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Zirkeltraining: In größeren Gruppen schnell viele Themen bearbeiten

Im Sportunterricht war es früher eine der schweißtreibendsten Angelegenheiten: das Zirkeltraining. Verschiedene Stationen werden nacheinander absolviert, jede Station hatte einen anderen Trainingsschwerpunkt, und innerhalb von 30 Sekunden oder einer Minute musste man richtig abrocken. Dann pfiff der Sportlehrer und es ging an die nächste Station. Diese Mechanik lässt sich wunderbar für Workshops nutzen. Und das sogar ohne den Muskelkater am nächsten Tag.

Großgruppendiskussionen vermeiden

Wenn ich die Meinungen, Antworten oder Ideen von allen Workshop-Teilnehmern zu bestimmten Fragen einholen möchte, dann ist die schlechteste und ermüdendste aller Varianten, diese Themen nach und nach in der großen Runde zu diskutieren. Der klassische Weg ist vielleicht, sich in Kleingruppen fokussiert mit einzelnen Fragen auseinanderzusetzen: Kleingruppe A kann Thema A behandeln, Kleingruppe B widmet sich Thema B und so weiter. Möglicherweise ist es auch besser, wenn die Teilnehmer sich erst mal alleine oder im Tandem Gedanken machen. Das Zirkeltraining ist hier eine gute Alternative, um in kurzer Zeit möglichst viele Facetten eines Themenkomplexes herausarbeiten zu können. Und wer sich spontan an ein World Café oder das Thema Open Space erinnert fühlt: ja, stimmt, das sind enge Verwandte.

Setup & Ablauf eines Zirkeltrainings

Als Moderator bereite ich den Raum vor: Überall verteilt, in möglichst großem Abstand zueinander, hängen Poster an der Wand, die mit Überschriften und einer (selbsterklärenden) Arbeitsfrage versehen sind. Vor jedem Poster liegen ein paar Marker und Post-It-Blöcke.

Anschließend bitte ich die Workshop-Teilnehmer, sich in gleich großen Grüppchen vor den Postern zu versammeln und erkläre die Regeln für diese dynamische Art von Gruppenarbeit:

  • Alle werden alle Poster bearbeiten, es ist also egal, wo man sich zu Beginn hinstellt. Das ist zumindest der “Standardmodus”. Aber auf die Varianten und Modifikationen des Zirkeltrainings komme ich weiter unten noch zu sprechen.
  • Pro Poster gibt es eine Bearbeitungszeit von 10 Minuten. Nach Ablauf der Zeit gibt es ein Signal, und jede Gruppe wechselt im Uhrzeigersinn zum nächsten Poster.
  • In der ersten Runde geht es darum, die Arbeitsfrage zu durchdringen, kurz zu diskutieren und dann erste Antworten und Ergebnisse schriftlich festzuhalten.
  • In der zweiten Runde kommen die Teilnehmer dann an ein Poster, an dem vorher schon eine Gruppe gearbeitet hat: Hier geht es darum, die Arbeitsfrage zu verstehen und sich den jeweiligen Arbeitsstand am Poster zu vergegenwärtigen, so dass auf den schon existierenden Ergebnissen aufgebaut werden kann. So verhindere ich, dass Aspekte doppelt genannt werden.
  • Immer wieder wichtig zu sagen, obwohl es selbstverständlich ist: Die Post-Its sollen leserlich und nachvollziehbar beschrieben werden. Da reicht es nicht, wenn jemand nur “Kommunikation” schreibt. Es muss schon ein Halbsatz sein, immer mit einem Verb, das der Aussage eine Richtung gibt. Also in diesem Beispiel: “Kommunikation verbessern durch wöchentliche Updates vom Teamleiter”. Geschieht diese Konkretisierung nicht, bleiben die schriftlichen Aussagen unverständlich, man spekuliert zu lange über den Sinn eines Kärtchens oder lähmt sich mit zeitfressenden Verständnisfragen.

Zirkeltraining Workshop 2

Abschluss: Die Ergebnisse allen zugänglich machen

Du kannst die Arbeitsfragen, Gruppen und Zeiten natürlich so einteilen, dass am Ende jede Gruppe vor dem Poster steht, an dem sie auch begonnen hat. Das klappt nicht immer, ist aber auch nicht weiter tragisch. Für den Abschluss eines Zirkeltrainings gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die Ergebnisse der Poster werden allen zugänglich gemacht und rückpräsentiert – oder auch nicht. Welchen Weg Du wählst, hängt ganz davon ab, ob und wie mit den Ergebnissen weitergearbeitet werden soll und was das Ziel der gesamten Veranstaltung ist.

Wenn es “nur” um Austausch der Teilnehmenden geht oder um Inspiration, dann reicht mitunter der Rahmen der reinen Arbeits-Session völlig aus, um Menschen ins Gespräch zu bringen und den Austausch untereinander zu fördern. Eine detaillierte Rückpräsentation der Ergebnisse ist nicht notwendig. Soll mit den Ergebnissen aber weitergearbeitet werden, ist es wichtig, dass alle auf dem gleichen Wissensstand sind.

Ich habe für mich zwei Wege gefunden, Zirkeltrainings zu beenden und für einen Ergebnistransfer in die große Gruppe zu sorgen.

Zum einen Rückpräsentationen: In der letzten 10-Minuten-Runde geht es nicht mehr darum, noch mehr Ergebnisse zu produzieren. In der letzten Runde sorgen die Kleingruppen, die gerade vor dem Poster stehen, dafür, dass die Ergebnisse zusammengefasst werden. Sie bereiten in ihrer 10-Minuten-Session also das Poster so auf, dass eine oder einer aus dieser Gruppe die Inhalte des Posters anschließend der Gruppe kurz vorstellen kann.

Die zweite Variante ist ein stiller Spaziergang, neudeutsch: Gallery Walk. In festen Tandems (und vielleicht auch mit einem Kaffee in der Hand) schicke ich die Teilnehmer auf einen Spaziergang durch die Poster. Sie sichten die Ergebnisse und notieren sich parallel, was für sie noch unklar ist oder wo sie Diskussionsbedarf sehen. Hilfreich ist, wenn hier Post-Its in einer noch nicht verwendeten Signalfarbe benutzt werden oder die vorhandenen Zettel gekennzeichnet werden, zum Beispiel durch Blitze (Widerspruch) oder Fragezeichen (Verständnisprobleme). So fallen in der anschließenden gemeinsamen Klärungsrunde die offenen Punkte sofort ins Auge.

Zirkeltraining Workshop 3

Varianten des Zirkeltrainings

Für diese Art von dynamischer Gruppenarbeit, wie wir sie im Zirkeltraining anwenden, gibt es viele Gestaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten. Diese Mechanik ist schließlich kein enges Korsett, das man 1:1 genauso umsetzen muss. Dann hätte ich wahrscheinlich auch keinen Spaß mehr daran. Wer schonmal mit uns gearbeitet hat weiß ja, dass wir gerne experimentieren, auch mit Formaten.

Du kannst die Größe der Kleingruppen variieren, bis hin zu separaten Runden für Einzelarbeit.

Oder Du lässt nicht immer die gleichen Kleingruppen rotieren, sondern teilst die Gruppe durch gegenläufige Rotation auf, konkret: wenn an jedem Poster beispielsweise vier Leute stehen, schickst Du nach der Arbeitsphase zwei Leute nach links und zwei Leute nach rechts rum. So bleiben immer zwei Personen zusammen, aber es gibt immer wieder neue Gruppenkonstellationen. Hier musst Du nur aufpassen und mal durchrechnen, nach wie vielen Runden die ursprüngliche Vierergruppe wieder zusammentrifft.

Du kannst die Session auch so konzipieren, dass nicht alle alles machen. Damit hebelst Du eine strikte Rotationsfolge aus und überlässt den Teilnehmenden die Priorisierung der Themen. Beispielsweise kann es fünf oder sechs Themen-Stationen geben, aber Du lässt nur drei Runden à 10 Minuten arbeiten. Dann kann sich jede und jeder selbst aussuchen, welche Fragen er oder sie bearbeiten möchte. Das ist vor allem für größere Gruppen geeignet und wenn Du in möglichst wenig Zeit viel Input aus den Leuten herausholen möchtest. Die größere Flexibilität kann aber auf Kosten der Ergebnisse gehen. Also wenn Du sicherstellen willst, dass jeder Teilnehmer mal an jedem Poster gearbeitet und seine Sicht der Dinge eingebracht hat, dann solltest Du Dich nicht für diese Variante entscheiden. Aber wenn beispielsweise die Ergebnisse gar nicht so zentral sind, sondern eher der Austausch und die Vernetzung der Personen im Vordergrund gehen, oder wenn den Teilnehmenden auch eine gewisse Priorisierungsmacht zugestehen willst, dann ist der Mut zur Lücke methodisch begründet.

Du kannst das Zirkeltraining auch bis hin zum kompletten Freestyle gestalten und bist schnell bei einem Raum voller Themeninseln, in dem das Gesetz der zwei Füße gilt: Eine Stunde freies Flottieren im Raum, und jeder kann sich aussuchen, welche Themen er wie lange bearbeiten möchte. Wie so etwas aussehen kann, haben wir in diesem Beitrag über eine interaktive Session im Rahmen einer Konferenz sowie in diesem Beitrag über Großgruppenmoderation im Abenteuerland gezeigt.

Alles in allem finde ich das Zirkeltraining eine gute Alternative zu anderen Mechaniken, möglichst viele Facetten eines Themas oder mehrerer Themenkomplexe ans Tageslicht zu bringen. Und die Methode ist ein gutes Grundgerüst, das sich im Rahmen von kleineren oder größeren Workshops variabel gestalten lässt. Es ist ein Tool, das ich in der klassischen Ursprungsform nicht sehr oft einsetze, weil es auch in Konkurrenz zu anderen Vorgehensweisen steht. Aber die grundsätzliche Mechanik des Zirkeltrainings nutzen wir im Rahmen von Workshops oder Großgruppenmoderationen relativ häufig.

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Kreatives Stühle-Rücken mit Skulptur: Mehr als nur ein Workshop-Energizer

Wenn man unter dem Label Komfortzonen agiert, dann weckt man allerorts die Erwartung/ Befürchtung, dass es auch mal kreativ und unbequem wird. Manchmal lösen wir das über Material, manchmal über die Moderation an sich und manchmal auch über die Workshop-Energizer. Heute will ich Euch meinen aktuellen Liebling vorstellen. Location-Vermieter sollten lieber nicht weiterlesen – sonst haben wir womöglich bald irgendwo Hausverbot…

Immer wenn wir mit Gruppen, Teams oder loseren Konstellationen arbeiten, geht es nicht nur um gute Gesprächsführung. Um Gruppen voranzubringen braucht es auch Interventionen, die die Teilnehmer aktivieren, emotional involvieren oder kreativ werden lassen. Ein Teilnehmer nannte dies kürzlich “Ihre kleinen, fein eingestreuten Psycho-Tricks.” In dieser “Psychotrickkiste” liegen beispielsweise Lego-Steine und Metapher-Sticker, Workshop-Energizer oder Spiele. Über die Beschäftigung mit dem Soziodrama hat sich mein Fokus wieder stärker auf die Aktivitäten im Raum und Stühle als Gestaltungsinstrument gerichtet. Und bei der Suche nach neuen Workshop-Energizern bin ich über diese Ideen zum kreativen Umgang mit Stühlen gestolpert und hab mir daraus einen tollen Workshop-Energizer zusammengebaut. Denn Stühle gibt es in jedem Raum – und sie sind nicht nur zum Sitzen gut. Die Übung schubst die Teilnehmer aus ihren Komfortzonen, treibt den Puls hoch, weckt die kreativen Geister und verschönert jeden noch so tristen Seminarraum.

Kreatives Stühle-Rücken: Workshop-Energizer

Was Ihr für diesen Workshop-Energizer braucht…

… einen Raum mit genug Platz für die Teilnehmer zum Laufen. Sollte z.B. ein großer Konferenztisch in der Mitte stehen und den Raum ausfüllen, kannst Du diese Übung in dem Raum nicht so gut nutzen (aber es geht natürlich auch irgendwie).

Wie das kreative Stühle-Rücken mit Skulptur geht:

Für diesen Workshop-Energizer lassen alle Teilnehmerinnen die Stifte fallen, stellen ihre Kaffeetassen weg und nehmen sich einen Stuhl.

Workshop-Energizer mit Stühlen

Schritt 1: kreatives Stühle-Rücken zum Einstieg

Im ersten Schritt bewegen sich die Teilnehmer mit ihrem Stuhl auf möglichst kreative Art und Weise im Raum. Einige beginnen die Stühle zu schieben, andere tragen oder ziehen sie. Es gibt unendliche Möglichkeiten. Nachdem die Teilnehmerinnen sich an die besondere Art mit ihrem Stuhl zu bewegen, gewöhnt haben, bitte ich sie, den Blick auf die Gangarten der anderen zu richten. Anschließend bitte ich sie, in einer neuen Fortbewegungsart weiterzulaufen.

Schritt 2: kreatives Stühle-Rücken mit Thema

Nach 2-3 verschiedenen Arten mit den Stühlen zu gehen, führe ich die Stühle als repräsentatives Objekt von etwas ein. Geht der Workshop z.B. um das Transformations-Team, ist jeder Stuhl das Transformations-Team. Geht es um die Entwicklung der Vision für einen Bildungsradweg, ist jeder Stuhl ein Bildungsradweg. Der Stuhl repräsentiert also ein wichtiges Thema oder einen zentralenAkteur. Mit so einem inhaltlich-aufgeladenem Stuhl bewegen sich die Teilnehmer nun erneut auf kreative Weise im Raum. Meist ändert sich die Stimmung im Raum schlagartig. Auch in diesem Schritt lasse ich die Teilnehmer immer mal wieder ihren Blick auf ihre Mitstreiter richten und neue Gangarten einnehmen. Und manchmal frage ich auch, ob den Teilnehmern klar ist, wie sich das Gehen und Hantieren mit den Stühlen plötzlich geändert hat.

Stuhl-Skulptur

Schritt 3: Stuhl-Skulptur bauen

Zum Abschluss des kreativen Stühle-Rückens lasse ich die Teilnehmer aus den Stühlen eine thematische Skulptur bauen. Die Summe der individuellen Objekte soll zu einem Gesamtkunstwerk werden. Waren die einzelnen Stühle bislang etwa das Transformations-Team, so bauen die Teilnehmer nun aus allen Stühlen eine Transformations-Team-Skulptur – ohne dabei zu reden. Das ist wichtig, da wir keine verbale Abstimmung wollen.

Schritt 4: Die Stuhl-Skulptur interpretieren

Ist die Skulptur fertig, geht es daran, sie zu interpretieren. “Was fällt Euch auf, wenn Ihr diese Transformations-Team-Skulptur seht?” “Was sagt uns die Skulptur über die Entwicklungsmöglichkeiten des Transformations-Teams?” “Wie stabil ist die Skulptur und was hat das mit dem Transformations-Team zu tun?”

Spannend ist auch noch die Reflektion über den Prozess. Also: “Wer hat zuerst einen Stuhl platziert, wer zuletzt und wie lief es währenddessen ab?”

Workshop-Energizer Stuhl Skulptur

 

Wann kannst Du das kreative Stühle-Rücken mit Skulptur einsetzen?

Das kreative Stühle-Rücken ist zugleich Energizer und Themen-Öffner. Wir haben es schon als inhaltliches Warm-Up zu Beginn eines Workshops genutzt, zur Zwischenreflektion um die Mittagszeit sowie zum kreativen und inhaltlichen Abschluss der gemeinsamen Arbeitssession. Die Skulptur eignet sich zudem wunderbar, um damit ein Gruppenfoto der Workshop-Teilnehmer zu machen.

Die Galerie der wild gestapelten Stühle?

Ich fände es ganz wunderbar, wenn eine Galerie verschiedener Stuhl-Skulpturen entstünde. Postet sehr gern Eure Stuhl-Skulpturen mit dem Hashtag #ChairSculpture auf Twitter oder Instagram. Das würde uns sehr freuen.

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Die einvernehmlich gewichtete Entscheidungsmatrix – Tool & Online-Template

Worum geht’s? Um ein paar Worte dazu, warum es sich lohnt, Tools & Templates gut zu gestalten – vor allem aber um: Die einvernehmlich gewichtete Entscheidungs-Matrix (oder Optionsmatrix oder Decision Matrix) als Tool, um Entscheidungen im Team und abgestimmt mit Vorgesetzten zu treffen. Und nicht zuletzt: um eine schnörkellose Online-Vorlage, die Ihr selbst nutzen könnt. (Update, Januar 2020: als Alternative zur Online-Vorlage gibt es jetzt eine umfassendere Lösung des Problems vom Hamburger Startup airfocus.)

“Form follows function” oder “Die Form folgt der Funktion“ so der allseits bekannte Designleitsatz aus vor allem Produktdesign und Architektur. Ein Leitsatz, den ich bei mir selbst immer wieder feststelle, heißt: “behavior follows equipment”. Im Gegensatz zum Eingangssatz konnte man letzteren bis heute noch nicht googeln. Den prägte ich mal mit einem guten Freund, weil der Satz so schön begründet, warum es total okay ist, zum Beispiel in neues Sport-Equipment zu investieren. Oder in eine Apple Watch, die es schafft, dass ich jetzt regelmäßig bewusst atme. Das hat mit diesem Blogbeitrag insofern zu tun, weil es aus meiner Sicht nicht nur auf Equipment im Sinne von Produkten zutrifft, sondern auch auf virtuelle Tools oder abstrakte Methoden. Wenn ich ein Tool besonders intuitiv, schön, handschmeichelnd oder anderweitig gut gestalte, löst es anderes Verhalten aus. Ich koche zum Beispiel mehr und lieber mit meinen guten Messern. Und auch in Workshops arbeiten alle anders, wenn die Werkzeuge besonders gestaltet sind. In der Einleitung ist das also der Aufruf, in die Gestaltung und Nutzung von gutem “Equipment”, guten Werkzeugen zu investieren. Im eigentlichen Artikel geht es um etwas ganz Konkretes.

Die Herausforderung Optionen zu priorisieren und es dabei allen Recht zu machen

Entscheidungs-Matrix

Folgender Fall: eine Produkt-Verantwortliche soll kleine Projekte aufsetzen und darin neue Produkte vorantreiben, die in ein, zwei Jahren relevant fürs Geschäft ihrer Firma werden könnten. Sie wird ziemlich gut beraten sein, wenn sie ihren Vorgesetzten später stichhaltige Argumente liefert, warum sie jeweils das eine und nicht eins der anderen möglichen Projekte vorangetrieben hat. Aber wie? Immer alles mit “denen da oben” gemeinsam neu priorisieren und abstimmen, wird kaum klappen und macht wenig Sinn. Gut wäre, wenn sie eine Priorisierungsmöglichkeit hätte, die “die da oben” möglichst schon “mitdenken” würde und die sich immer wieder gut mit dem eigenen Team auf zu priorisierende Projekte anwenden ließe. Sicher nicht die einzige, aber eine schlaue Möglichkeit:

Die einvernehmlich gewichtete Entscheidungsmatrix

Entscheidungs-Matrix

Die Methode einer gewichteten Entscheidungs-Matrix habe ich selbst schon genutzt, lange bevor ich in die Rolle kam, anderen bei ihren Entscheidungen zu helfen. Zum Beispiel wenn es darum ging, Auftrag A oder Auftrag B anzunehmen. Das Grundprinzip ist denkbar einfach: Ich male eine Matrix

  • In die erste Spalte kommen Kriterien, die für mich bei der Entscheidung wichtig sind. Zum Beispiel: “Job ist in Hamburg (ich kann bei meiner Familie sein)” oder “Realisierter Tagessatz” oder “Ich lerne etwas Neues dabei”.
  • In die zweite Spalte kommt eine Gewichtung. Das geht mit verschiedenen Modellen – einfach ist zum Beispiel: die Gewichtung aller Kriterien zusammen muss 100% ergeben. Die Prozentzahlen verteile ich dann wie ich möchte auf die Kriterien und sage zum Beispiel: “Ich lerne etwas Neues dabei” soll 10% der Entscheidung ausmachen, “Job ist in Hamburg” soll 25% ausmachen und so weiter.
  • In jede weitere Spalte kommt eine Option. Also in diesem Beispiel “Auftrag A”, “Auftrag B” und so weiter. Und in die Zeilen darunter jeweils ein Wert zwischen 1 und 10 (oder andere Skalen) mit dem ich einschätze, wie sehr das Kriterium erfüllt ist. Also zum Beispiel: “Ich lerne etwas Neues” bei Auftrag A mit einer 8 und bei Auftrag B mit einer 4.
  • Daraus ergeben sich dann Werte, bei denen der höchste Wert die beste Option ist.

Soweit war mir das Tool bekannt, so habe ich es bereits genutzt. Mein Bekannter Klaus-Peter Frahm, der unter anderem das tolle Product Field mit entwickelt hat und bei der DPA (Deutsche Presse Agentur) als Head Of Innovation vermutlich ziemlich oft Optionen abwägen muss, hat mich jetzt drauf gebracht, es genau in der oben beschriebenen Entscheidungssituation zu verwenden. Denn in etwa so setzt er sie auch ein.

Das allein würde nicht reichen, um meinen Einstieg in Sachen “behavior follows equipment” zu rechtfertigen. Der begründet sich dadurch, dass Klaus-Peter (KP) eine wunderbare Google-Spreadsheet-Vorlage für eine Options-Matrix gebaut hat, mit der sich leicht und schön die Gewichtung bauen und pflegen lässt. Dort gibt es noch eine weitere Spalte ganz links – Oberkategorien für die Kriterien.

Entscheidungs-Matrix

Einsatz einer einvernehmlich gewichteten Entscheidungsmatrix

Gemeinsam mit den Vorgesetzten und/oder Stakeholdern künftiger Entscheidungen werden Kriterien erarbeitet – da es hier um eine gemeinsame, moderierte Sicht geht, natürlich am besten in einem knackigen Workshop. Zum Beispiel:

  • Kriterium 1 (z.B. Gute Skalierbarkeit)
  • Kriterium 2 (z.B. Schneller Mehrumsatz)
  • Kriterium 3 (z.B. Bessere Kundenbindung)

Ebenfalls gemeinsam werden diese Kriterien dann gewichtet. Im weiteren Prozess kann die Projekt-Verantwortliche nun immer alleine oder im Team oder mit anderen Stakeholdern Optionen in die Matrix eintragen und gemeinsam bewerten. Daraus ergeben sich dann Scores, die für oder gegen bestimmte Projekte sprechen.

Kleine Warnung I: Das ist kein Automat

Natürlich ist das kein Entscheidungs-Automat. Nur weil bei Option 3 die höchste Zahl ausgeworfen wird, muss das noch lange nicht die beste Wahl sein. Die Ergebnisse sollten erst mal reflektiert werden. Gibt es Widerspruch? Steht das Ergebnis komplett im Gegensatz zur eigenen Wahrnehmung? Falls das so sein sollte, kann die Ursachenforschung, bzw. Diskussion beginnen. So ließe sich zum Beispiel einer Vorgesetzten gut erklären: “Sieh mal hier, eigentlich unterliegt die Projektinitiative mit Score XY gegenüber anderen Projekten. Wir finden aber dennoch, dass wir es verfolgen sollten und zwar weil…” Gewöhnt sich ein Team (und Vorgesetzte) an dieses Werkzeug, werden die Begründungen von Entscheidungen transparenter, diskussionsfähiger und auch besser zu verteidigen. Außerdem etabliert sich ein Werkzeug, das in künftigen Planungs-Workshops immer wieder eingesetzt werden kann.

Kleine Warnung II: Wermutstropfen & Chance

Viele Vorgesetzte werden sich hüten, sich so klar auf Kriterien festlegen zu wollen. Daran lässt sich dann allerdings auch offensiv zeigen, warum es Mitarbeitern so schwer fällt, strategisch belastbare Entscheidungen zu treffen. Aber selbst wenn sie es nicht tun: Auch eine gut gepflegte Entscheidungsmatrix, die nur mit dem eigenen Team genutzt wird, kann Entscheidungssituationen vereinfachen.

Entscheidungs-Matrix

Abschließend noch mal zum Online-Template

Es gibt zig weitere Vorlagen da draußen im Netz. Zum Beispiel hier, hier und hier. Es gibt sogar eine ganze Website, die nichts anderes tut, als dieses Werkzeug zu sein: rationalize.io.

Update, Januar 2020: eine mächtige Alternative zu diesen hemdsärmeligen Lösungen gibt es mittlerweile aus Hamburg: Das Startup airfocus hat die gewichtete Entscheidungsmatrix zum Kernstück des eigenen Angebots gemacht. Optisch ansprechend können Nutzer dort noch wesentlich mehr Stellschrauben drehen, Abhängigkeiten einbauen und so weiter und so fort. Nach einem ersten kurzen Test gefällt uns diese Alternative ziemlich gut.

Aber KP hat das schnörkellos in eine Vorlage gebaut, die sich super-einfach bedienen lässt, übersichtlich und erreichbar ist. Damit ist sie um Längen besser, als die oben genannten Quellen. Bei mir hat er damit ausgelöst, das Werkzeug direkt in einem Projekt einzusetzen, diesen Artikel zu schreiben und mich mit der Methode beschäftigt zu haben. Was meint Ihr? Vielleicht probiert Ihr sie ja mal aus. Und vielleicht stimmt dann hier oder dort der Satz: “behavior follows equipment”.

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Präsentationen strukturierter diskutieren

Wer häufig an Präsentationen teilnimmt oder im Rahmen von Meetings und Workshops selber vorträgt, kennt die Ausgangslage: Die Ergebnisse wurden vorgestellt, jetzt haben wir noch ein paar Minuten für die Diskussion. Hand aufs Herz: Wie viele Situationen kennst Du, in denen diese Diskussionen zeitlich im Rahmen blieben und dennoch alle wesentlichen Punkte von den Teilnehmenden angesprochen wurden? Und wie oft waren diese Rückmeldungen produktiv für beide Seiten? Heute präsentieren wir Euch hier einen kleinen Kniff, um derlei Diskussionen besser zu führen.

Wir achten darauf, dass in unseren Workshops kein Death by Powerpoint gespielt wird. Falls sich eine kleine Präsentation aber nicht vermeiden lässt, setzen wir alles daran, dass diese zumindest anders aufbereitet und vorgestellt wird, als lediglich mit Bildschirmübertragung von Monitor auf Beamer. Dennoch sind Präsentationen häufig ein wichtiger Bestandteil vieler Workshops oder Meetings. Ob nun die interne Jahresstrategie vorgestellt wird, die Agentur eine neue Kampagnenidee pitcht oder im Workshop Arbeitsergebnisse aus Kleingruppen zurückpräsentiert werden – es gibt immer Situationen, in denen ein oder zwei Personen einem mehr oder weniger großen Publikum etwas erzählen. Unabhängig von der Qualität der Präsentation ist meine Erfahrung, dass die anschließenden Diskussionen häufig wenig strukturiert verlaufen und vom Präsentator häufig nicht mitgedacht werden.

Unstrukturierte Feedback-Diskussionen

So enden denn die meisten Präsentation oft mit “Haben Sie noch Fragen?” oder “Was sagen Sie dazu?” oder “Ich freue mich auf Euer Feedback.” Das Problem dabei ist, dass eine derart offene Einstiegsfrage dem verbalen Wildwuchs Tür und Tor öffnet. Die Gefahr ist groß, dass somit in einem ohnehin recht engen Zeitfenster für Diskussionen die lauten Stimmen überwiegen oder irgendwelche Detailfragen gestellt werden, die zielsicher am Thema vorbei laufen. Es kommt auch nicht selten vor, dass hier die Selbstdarsteller und Meinungsführer das Wort ergreifen und die Gelegenheit nutzen, mal die eigene Meinung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Der noch größere Nachteil ist allerdings, dass sich die Diskussion meist nur an einigen wenigen Punkten – meist Kritikpunkten – aufhängt. Die ersten zwei, drei Stimmen, die sich melden, setzen den Rahmen für die Diskussion, und so geschieht es häufig, dass sich die Diskussion in Kleinteiligem verliert. Am Ende hat man vielleicht ein paar problematische Aspekte diskutiert oder Fragen beantwortet, aber das Gesamtbild bleibt unklar: Sind das wirklich alle wichtigen und kritischen Aspekte gewesen? Oder nur die Meinung von wenigen meinungsstarken Wortführern?

Alles in allem: Unstrukturierte Diskussionen in großer Runde sind nicht immer inhaltlich zielführend und manchmal sogar recht nervig.

Es gibt viele gute Wege, um Diskussionen zu strukturieren

Was uns in einem solchen Setting immer wichtig ist: Wir strukturieren diese Feedback-Runden. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum Beispiel lassen wir die Teilnehmenden erstmal in kleinem Kreis – Zweier- oder Dreiergruppen – die Präsentation reflektieren. Das sortiert schonmal die nachfolgenden Äußerungen. Manchmal kann es auch hilfreich sein zu verfremden und den Teilnehmenden eine Rolle zu geben, aus der sie sich die Ergebnisse anhören und Feedback geben sollen, beispielsweise als Kunde X oder Abteilungsleiter Y. Das eröffnet neue Perspektiven.

Die einfachste Variante ist aber das schriftliche Feedback, das ich hier mal etwas näher erklären möchte, um danach kurz auf einige Modifikationen und andere Varianten einzugehen. Allen gemeinsam ist der Versuch, Diskussionen zu strukturieren und die Zuhörer und Zuhörerinnen während einer Präsentation aus der reinen Konsumhaltung herauszuholen und dafür zu sorgen, dass die anschließende Diskussion bereits während der Präsentation mitgedacht wird.

Diskussionen visualisieren

Beim schriftlichen Feedback mit einfacher Rot-Grün-Logik verteilen wir vor einer Präsentation rote und grüne Post-It-Blöcke und bitten die Teilnehmenden des Workshops, während der Präsentation bereits mitzuschreiben, welche Sichtweisen sie teilen und welche Aspekte sie gut finden (grün) und an welchen Aussagen man sich stört, welche Inhalte grundsätzlich anders gesehen werden und was offen geblieben ist (rot). Wenn die Teilnehmenden individuell ihre Kärtchen ausfüllen, bedeutet das auch: jeder Teilnehmer bekommt die Möglichkeit sich zu äußern. Alle Meinungen haben das gleiche Gewicht. So verhindert man ganz nebenbei auch, dass sich nur die “lauten Stimmen” in der Diskussion durchsetzen.

Eine Themenlandkarte bringt Struktur in die Diskussion

Nach der Präsentation bringen wir alle Zettel an die Wand. Entweder sammeln wir als Moderatoren die Zettel ein und lesen sie vor – dann haben wir die Kontrolle über die Zeit. Oder jede(r) liest die eigenen Zettel vor und wir sammeln sie danach ein. An der Wand clustern wir die Post-Its nach Themenblöcken. Auf diese Weise sieht man sofort, wie viele positive und negative Rückmeldungen es gibt. Es lässt sich sofort erkennen, wo es viel Übereinstimmung und Zustimmung gibt (grün) und wo sich die größten Unklarheiten und Diskussionspunkte ergeben (rot). Eine solche Landkarte lässt sich ganz wunderbar nutzen, um daran die Diskussion zu strukturieren, ganz nach dem Motto: “Dieses und jenes scheint weniger strittig zu sein, aber wir sehen hier drei große Themenfelder, über die wir jetzt sprechen sollten.” Für den Fall, dass sich die Diskussion dann doch im Kleinteiligen verlieren sollte, habe ich als Moderator dann eine schöne Interventionsmöglichkeit, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken und im vorgegebenen Zeitfenster möglichst viele Themen anzusprechen: “Wir haben noch 15 Minuten. Wollen wir jetzt wirklich ausschließlich über diesen einen Punkt sprechen? Wie Sie sehen gibt es ja noch zwei andere Themenkomplexe, auf die wir zu sprechen kommen sollten.”

Anpassungen der Grundmechanik: Weiterentwicklung und Verfeinerung

Diese grundsätzliche Mechanik lässt sich natürlich auch verfeinern. Wir haben hier auch schon nach dem Einsammeln der Post-Its und der Visualisierung der Themen eine kleine Bewertungsrunde eingezogen um zu sehen, welche Aspekte die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wichtig und diskussionswürdig finden. Oder, wenn die Zeit knapp wird und sehr viel mitgeschrieben wurde, bitten wir die Teilnehmenden nur ihre zwei wichtigsten Nennungen an die Wand zu bringen.

Ebenfalls haben wir statt simpler Rot-Grün-Logik schon mit Symbolen gearbeitet, die als Kategorisierung auf jeden Zettel gemalt wurde: Ein Herz steht für “finde ich gut/ sehe ich auch so”, ein Blitz bedeutet “Einspruch”, eine Glühbirne oder ein Hashtag als Symbol für “das bringt mich auf einen neuen Gedanken” lässt sich einführen, wenn man zusätzliche Assoziationen und weiterführende Aspekte der Teilnehmenden hören möchte. Zur besseren visuellen Strukturierung ist es natürlich hilfreich darauf zu achten, dass ein einheitlicher Farb-Code eingehalten wird.

Wie eingangs schon beschrieben haben wir aber auch schon einen Schritt früher eingesetzt und im Zuge der Workshop-Vorbereitung dafür gesorgt, dass die Präsentation ganz anders aufbereitet wurde: Wir haben unserem Auftraggeber geraten, lieber auf eine Powerpoint-Präsentation zu verzichten und stattdessen die Folien auszudrucken und an den Wänden zu verteilen. So konnten wir direkt neben jedes Blatt die entsprechenden Kommentare platzieren.

Feedback zu einer Gruppenarbeit während eines Design-Sprints

Präsentationen strukturierter diskutieren

Diskussionen brauchen Struktur, das gilt für Workshops insgesamt, das gilt aber auch für vermeintlich kleine Feedback-Diskussionen nach Präsentationen. Fehlt die Struktur, fliegt einem womöglich die Zeitplanung um die Ohren, die Genervtheit der Teilnehmenden nimmt zu und/oder einige starke Stimmen übernehmen die Strukturierung. Das alles kann dazu führen, dass Du als Moderator die Kontrolle über das Geschehen aus der Hand gibst.

Wir haben mit den oben skizzierten Methoden gute Erfahrungen gemacht, zumindest was Workshops und Meetings angeht. Sich eine kluge Struktur zu überlegen mag zwar minimal aufwändiger sein, als sofort in eine Diskussion zu starten, aber die Vorteile überwiegen: aktive Einbindung der Zuhörer statt reine Konsumhaltung, ganzheitlicher Überblick der relevanten Themen, besseres Zeitmanagement, einfachere Moderation und weniger “Wegmoderieren” von Wortführern durch das demokratische Prinzip, jedem Teilnehmenden Möglichkeit zu geben, sich gleichberechtigt zu äußern.

Für welchen Weg Du Dich auch entscheidest, wichtig ist vor allem, dass die Diskussion eine Struktur hat. Wie siehst Du das? Was sind Deine Erfahrungen mit Diskussionen, die sich an Präsentationen anschließen?

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