vor Neuerungen ist gerade bei Veränderungen der Industrie häufig in Sichtweite. Denn bei Technologien, die die Arbeitswelt verändern, ist der Jobverlust eine große Sorge. So auch bei der sogenannten vierten industriellen Revolution, also der fortschreitenden Digitalisierung, Robotik und Automatisierung. Doch existiert diese Sorge oder wird sie in der medialen Berichterstattung nur vorausgesetzt, weil es immer schon so war?

Dieser Frage hat sich ein Forscher-Team der FOM Hochschule Frankfurt am Main angenommen (https://bit.ly/3H201gb). Haben die Menschen in Deutschland Angst, von einer Maschine ersetzt zu werden? Laut einer Medienbeobachtung nehme diese Sorge vor allem in der wissenschaftlichen und polit-medialen Öffentlichkeit einen großen Raum ein. Dabei würden Nachteile und Risiken stärker betont als Vorteile und Chancen. Die Forscher vermissen Aussagen zur subjektiven Haltung der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland gegenüber neuen Entwicklungen wie der Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz (KI) oder dem Internet of Things (IoT) – und nahmen sich dem Thema selbst an.

Wie üblich in wissenschaftlichen Arbeiten wurde zuerst die Literatur zur Hand genommen. Dort ist von Risiken die Rede: Auswirkungen auf die Beschäftigung durch die vierte industrielle Revolution träfe vor allem Personen im Niedriglohn- und Bildungssektor. Gleichzeitig betont die Literatur die positiven Effekte und hält eine technologisch bedingte Arbeitslosigkeit derzeit für unwahrscheinlich. Die Forschung ist sich also uneins.

Und was ergibt die Arbeit der FOM Hochschule Frankfurt am Main? Unter rund 240 Befragten aus unterschiedlichen Branchen gab nur ein geringer Teil an, eine Arbeitslosigkeit aufgrund der vierten industriellen Revolution zu befürchten. Knapp die Hälfte sieht Fort- und Weiterbildungen als wichtiges Instrument an, um als Arbeitskraft am Ball zu bleiben – ein wichtiger Hinweis an die Führungskräfte. Ein Großteil der Befragten nimmt die Digitalisierung zudem als Vorteil an. Schließlich ist eines ihrer Ziele die Arbeitserleichterung, denn sie schafft etwa Abhilfe bei monotonen Tätigkeiten wie Datenerfassung und -abgleich.

Die öffentlich suggerierte Wahrnehmung scheint nicht zwangsläufig der Wirklichkeit zu entsprechen. Um den Kreis zu schließen, üben wir Kritik. Die Studie ist ein guter Impuls, um der wissenschaftlichen und medialen Wahrnehmung ein neues Betrachtungsfeld zu präsentieren. Dass dabei weitere und tiefere Untersuchungen nötig sind, ist auch den Wissenschaftlern der FOM klar. Wir hoffen auf neue Erkenntnisse in der Zukunft.