Was willst du wirklich, wirklich? Das war die entscheidende Frage, die Frithjof Bergmann immer wieder stellte. Er behauptete, dass die Beantwortung der Frage und die daraus entstehenden intrinsische Motivation viel mehr Produktivität und Glück hervorbringen, als alles Befolgen von Arbeitsanweisungen.
Als geistiger Gründer von „New Work“ ging es Bergmann darum, dass Menschen bei der Arbeit mehr Sinn erleben, Freude haben und sich selbstwirksam erleben können.
Bergmann war ein Philosoph der Arbeit
Bergmann strebte eine Transformation der Arbeitswelt an. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen war die Krise in den USA der 80er Jahre. Er sah die Abkoppelung des „Big Business“ von den Bedürfnissen einer sinnerfüllten Arbeitswelt.
Sein Ansatz ist philosophisch: Als Menschen werden wir nicht frei geboren: Unsere Aufgabe besteht darin, frei zu werden, um als Mensch zu leben. Wir kommen unfertig auf diese Welt und müssen unseren Platz finden. Der Mensch ist darum die einzige Kreatur, die sich selbst verlieren kann.
Und viele, so Bergmanns These, leben gar nicht wirklich. Es geht ihm um ein Erwachen, ein „das Leben gewinnen“. So beinhalteten seine Seminare immer die paradoxe Frage: Welche Methoden wenden Sie an, um ihr Leben zu verpassen? Ihm geht es darum, dass wir unser Leben nicht versäumen. Und die Arbeit, in der wir so viel Leben hineingeben, darf nicht dazu dienen, unser nach Sinn suchendes Leben zu verpassen.
Zeit totschlagen auf der Arbeit bedeutet Nicht-Leben, so Bergmann. In Bewegung bleiben, Sinn fühlen und Freude haben bedeutet Leben.
Und Umfragen bei Sterbenden geben ihm recht. Es wurde gefragt: Was bedauerst du, rückblickend auf dein Leben? Unter den TOP 5 Antworten waren: „Ich habe nicht wirklich gelebt“ und „ich habe zu viel gearbeitet“.
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Seine Kritik an klassischer Lohnarbeit
Über Jahrzehnte hat Bergmann versucht, Menschen zu helfen, sich selbst wieder mehr in Besitz zu nehmen. Sich als Selbstzweck des eigenen Lebens zu verstehen. Dazu dient eine Arbeit, die man ernsthaft und aus tiefstem Herzen tun will. Und er beobachtet, was reine Lohnarbeit und Top-Down-Strukturen bei vielen Menschen bewirkt: Entmutigung, Langeweile, Passivität.
Die Frage aber ist für ihn: Auf welche Weise stärkt eine Arbeit die Person und bringt sie voran. Die Umkehr, die Bergmann vorschlägt: Ich werde nicht mehr der Arbeit dienen, sondern auch die Arbeit mir. Ich bin nicht reines Werkzeug zum Zweck.
Seine radikale Kritik an der Lohnarbeit und sein Hervorheben der Eigenproduktion mag aus unserer Sicht unrealistisch und überhöht wirken. Allerdings können wir heute anhand der Cum-Ex Skandale und übertriebenem Shareholder Value seine Kritik an der Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft verstehen.
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Bergmanns Vermächtnis von „New Work“
Sein Ansatz jedenfalls hat viele Menschen und Unternehmen heute überzeugt, die Mitarbeitenden mehr in den Fokus zu nehmen. Unzweifelhaft gibt es auch heute noch viel Resignation, Sinnleere und Unproduktivität, weil Arbeit die Menschen zu sehr verzweckt. Er sieht das im Übrigen auch in den Schulen, in denen noch immer Wissen eingetrichtert wird. Wann geht es in unseren Lernsystemen darum, was Heranreifenden wirklich wirklich interessiert? Diese Frage wird praktisch nie gestellt. Erkenntnis ist für Bergmann immer auch Selbsterkenntnis.
Ich bin sicher, im Leben braucht es eine Balance zwischen Partizipation und Individuation, zwischen Pflicht und Kür, zwischen Fremdbestimmtheit und Autonomie, zwischen Notwendigkeiten und Freiheiten. Bergmann betont die Freiheit, das persönliche Glück, das einzigartige Leben, das wir nicht verpassen sollten. Und das kann für New Work und human-centred-organizations ein großartiger Impuls sein.
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Konkret kann man von Bergmann fünf Prinzipien herleiten:
- Freiheit: Also Experimentierfreude, Fehlerfreundlichkeit, Vernetzung
- Selbstverantwortung: Also Modelle von Selbstorganisation und Beteiligung
- Sinn: Es gibt eine „selbst-bewusste“ Firmenidentität, die Wozu-Frage kann jede und jeder jederzeit beantworten
- Entwicklung: Etablieren von Lernstrukturen und Selbsterneuerung
- Soziale Verantwortung: Es gibt ein Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften und Engagement im Gemeinwesen
Frithjof Bergmann ist dieses Jahr am 23. Mai gestorben. Sein Vermächtnis: Die Vision einer Arbeitswelt mit Menschen, die selbstwirksam, sinnerfüllt und mit Freude arbeiten. Arbeit kann und soll Energien freisetzen!
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Zur Vertiefung:
- Friedhof Bergmann: „Neue Arbeit, neue Kultur“, arbor-Verlag.
- www.humanfy.de
Picture: „Frithjof Bergmann“ by peter_komposch is licensed under CC BY-NC 2.0